Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg spricht vor dem Europaparlament.

Thunberg zu EU-Klimagesetz "Wenn das Haus brennt, wartet man nicht"

Stand: 04.03.2020 17:28 Uhr

Die Klimaaktivistin Thunberg hat die EU für ihre Klimaschutzpläne kritisiert. Diese müssten früher als 2050 umgesetzt werden. Das Haus brenne jetzt, so Thunberg.

Klimaaktivistin Greta Thunberg hat von der Europäischen Union sofortiges Handeln gegen die globale Erwärmung verlangt. Nur ein Klimaziel für 2050 zu setzen, sei eine Scheinlösung, sagte die 17-jährige Schwedin im Umweltausschuss des Europaparlaments. Gehandelt werden müsse jetzt.

Sie kritisierte damit das von der EU-Kommission vorgelegte Klimagesetz, das nur ein langfristiges, aber keine kurzfristigen Ziele setze. "Als eure Kinder den Feueralarm auslösten, gingt ihr raus, schautet nach und nahmt den Geruch in der Luft auf", sagte Thunberg. "Und ihr stelltet fest, dass das Haus tatsächlich brennt. Das war kein Fehlalarm. Doch dann gingt ihr wieder rein, aßt in Ruhe euer Abendessen, schautet euch einen Film an und gingt ins Bett, ohne auch nur die Feuerwehr zu rufen. Tut mir leid, aber das macht überhaupt keinen Sinn." Sie fügte hinzu: "Wenn euer Haus brennt, dann wartet man doch nicht noch ein paar Jahre, bevor man es löscht. Und genau das schlägt die Kommission heute vor."

Klimagesetz als "Kompass für die nächsten 30 Jahre"

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte nach der Vorstellung des Gesetzesvorschlags in Brüssel: "Das Klimagesetz wird die EU dazu verpflichten, unseren Klimazielen in allen künftigen Gesetzesvorhaben Rechnung zu tragen." Doch ein neues Zwischenziel für 2030 formulierte sie vorerst nicht.

Das Gesetz für die angestrebte Klimaneutralität ist ein zentraler Baustein in von der Leyens umfassender Klimaschutzstrategie. Der "Green Deal" soll mit milliardenschweren Investitionen den Wandel hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft im Sinne des Pariser Klimaschutzabkommens von 2015 ermöglichen. Das Klimagesetz werde dabei "unser Kompass für die nächsten 30 Jahre sein", sagte von der Leyen.

Umweltschützer kritisieren Zeitplan

Mit dem Gesetz will die EU-Kommission das Ziel der Klimaneutralität 2050 verbindlich festschreiben. Das bedeutet, dass die EU dann alle Treibhausgase einsparen oder speichern muss. Dafür ist auch ein Mechanismus zur Umsetzung vorgesehen: Die EU-Kommission will nach 2030 regelmäßig Zwischenziele nachschärfen und fordert dafür mehr Befugnisse. Konkrete Maßnahmen enthält das Gesetz allerdings nicht - sondern nur einen Rahmen für ihren Erlass. Die Kommission würde durch sogenannte delegierte Rechtsakte eine Hauptrolle spielen.

Der Vorschlag betrifft auch das EU-Klimaziel für 2030, das aktuell bei minus 40 Prozent Treibhausgasen gegenüber 1990 liegt und eine Zwischenmarke hin zu 2050 ist. Das bisherige EU-Klimaziel für 2030 würde Umweltschützern zufolge aber nicht ausreichen, um Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 zu erreichen. Die Kommission will nun zunächst bis September das Ziel für 2030 überprüfen und gegebenenfalls Optionen vorschlagen, dieses auf "50 bis 55 Prozent" zu erhöhen. Dies ist vielen Umweltschützern jedoch zu langsam.

Auch zwölf EU-Staaten, darunter Österreich, Italien und Lettland - nicht aber Deutschland - mahnten bereits: Die EU müsse sich deutlich vor der nächsten Klimakonferenz im November im schottischen Glasgow auf neue Ziele für 2030 einigen. Das hatten die Staaten schon am Dienstag in einem Schreiben an den für die Klimapolitik zuständigen EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans formuliert.

Forderung nach klaren Wegen zur Umsetzung

Die Grünen-Fraktionschefin im Europaparlament, Ska Keller, nannte den vorgestellten Klimagesetzentwurf insgesamt "enttäuschend", die Linken-Abgeordnete Cornelia Ernst erklärte, alles Wichtige werde auf die lange Bank geschoben. Der NABU kritisierte, es fehle "im Gesetz ein Mechanismus, der die Länder zu Sofort-Maßnahmen zwingt".

Der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Ottmar Edenhofer, nannte das Klimagesetz hingegen einen wichtigen Schritt und forderte klare Wege zur Umsetzung. Am besten sei eine umfassende CO2-Bepreisung. Der Branchenverband Bitkom verlangte, "klimafreundliche digitale Lösungen in die Fläche zu bringen, statt alte, ineffiziente Strukturen zu zementieren".

Was bedeutet Klimaneutralität?
Klimaneutralität lautet das Ziel, das EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für das Jahr 2050 festschreiben will. Das bedeutet, dass die EU-Länder dann nicht mehr Kohlendioxid und andere Treibhausgase in die Atmosphäre blasen dürfen als durch kompensierende Maßnahmen gebunden werden.

Ganz ohne den Ausstoß von Treibhausgasen wird es nicht gehen, denn allein beim Atmen erzeugt der Mensch CO2. Entscheidend ist aber, dass die Emissionen netto bei Null liegen, dass also nicht mehr Treibhausgase ausgestoßen werden, als auf natürliche Weise abgebaut und gebunden werden können. Diese Aufgaben übernehmen sogenannte natürliche Senken, in Europa vornehmlich Wälder, aber auch Moore und das Meer.

Fast alle Wirtschaftszweige in der EU könnten dank erneuerbarer Energien wie Solar- und Windkraft klimaneutral werden. Die Landwirtschaft ist der einzige große Wirtschaftszweig, in dem es nie ganz ohne Treibhausgase gehen wird, etwa weil Rinder bei ihrem Verdauungsprozess eine Menge Methan freisetzen.

Der CDU-Europaparlamentarier Peter Liese lobte das Langfristziel für 2050, äußerte sich aber skeptisch zur Anhebung des Ziels für 2030 von minus 40 auf minus 50 oder 55 Prozent. "Es gibt keinen vergleichbaren Wirtschaftraum auf der Welt, der die Klimaziele um zehn Prozent steigert", erklärte der Umweltpolitiker. "Bei einer Anhebung auf 55 Prozent würde es allerdings sehr schmerzhafte Umstellungen geben."

Auf "Irritationen" bei Unternehmen machte der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) aufmerksam. Denn mit dem Plan setze die EU verbindliche Ziele, ohne die Umsetzbarkeit in wichtigen Branchen zu berücksichtigen. Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) erklärte, die Maschinenbauindustrie könne einen "erheblichen Beitrag" zur Klimaneutralität bis 2050 leisten. Jedoch müsse es möglich sein, "nachhaltige Emissionsminderungen in Drittstaaten anzurechnen, um die europäischen Maßnahmen zu ergänzen und Entwicklungsländern entscheidende Technologien zugänglich zu machen", so der VDMA.

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