Von "Test-Express" versandte Bescheinigung
Exklusiv

"Test-Express" Wer lügt?

Stand: 17.12.2021 12:11 Uhr

Ministerien warnen, dass online ausgestellte Corona-Testbescheinigungen, wie sie auch das Portal "Test-Express" anbietet, am Arbeitsplatz ungültig sind. Geschäftsführer und ärztlicher Leiter verwickeln sich zunehmend in Widersprüche.

Das Bundesministerium für Gesundheit und das NRW-Gesundheitsministerium warnen vor der Nutzung von Coronatest-Bescheinigungen am Arbeitsplatz, die nach digitalen Testverfahren ausgestellt wurden. Digitale Beobachtungen bei Selbsttestungen erfüllten die notwendigen Anforderungen nicht, heißt es zur Begründung.

Die Verwendung solcher Testnachweise im Rechtsverkehr,  also zum Beispiel bei Zugangskontrollen nach der Coronaschutzverordnung,  stelle sogar eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einem Bußgeld geahndet werden kann, warnt das Ministerium in Düsseldorf.

Trotzdem behauptet "Test-Express", ein Anbieter solcher Bescheinigungen, auf seiner Homepage weiter:

Ja, unsere Testbescheinigungen gelten auch für die neuen 3G-Regeln am Arbeitsplatz. (…) unsere Fachpersonen beaufsichtigen Tests unter Delegation des Arztes Dr. med. Sebastian und dokumentieren das Ergebnis. Der Arzt stellt jedoch die Testbescheinigungen aus und überprüft stichprobenartig, ob die Beaufsichtigung der Tests richtig durchgeführt wird.

Weiterhin heißt es:

D.h. Dein Arbeitgeber, die Schulleitung und auch das Gesundheitsamt müssen diese Bescheinigungen anerkennen, denn sie entsprechen der aktuellen deutschen Rechtssprechung!

Mehrere Anfragen an Markus Bönig - dem Geschäftsführer der hinter dem Portal stehenden CliniGo GmbH - auf welchen Gerichtsurteilen diese Aussage basiere, sind unbeantwortet geblieben. Allerdings wurde mittlerweile der Text auf der Homepage geändert - aus "Rechtssprechung" wurde "Rechtslage".

Geschäftsführer und ärztlicher Leiter widersprechen sich

Eben jener Arzt Rudolf Sebastian, der laut "Test-Express" die Bescheinigungen ausstellt, hatte gegenüber tagesschau.de behauptet, gar nicht für Test-Express" tätig zu sein: "Ich bin definitiv nicht Ausführender und Verantwortlicher des Testgeschehens. Auch lehne ich die Übernahme der Verantwortung für die Durchführung der Tests ab, da ich keinerlei Einfluss auf die Vorgehensweise habe", hatte der Mediziner, der in Nürnberg eine Praxis für plastische Chirurgie betreibt, erklärt.

Juristische Drohungen

Mehrere Anfragen von tagesschau.de an Bönig, ob dies der Wahrheit entspräche, ließ dieser zunächst unbeantwortet. Inzwischen versuchte der Geschäftsführer jedoch zu unterbinden, dass die Behauptungen Sebastians weiter verbreitet werden: Diese seien "eklatant unwahr, äußerst ehrenrührend und geschäftsschädigend", ließ er tagesschau.de über seinen Anwalt mitteilen.

Trotzdem wolle CliniGo gegen die Aussagen Sebastians juristisch nicht vorgehen. Allerdings werde man gegen den NDR gerichtliche Maßnahmen treffen, weil die Aussagen Sebastians in der Berichterstattung auf tagesschau.de zitiert wurden.

CliniGo beharrt auf Rechtmäßigkeit

Im Übrigen verbleibe es bei der Einlassung seiner Mandantin, "dass das von ihr betriebene Geschäftsmodell unter www.test-express.de rechtlich zulässig sei", erklärte der Anwalt. Anfragen, ob die CliniGo GmbH gegebenenfalls die möglichen straf- und zivilrechtlichen Konsequenzen sowie Lohnausfälle seiner Kunden übernehme, wenn die über "Test-Express" ausgestellten Bescheinigungen nicht anerkannt werden, wurden ignoriert.

"Geschäftsschädiger" in einer Vertrauensposition

Auf neue Anfragen von tagesschau.de an Sebastian, wie er auf die Vorwürfe seines angeblichen Auftraggebers reagiere, kündigte der Mediziner zunächst eine Stellungnahme an, die jedoch ausblieb. Geschäftsführer Bönig reagierte auf mehrfache Nachfragen nicht, warum er einem Arzt, den er der Lüge bezichtigt, weiterhin die Aufsicht über seine Tests anvertraue.

Auch positive Corona-Tests werden anerkannt

In welchem Umfang Sebastian seiner Aufsichtspflicht nachkommt, ist fraglich: Zwar müssen die "Fachpersonen" bei "Test-Express" inzwischen ein Bild des durchgeführten Schnelltests hochladen, um die Bescheinigung zu erhalten. Bei Versuchen von tagesschau.de wurden diese aber auch ausgestellt, wenn man dafür ein leeres Bild oder sogar das Foto eines positiven Tests verwendet. Sowohl Sebastian als auch Bönig beantworteten Anfragen von tagesschau.de, wie dies möglich sei, nicht.

Zahlungsdienstleister kündigt nach Verstoß Vertrag

Bezahlt wurden die Bescheinigungen zwischenzeitlich über einen Anbieter, der das Google-Pay-System verwendet. Dies verletzt jedoch die Google-Geschäftsbedingungen, laut denen darüber keine Gesundheitsdienstleistungen abgerechnet werden können, sofern die Anbieter nicht dafür von einer nationalen Behörde lizenziert oder überwacht werden. Dies ist bei "Test-Express" nicht der Fall, worauf das Portal ausdrücklich auf seiner Homepage hinweist:

Wir sind kein Testzentrumsbetreiber, sondern Betreiber einer Online-Plattform, die Fachpersonen, Getestete und Ärzte technisch miteinander verbinden. Dafür ist keine Genehmigung nötig und auch keine Prüfung.

Inzwischen hat der Abrechnungsdienstleister "Test-Express" aus seinem System entfernt. "Wenn wir auf einen Verstoß unserer Google Pay-Richtlinien hingewiesen werden, ergreifen wir umgehend Maßnahmen", erklärte eine Google-Sprecherin dazu gegenüber tagesschau.de. Auf dem Portal von "Test-Express" hieß es dagegen:

Aktuell sind aufgrund von Wartungsarbeiten bei unserem Zahlungsanbieter Creditkäufe kurzzeitig ausgesetzt. In Kürze wird das wieder möglich sein. Wir müssen Dich um ein bisschen Geduld bitten.

Anfragen an Bönig, wie diese widersprüchlichen Aussagen zu erklären seien, blieben ebenfalls ohne Antwort.

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