EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen auf dem Weg zum EU-Gipfel Mitte Dezember 2019.

EU-Gipfel Klimaschutz ja - aber wie?

Stand: 12.12.2019 17:16 Uhr

Den Klimaschutz finden alle EU-Staaten wichtig. Trotzdem stellen sich bisher nicht alle hinter den "Green Deal" der EU-Kommission. Zu unterschiedlich sind die Meinungen, wie der Weg zur Klimaneutralität aussehen soll.

Erst gestern hatte die EU-Kommission ihren "Green Deal" präsentiert: ein ehrgeiziger Plan, durch den die EU bis 2050 klimaneutral werden soll. Doch dieses Ziel erfordert, dass sich alle EU-Mitglieder hinter den neuen Plan stellen - und das ist noch fraglich.

Schon in den Stunden vor dem Beginn des EU-Gipfels, auf dem eine Einigung rund um den "Green Deal" unter Dach und Fach gebracht werden soll, wurde deutlich, dass noch einige Streitpunkte zu klären sind. Die bisherigen Verhandlungen hätten kein Ergebnis gebracht, sagte der neue EU-Ratschef Charles Michel vor dem Start des Treffens in Brüssel: "Ich hoffe wir können uns einigen. Klimaneutralität ist ein sehr wichtiges Ziel."

Merkel will Klimaplan unterstützen

Mehrere EU-Staaten haben bereits ihre Zustimmung für den "Green Deal" signalisiert, darunter auch Deutschland. "Ich hoffe natürlich, dass das gelingt", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel vor ihrer Abreise nach Brüssel. "Das wäre ein starkes Zeichen, dass Europa wirklich der Kontinent ist, der dann 2050 klimaneutral ist."

Der größte Widerstand gegen das Klimapaket kommt aus Polen, Tschechien und Ungarn. Alle Länder beziehen ihre Energieversorgung zum großen Teil noch aus fossilen Brennstoffen wie Kohle und aus der Atomkraft. Um klimaneutral zu werden, müssen Energieträger wie Kohle, Öl oder Erdgas aber komplett wegfallen und ein umfassender Wechsel hin zu erneuerbaren Energien muss stattfinden.

Der Wandel - für einige zu teuer

Zum einen fürchten die Kritiker des "Green Deals" zu hohe Kosten für den eigenen Staatshaushalt. Tschechiens Ministerpräsident Andrej Babis rechnet mit Ausgaben in Milliardenhöhe, die sein Land allein nicht schultern könne. Und auch Ungarns Regierungschef Viktor Orbán forderte Garantien, dass finanziell schwächere Staaten nicht für die Klimaschutzmaßnahmen zahlen müssen.

Für die Länder und Regionen, die von der Umstellung auf eine klimafreundliche Wirtschaft und Industrie besonders stark betroffen sind, hat die EU Hilfe eingeplant. Es sei nachvollziehbar, dass Länder wie Polen auf Unterstützung pochen, hatte der Vizepräsident der EU-Kommission Frans Timmermans in den tagesthemen betont. So soll zum Beispiel ein eigener Fonds eingerichtet werden, der den Gebieten, die etwa noch stark auf fossile Brennstoffe angewiesen sind, zugutekommen soll.

Auch im Entwurf der Gipfelerklärung heißt es laut der Nachrichtenagentur dpa, dass Bedingungen geschaffen werden müssten, von denen alle Staaten profitierten. Dazu gehörten "angemessene Instrumente, Anreize, Unterstützung und Investitionen", um einen kosteneffizienten und fairen Übergang zu gewährleisten.

Vor dem Gipfelbeginn wiederholte Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki seine Forderung. Der wirtschaftliche Stand eines EU-Landes müsse mit einberechnet werden. Polen bezieht mehr als 70 Prozent seiner Energie aus der Kohle. "Deshalb sind die Kosten für die Energie-Transformation in Polen auch sehr viel höher als in Ländern, die in den vergangenen Jahrzehnten mehr Glück hatten."

Mit oder ohne Atomkraft?

Ein ebenso großes Streitthema ist die Atomenergie. Einige EU-Staaten wie Deutschland und Österreich lehnen es ab, Atomkraft als "grüne" und klimafreundliche Energiequelle anzuerkennen. Genau das fordern aber unter anderem Frankreich, Ungarn und Tschechien.

Atomkraft produziere "keinerlei Emissionen", betonte Babis und ohne sie sei die Umstellung seines Landes hin zur Klimaneutralität nicht möglich. Tschechien will den Anteil der Atomenergie bei der eigenen Stromversorgung sogar erhöhen: Bis 2040 soll die Hälfte des notwendigen Stroms aus der Kernkraft stammen.

Dafür will das Land die beiden Atomkraftwerke Temelin und Dukovany ausbauen. Kritik aus Österreich blockt Babis ab: Der Nachbarstaat beziehe 25 Prozent seiner Energie aus Tschechien und den dortigen AKW. Ohne diese Energielieferungen "hätte sich ein Viertel der Österreicher heute Morgen nicht einmal Kaffee machen können", twitterte Tschechiens Regierungschef.

"Weder nachhaltig noch sicher"

Auch der französische Präsident Emmanuel Macron hält es nicht für realistisch, die Klimaneutralität bis 2050 ohne Atomkraft zu erreichen: "Es ist klar, dass wir nicht von einem Tag auf den anderen auf erneuerbare Energie umstellen können." Auch Frankreich versorgt seine Stromnetze zu einem großen Teil mit Atomenergie.

Widerworte kamen von Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel: Zwar könne jedes Land selbst über seinen Energiemix entscheiden. "Aber wir sollten keine europäischen Gelder nehmen, um Atomenergie zu finanzieren." Atomenergie sei "weder nachhaltig noch sicher".

Protest von Klimaschützern

Der Auftakt des EU-Gipfels wurde von Protesten der Klimaschützer von "Greenpeace" begleitet. Einige von ihnen kletterten an der Fassade eines Gebäudes hoch und entrollten ein großes Transparent, auf dem "Klimanotstand" zu lesen war. Zudem entzündeten die Aktivisten mehrere bengalische Feuer.

Am Freitag könnte es zu noch größeren Protesten kommen. In Madrid, wo bis zum Ende der Woche noch die Weltklimakonferenz stattfindet, hat die Bewegung "Fridays für Future" erneut zu einem Klimastreik aufgerufen.

"Greenpeace"-Aktivisten haben an einer Fassade in Brüssel ein riesiges Transparent mit der Aufschrift "Kliamnotstand" aufgehängt und Bengalos gezündet.

"Greenpeace" hat zum Auftakt des EU-Gipfels für einen besseren Klimaschutz protestiert.

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