Ein Schädel mit Preissschild liegt auf einem Verkaufsstand.
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Profit mit menschlichen Überresten Handel mit Schädeln soll verboten werden

Stand: 08.10.2024 16:47 Uhr

Während sich Regierung, Museen und Universitäten um Aufarbeitung der Kolonialzeit bemühen, wird weiterhin privater Handel mit menschlichen Schädeln aus den ehemaligen Kolonien betrieben. Das soll sich jetzt ändern.

Von Mirco Seekamp und Anne Ruprecht, NDR

Sie sind stumme Zeugen einer weiteren problematischen Epoche der deutschen Geschichte: Im 19. und frühen 20. Jahrhundert hatten Forschende und Handelsleute auch im Zuge der deutschen Besetzung sogenannter Kolonien tausendfach menschliche Überreste nach Deutschland gebracht.

Ein Großteil dieser menschlichen Überreste deutscher Verbrechen befindet sich in staatlichen Museen und Sammlungen. Allerdings sind viele dieser Schädel und andere Knochen im privaten Besitz - und mit denen wird reger Handel betrieben.

Schädel online und auf "Kuriositätenmarkt" erhältlich

So verkaufen Händler und Sammler Tausende Überreste von verstorbenen Menschen, wo andere etwa ihre Urlaubsschnappschüsse teilen: Das ARD-Politikmagazin Panorama hat auf Instagram-Seiten Hunderte Schädel gefunden, die mutmaßlich aus ehemaligen Kolonien stammen und damit einen Gewalthintergrund haben könnten.

Schädel mit kolonialem Hintergrund, insbesondere solche mit kultischer Bedeutung, liegen besonders hoch im Preis, so auch auf dem "Kuriositätenmarkt", der einmal jährlich an der deutsch-belgischen Grenze in der Nähe von Aachen stattfindet. Tausende Besucher strömen dort durch die Halle. Aussteller bieten ausgestopfte Tiere, Feuchtpräparate und auch Menschenschädel aus dem kolonialen Kontext an.

Kolonialer Hintergrund als Verkaufsargument

Auffällig ist, dass der Gewalthintergrund bei den Schädeln kein Hemmnis ist, sondern sogar verkaufsfördernd. "Dieser Schädel kommt aus Afrika… Er hat ein Einschussloch und kostet 2.000 Euro", wirbt ein französischer Kunsthändler. Ein Verkäufer aus England bietet einen Kinderschädel aus Papua-Neuguinea an mit der Zusatzinformation, Europäer hätten den Schädel in der Kolonialzeit entweder gehandelt oder gestohlen.

Historische Tafeln mit Schädelvergleichen

Rassistische, pseudowissenschaftliche Schädeldarstellungen werden ebenfalls angeboten.

Im 19. und frühen 20. Jahrhundert wurden in wissenschaftlichen Instituten die Überreste mit der Überzeugung vermessen, die "Überlegenheit des weißen Europäers" wissenschaftlich begründen zu können. Die Schädel dafür wurden etwa aus Gräbern und Andachtsstätten gestohlen oder sogar Todesopfern der deutschen Besatzung abgetrennt.

Heute ist der Verweis auf die rassistische Forschung ein perfides Verkaufsargument. So präsentiert etwas ein belgischer Händler einen afrikanischen Rasseschädel neben einem europäischen Vergleichsschädel mit den Worten: "Die haben gedacht, da gibt es Unterschiede. Afrikaner seien wie Tiere, Europäer die besten." Der Händler fasst dann lakonisch zusammen: "Das ist rassistisch, aber es war so."

Grabraub, Diebstahl und Verbrechensopfer

Seit mehreren Jahren versuchen Museen und Universitäten die Herkunft der Schädel und Knochen zu erforschen, um in sogenannten Restitutionszeremonien die menschlichen Gebeine an die Herkunftsgesellschaften zurückzugeben. Ebenso haben sie sich entschieden, solche Exponate aus ethischen Gründen nicht mehr in der Öffentlichkeit zu zeigen.

Mikaél Assilkinga

Provenienzforscher Assilkinga aus Kamerun sucht in Deutschland seit Jahren Menschenschädel aus seinem Heimatland.

Der Provenienzforscher Mikaél Assilkinga aus Kamerun sucht im Auftrag seiner Regierung in Deutschland seit Jahren Menschenschädel aus seinem Heimatland, einer ehemals deutschen Kolonie, um sie zurückzubringen.

Als er durch die Panorama-Recherchen erfährt, dass Köpfe aus Kamerun heute noch privat gehandelt werden, kann er es kaum glauben. In seiner Heimat haben die Schädel der Ahnen für viele Kameruner eine große Bedeutung, oft werden sie in den Familien in sogenannten Ahnenzimmern aufbewahrt, hätten eine große sakrale Bedeutung "Nein, das geht ganz einfach nicht", sagt er.

Rechtlicher Graubereich

Grundsätzlich illegal ist der Besitz und Handel von Menschenschädeln nicht. Es ist in Deutschland gesetzlich nicht klar geregelt, sofern Straftaten, die damit verbunden sind, nicht nachgewiesen werden können.

Eine Rückführung halten viele der Sammler und Händler für übertrieben, wie etwa ein Kunstsammler aus Brandenburg: "Diese Schädel, die so einen kulturellen Wert haben, aufgrund von den Zeremonien, die mit ihnen gemacht worden sind, die muss man nicht zurückgeben. Denn die sind in Europa viel besser aufgehoben." Ein Münchner Sammler argumentiert, dass die Länder bezahlen müssen, um ihre Ahnenschädel zurückzubekommen: "Wenn die sehen, dass das wichtig ist, dann geben die dafür auch mal später sehr viel Geld aus."

Aufarbeitung der Kolonialzeit im Koalitionsvertrag

Die Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte ist Teil des geltenden Koalitionsvertrages. Die Bundesregierung hatte sich verpflichtet, die "Rückgabe von Objekten aus kolonialem Kontext" zu unterstützen. Bisher unbekannt war dabei, in welchem Ausmaß Menschenschädel und Knochen aus der Kolonialzeit heute noch gehandelt werden.

Katja Keul

Staatsministerin Keul fordert klare rechtliche Regeln für den Handel mit menschlichen Überresten.

Das bestätigt Staatsministerin Katja Keul, die im Auswärtigen Amt für die Aufgaben rund um das koloniale Erbe zuständig ist. Ihre Reaktion auf die Panorama-Recherche: "Das ist inakzeptabel. Das ist kein Umgang. Das sind Menschen. Es sind oft Opfer von Verbrechen." Sie will jetzt gesetzlich nachbessern, um den privaten Handel zu verbieten.

Zwar betont der für Instagram verantwortliche Konzern Meta, dass der Handel mit menschlichen Körperteilen in seinen Gemeinschaftsrichtlinien verboten sei. Jedoch scheint das nach Panorama-Recherchen die Händler dort kaum zu stören.

Allgemein scheint das Problembewusstsein in der Öffentlichkeit noch recht frisch: "Man muss ehrlicherweise sagen, dass bis vor Kurzem das überhaupt niemand problematisch fand", so Keul. "Alle sind irgendwo ins Museum gegangen, haben sich diese Schädel angeguckt und haben sich da einfach gar nichts bei gedacht."

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