Jemand macht einen Corona-Schnelltest
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"Test-Express" Testen, bis der Arzt kommt?

Stand: 28.10.2021 06:02 Uhr

Das Portal "Test-Express" hat angeblich sein Konzept verbessert, nun gebe es einen überwachenden Arzt. Recherchen von tagesschau.de zeigen aber: Weiterhin können ungeprüft negative Coronatest-Bescheinigungen ausgestellt werden.

Das Online-Portal "Test-Express" ist in den vergangenen Tagen in die Schlagzeilen geraten. Grund waren Recherchen von tagesschau.de über Zertifizierungen von "Fachpersonen" ohne Überprüfung von Identität und Qualifikationen, negative Coronatest-Bescheinigungen ohne Kontrollen, ob überhaupt ein Test durchgeführt wurde und wie er ausfiel, sowie strafrechtliche Ermittlungen und eine Datenpanne.

Vom "Dienstleister" zur "telemedizinischen Plattform"?

Markus Bönig, Geschäftsführer der hinter dem Portal stehenden Firma CliniGo, versuchte daraufhin, seine Kunden im mehreren Newslettern von der Rechtmäßigkeit seines Geschäftsmodells zu überzeugen. Doch am Wochenende konnten zunächst keine neuen Kunden mehr registriert werden. Am Sonntag verkündete Bönig dann gegenüber seinen Kunden:

Jetzt können wir Test-Express als eine telemedizinische Plattform nutzen, mit der es möglich ist, dass Du als Fachperson unter der Leitung eines Arztes Corona-Schnelltests bei Menschen in Deinem persönlichen Umfeld überwachst oder durchführst und das Ergebnis dokumentierst. Der Arzt überwacht die Testdurchführung mithilfe des Gesundheits-Messengers CliniGo und erstellt direkt im Anschluss daran eine "medizinische" Testbescheinigung, die über die Plattform Test-Express an den Getesteten versandt wird. Das ist besonders in Hamburg sehr wichtig, weil dort nur noch medizinische Bescheinigungen akzeptiert werden. Die CliniGo GmbH ist dabei der Dienstleister und Du gewissermaßen der verlängerte Arm des Arztes.

Auch auf der Homepage gab es Änderungen:

Egal wo Menschen hinwollen - Du bescheinigst nach einem betreuten, negativen Coronatest, dass sie gesund sind. Dafür registriere Dich jetzt kostenlos und nutze Dein bereits erworbenes Fachwissen als Corona-Tester.

... hieß es noch in der vergangenen Woche. Nun steht dort:

Egal wo Menschen hinwollen - Du bestätigst unter telemedizinischer Begleitung durch einen Arzt nach einem betreuten, negativen Coronatest, dass sie gesund sind. Der überwachende Arzt erstellt eine Bescheinigung, die der Getestete per E-Mail und SMS in wenigen Minuten erhält.

Kein Arzt in Sicht

Doch worin besteht die ärztliche "Leitung" oder "Überwachung" mittels Telemedizin bei "Test-Express"? Eine erneute Überprüfung von tageschau.de zeigt: An der Prozedur hat sich nichts geändert. Nach wie vor ist es möglich, für jede beliebige Person innerhalb weniger als einer Minute eine negative Corona-Testbescheinigung auszustellen. Kontaktaufnahme, Anleitung oder Überwachung durch einen Arzt? Fehlanzeige. Sobald die Daten eingegeben wurden, wird die Bescheinigung sofort an die angegebene Handynummer und E-Mail-Adresse geschickt - ohne Überprüfung, ob der Test negativ ausgefallen ist oder überhaupt stattgefunden hat.

Anfragen von tagesschau.de, wie dies entgegen der Ankündigung auf der Homepage und im Newsletter an die Kunden möglich ist, ließ Geschäftsführer Bönig bisher unbeantwortet.

Immerhin gibt es nun bei der Zertifizierung als "Fachperson", die bisher direkt nach dem Abspielen des knapp zwölfminütigen Schulungsvideos erfolgte, eine 24-stündige Wartezeit.

Angebliche Ministeriumszulassung nicht mehr zulässig

In Bezug auf die bisher ausgestellten Bescheinigungen beruft sich "Test-Express" auf ein Schreiben vom 27. Mai 2021, laut dem das Sozialministerium Baden-Württemberg die Dienstleister-Bescheinigungen, wie sie das Portal ausstelle, ganz bewusst zugelassen habe. Ein Sprecher des Ministeriums erklärte jedoch gegenüber tagesschau.de, dass besagte Anordnung bereits seit dem 15. Oktober nicht mehr gültig sei.

Abgesehen davon sei die Interpretation von "Test-Express" ohnehin falsch gewesen, so der Sprecher:

Selbst wenn sich eine Person also schulen lässt, ist sie dadurch noch kein Leistungserbringer nach der Test-Verordnung. Ein Leistungserbringer muss entweder von der TestV als Leistungserbringer genannt sein oder vom Gesundheitsamt beauftragt werden. Insofern besteht keine rechtliche Grundlage für die Ausstellung sogenannter Eigen- oder Selbstzertifikate.

Hamburger Sozialbehörde widerspricht

Die Hamburger Behörde für Soziales weist zudem gegenüber tageschau.de die Darstellung Bönigs zurück, dass das Bundesland die "medizinischen Testbescheinigungen" von "Test-Express" anerkennen würde, wie es im Newsletter an die Kunden behauptet wurde: Diese stehe nicht in Einklang mit den durch Bundes- und Landesrecht geforderten Standards. "Eine Bescheinigung kann nur nach Beaufsichtigung eines Tests vor Ort erfolgen", erklärte ein Sprecher. Nach vorläufiger Einschätzung des Sachverhalts erfüllten die Bescheinigungen von "Test-Express" nicht die Anforderungen, die in Hamburg zum Beispiel für das 3-G-Zugangsmodell verwendet werden könnten.

Eine Bitte von tagesschau.de um eine Stellungnahme zu den Aussagen der Behörden ließ "Test-Express"-Geschäftsführer Bönig bisher ebenfalls unbeantwortet.

Jonas Schmidt-Chanasit

Der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit wünscht sich regelmäßige, unabhängige Kontrollen von Coronatest-Anbietern.

Virologe Schmidt-Chanasit sieht Versäumnisse

Jonas Schmidt-Chanasit, Virologe am Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg, hält das Portal "Test-Express" für ein prägnantes Beispiel, wie vermeintliche Lücken in den hastig ausgearbeiteten Gesetzen und Verordnungen zu den Corona-Tests ausgenutzt werden. "Ich sehe ein, dass es schnell gehen musste", sagte er gegenüber tagesschau.de. "Ich glaube aber, dass man solche problematischen Angebote verhindert hätte, wenn man bei den Tests frühzeitig auf qualitätssichernde Maßnahmen sowie regelmäßige, unabhängige Kontrollen gesetzt hätte."

Dies wäre über die vorhandenen Gesundheitsinstitutionen wie zum Beispiel die Apotheken einfacher gewesen, meint Schmidt-Chanasit. "Das Problem einer externen Testkontrolle, zum Beispiel über regelmäßige Ringversuche, hätte man so im Vorfeld einfacher regeln können." Schließlich hänge von der Qualität der Schnelltests viel ab - zudem würden diese durch unseriöse Anbieter unnötig diskreditiert.

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