Robert Habeck, Olaf Scholz und Christian Lindner Anfang Mai bei der Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg
Analyse

Folgen der NRW-Wahl Es wird unruhig in der Ampel

Stand: 16.05.2022 17:12 Uhr

Klatsche für die SPD, taumelnde Liberale, selbstbewusste Grüne: Die Ergebnisse der NRW-Wahl sind für die Ampel-Koalition im Bund eine brisante Mischung. Das Regieren dürfte deutlich schwieriger werden.

Eine Analyse von Nadine Bader, ARD-Hauptstadtstudio

Eine Klatsche für den Kanzler, angeschlagene Liberale, allein die Grünen haben Rückenwind: Für die Ampel-Regierung im Bund ist das eine brisante Mischung. Nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen dürfte es nun deutlich schwieriger werden, zusammenzuhalten. Dass Ergebnisse im bevölkerungsreichsten Bundesland immer wieder Folgen für die Bundespolitik haben, gilt bei Beobachtern als unbestritten. Etwa 2017, als die lange Zeit beliebte Landesmutter Hannelore Kraft krachend gegen Armin Laschet scheiterte. Die Niederlage der SPD wurde zur Vorbotin der vierten gewonnenen Bundestagswahl Angela Merkels.

Scholz hat an Zugkraft eingebüßt

Das 2017 noch historisch schlechteste Ergebnis der SPD in Nordrhein-Westfalen von knapp über 31 Prozent wurde diesmal sogar unterboten: 26,7 Prozent. Ob die Niederlage der Sozialdemokraten auch auf das Konto des Kanzlers geht, will ein Journalist bei der Pressekonferenz zur Wahlnachlese in Berlin wissen. SPD-Chef Lars Klingbeil umschifft die Frage. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Olaf Scholz, der im Landtagswahlkampf sehr präsent war, das Ergebnis nicht kalt lassen kann.

Bis zur nächsten Bundestagswahl 2025 hat er zwar noch gut weitere drei Jahre Zeit, mit Grünen und Liberalen im Bund Politik zu machen. Doch offenbar hat er an Zugkraft eingebüßt. Immer wieder sah sich Scholz zuletzt Vorwürfen ausgesetzt, zu zögerlich auf den Krieg in der Ukraine zu reagieren. Nun muss er aus einer geschwächten Position den Laden in Berlin zusammenhalten.

Von der Anfangseuphorie nicht viel übrig

In der Ampel Kompromisse zu schmieden, dürfte in dieser Lage nicht einfacher werden. Schon beim Ringen um die Entlastungspakete zeigte sich kürzlich, dass von der Anfangseuphorie der selbsternannten "Fortschrittskoalition" nicht mehr ganz so viel übrig zu sein scheint. Erst nach nächtlichen Verhandlungen konnten SPD, Grüne und FDP sich auf ein Ergebnis einigen, das einem Kuhhandel gleicht: Die Sozialdemokraten bekommen unter anderem Zuschüsse für Sozialhilfeempfänger, die Grünen das Neun-Euro-Ticket und die Liberalen den Tankrabatt.

Lindner bläst zum Angriff

Das Geld dafür auftreiben muss der Bundesfinanzminister. "Plötzlich Schuldenminister", "Trickserei", "Neuer Schuldenkönig" - schon seit Wochen muss Christian Lindner mit solchen Schlagzeilen klarkommen. Jetzt auch noch die Niederlage in Nordrhein-Westfalen, und das mit einem der größten FDP-Landesverbände. Die taumelnde FDP könnte in der Folge im Bund noch stärker auf eine liberale Handschrift drängen. Schon bislang konnte man den Eindruck gewinnen, dass die FDP in einigen Bereichen die Ampel-Koalition dominiert, etwa beim Scheitern der gesetzlichen Impfpflicht und dem Scheitern eines Tempolimits.

"Die Tränen sind getrocknet", sagt FDP-Chef Lindner in der Parteizentrale in Berlin. Und er bläst an zum Angriff auch innerhalb der Koalition. Nur so lässt sich wohl deuten, wie er die schweren Verluste bei der Landtagswahl mit bundespolitischen Themen begründet. Zu dem "dramatischen Einbruch" bei den über 60-Jährigen habe die große Unzufriedenheit mit der Energiepreispauschale beigetragen. Die Pauschale von 300 Euro ist Teil des Entlastungspakets der Ampel. Rentner sollen sie aber nicht erhalten. Zu verantworten hat das aus Sicht Lindners vor allem die SPD, die sich für die Pauschale eingesetzt hatte.

FDP wird wohl an roten Linien festhalten

Die Kommunikation dieser Gerechtigkeitsfrage im Gesamtpaket der Entlastungen sei nicht gelungen. Daraus müsse man Konsequenzen ziehen für künftige politische Projekte der Koalition in Berlin. Ob die FDP nun also versuchen wird, in der Ampel-Koalition sichtbarer zu werden? "Die FDP arbeitet verlässlich, die FDP arbeitet professionell in der Bundesregierung mit ihren Koalitionspartnern zusammen," wiegelt Lindner die Nachfrage fast schon ein bisschen staatstragend ab. Die FDP nehme die parteipolitische Eigenprofilierung nicht wichtiger als den Erfolg der Regierung.

Doch fest steht auch: Nach der Wahlschlappe in Nordrhein-Westfalen wird Lindner wohl umso mehr an seinen roten Linien festhalten: keine Steuererhöhungen und Rückkehr zur Schuldenbremse. Weitere Entlastungen für die Bürger und weitere Begehrlichkeiten der Koalitionspartner könnten da noch zu heftigen Diskussionen in der Ampel führen.

Liberale unter Kontrolle halten, Grüne auf Distanz

Eine solche Begehrlichkeit hat Grünen-Chef Omid Nouripour wenige Straßen weiter in der Grünen-Bundesgeschäftsstelle parat: mehr Geld für den Entwicklungshaushalt. Angesichts einer massiven sich anbahnenden globalen Ernährungskrise führe man darüber Gespräche in der Koalition. Die angeschlagene FDP hat es nun also auch noch mit vor Selbstbewusstsein strotzenden Grünen in Bund zu tun. Für den Kanzler bedeutet das zweierlei: Er könnte demnächst gut damit zu tun haben, die um Profilierung bemühten Liberalen unter Kontrolle zu halten. Und die Grünen, deren Position innerhalb des Ampel-Machtgefüges gestärkt ist, ein Stück weit auf Distanz.

SPD will keine Folgen für den Bund sehen

Auf der Pressekonferenz in der SPD-Zentrale klingt das freilich anders. Schwierigkeiten, die sich nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen für die Ampel-Regierung im Bund ergeben könnten, möchte Parteichef Klingbeil partout nicht sehen. Er sei generell ein Mensch, der sich sehr wenig Sorgen mache, sagt Klingbeil. Alle in der Ampel wüssten, was an schwierigen Aufgaben zu meistern sei, vom Umgang mit den Folgen des Ukraine-Kriegs über die Pandemiebekämpfung bis hin zu den Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag.

Für Beobachter klingt das fast ein bisschen so, also wolle man im Willy-Brandt-Haus in Berlin mögliche Folgen der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen noch nicht ganz wahrhaben. Nämlich, dass eine zunehmende Unruhe in der Ampel-Koalition auf Bundesebene nicht ausgeschlossen ist.

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