Christian Lindner
Analyse

FDP zur Einbürgerung Zwischen Koalitionsdisziplin und Profilbildung

Stand: 29.11.2022 03:22 Uhr

SPD-Innenministerin Faeser will ein neues Einbürgerungsgesetz. Doch ausgerechnet der Koalitionspartner FDP stellt sich wieder einmal quer. Was treibt die Liberalen an?

Eine Analyse von Torben Ostermann, RB

Vor gut einem Jahr war es vollbracht: Der Koalitionsvertrag der Ampel stand. "Mehr Fortschritt wagen", so sein vielversprechender Titel. SPD, Grüne, die FDP - Deutschlands erstes Dreierbündnis auf Bundesebene - hatte sich was vorgenommen, wollte vieles anders machen.

Spürbar erleichtert und sichtlich stolz äußerte sich damals auch Christian Lindner. Jetzt beginne die Zeit der Tat, so der FDP-Chef damals. Die geplatzten Jamaika-Sondierungen Jahre zuvor schienen vergessen, die FDP war jetzt Regierungspartei.

Koalitionsvertrag als Grundlage für die Reform

Doch ausgerechnet bei einem Kernanliegen der selbst ernannten Fortschrittskoalition stellt sich die FDP wieder einmal quer. Um aus Deutschland ein echtes Einwanderungsland zu machen, sollen neue Einbürgerungsregeln her, noch in dieser Woche will das Kabinett die Pläne von Innenministerin Nancy Faeser diskutieren.

Die Grundlage für die Reform steht im Koalitionsvertrag, auf Seite 94. Dort heißt es: "Eine Einbürgerung soll in der Regel nach fünf Jahren möglich sein, bei besonderen Integrationsleistungen nach drei Jahren." Außerdem sollen künftig doppelte Staatsbürgerschaften erleichtert werden.

FDP verknüpft die Themen Einwanderung mit Abschiebung

Eine Reform der deutschen Einwanderungspolitik also. Verhandelt in den Koalitionsgesprächen und am Ende unterschrieben von SPD, Grünen und eben der FDP. Doch die Liberalen treten nun auf die Bremse. Begründung: Es gebe keine Fortschritte bei der Rückführung der Menschen, die illegal in Deutschland leben. Die Ampel dürfe den zweiten Schritt nicht vor dem ersten machen. 

Die FDP verknüpft die Themen Einwanderung mit Abschiebung, macht das eine zur Bedingung für das andere. Erstaunt darüber zeigte sich die SPD-Chefin Saskia Esken: "Diese Dinge in Zusammenhang zu bringen, geht an der Sachlage vorbei. Es geht um diejenigen, die schon seit Jahren bei uns leben, zum Teil seit Generationen bei uns leben."

Kritik von Koalitionspartnern

Richtig ist, dass sich die Koalitionsparteien SPD, Grüne und die FDP darauf geeinigt haben, dass Menschen, die illegal in Deutschland leben, schneller abgeschoben werden sollen. Allerdings tauchen die Sätze zur Abschiebung erst wesentlich später auf, sind also nicht Bestandteil des Kapitels über Einwanderung.

Eine Verknüpfung der Themen Einwanderung und Abschiebung, wie sie die FDP gerade vornimmt, lässt sich daraus also nicht ableiten. Irritiert über das Vorgehen der Liberalen äußerte sich unter anderem Filiz Polat von den Grünen: "Es passt in der Argumentation nicht zusammen. Die FDP hat dieses Paket im Koalitionsvertrag sehr genau mit uns ausgehandelt." Es sollen sogar die liberalen Verhandler gewesen sein, die die Jahreszahlen fünf und drei ins Spiel gebracht haben, erinnert sich Polat.

FDP wiederholt Oppositionspartei in der Koalition

Die FDP will wahrgenommen werden, und zwar als Partei der Mitte. Auch bei der Debatte um das Bürgergeld versuchte sie es hin und wieder mit Opposition in der Koalition.

Erst kritisierte FDP-Parteichef Christian Lindner die Pläne seines Kabinettskollegen Hubertus Heil von der SPD. Anschließend zeigten sich die Liberalen auffallend schnell offen für Kompromisse mit der Opposition. Es schien, als sei die FDP darum bemüht, das Bürgerlich-Konservative nicht allein der CDU und CSU zu überlassen.

FDP redet "Reibereien" klein

Spricht man die FDP auf ihre Sonderrolle an, wird der Eindruck kleingeredet. Reibereien seien in einem Dreierbündnis schließlich normal und nichts Besonderes. Das sei Alltagsgeschäft, sagte Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP dem ARD-Hauptstadtstudio. Sie empfehle allen Ministerinnen und Ministern, sich an den Koalitionsvertrag zu halten, dann sei auch wieder "Friede, Freude, Eierkuchen".

Es sind Worte, die die Irritation bei SPD und Grünen nicht schmälern dürften. Schließlich sehen sie im Koalitionsvertrag die Grundlage für die von ihnen geplante Reform. Auf Seite 94 steht recht eindeutig, wie das Thema Einwanderung in Deutschland künftig geregelt werden soll.

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