Der Schriftzug "Auswärtiges Amt" an einer Außenwand des Ministeriums in Berlin

Auswärtiges Amt Digitales Verfahren soll Visavergabe beschleunigen

Stand: 31.12.2024 11:57 Uhr

Das Auswärtige Amt digitalisiert ab 2025 große Teile des Visa-Verfahrens. Das soll vor allem Fachkräfte schneller nach Deutschland holen - oder sie zumindest nicht schon vorher abschrecken.  

Von Tina Handel, ARD-Hauptstadtstudio

Es klingt nicht gerade motivierend, was Visa-Bewerber in Internetforen austauschen, wenn es um deutsche Bürokratie geht: "Es ist superschwierig, überhaupt einen Termin zu bekommen", schreibt ein Student aus Marokko auf der Plattform Reddit. "Horror!", ergänzt ein anderer. Ein dritter Bewerber hat einen Tipp parat: Bei ihm sei alles glatt gelaufen, als er der deutschen Botschaft eine E-Mail geschrieben habe, in der er das "wunderschöne Land mit seiner reichen Kultur, atemberaubenden Landschaft und warmen Gastfreundlichkeit" lobte. 

Ob diese Tricks wirklich weiterhelfen, ist unklar. Dass es dringend Verbesserungsbedarf gibt, bestreitet indes niemand: Selbst Außenministerin Annalena Baerbock erzählt gern von Wäschekörben voller Dokumente, die man in Botschaften durch die Büros schiebe und von Bewerbern, die neun Monate und mehr auf ihr Visum warten. Eine "Revolution" sei es deshalb, dass das Auswärtige Amt den Prozess 2025 auf digital umstellt, so Baerbock. Die Visa-Digitalisierung gilt als eines ihrer Lieblingsprojekte und wird nun unerwartet eine der letzten Reformen der Legislatur. 

Pro Jahr 2,3 Millionen Anträge

Pro Jahr bearbeitet das Amt im Schnitt 2,3 Millionen Visa. Ein Teil davon - der größte Wachstumsbereich - wird nun digitalisiert: "Stark zugenommen haben die Anträge auf nationale Visa für Langzeitaufenthalte", sagt Clemens Kohnen, Sonderbeauftragter für Visa-Digitalisierung im Auswärtigen Amt. Fast 500.000 prüfe man jährlich, etwa für Fachkräfte, Studierende oder bei Familienzusammenführungen. "Davon wollen wir so viele wie möglich über das Auslandsportal bearbeiten", sagt Kohnen. Das Auslandsportal ist die neue Internetseite, an die 167 deutsche Visastellen weltweit angeschlossen sind.

Die meisten Anträge kommen bislang aus der Türkei, Indien und China. Aber auch die kleine Visastelle in Reykjavik, die nur rund ein Dutzend Anträge pro Monat bearbeitet, ist dabei. Botschaften in Krisenregionen, etwa die Vertretungen in Beirut oder Teheran, sind oft mit anderen Fragen sehr beschäftigt. Dort muss sich zeigen, wann Zeit für die Umstellung bleibt. 

Die Internetseite führt die Nutzer auf Deutsch oder Englisch durch eine Art Fragebogen: "Wie lange wollen Sie bleiben?", steht dort. Oder: "Welche Berufsqualifikation können Sie nachweisen?" Im besten Fall kommen die Nutzer am Ende beim gewünschten Antrag heraus und wissen, welche Dokumente ihnen noch fehlen.

Entwicklungskosten von 13,6 Millionen Euro

Insgesamt 13,6 Millionen Euro Entwicklungskosten sind seit 2021 in das Portal geflossen. "Intuitiv bedienbar" soll das Angebot sein, sagt Projektleiterin Katharina Bonnenfant. Dass keine weiteren Sprachen angeboten werden, habe sich bei Tests nicht als Hürde herausgestellt: "Andere Muttersprachler kommen mit einer Übersetzungsfunktion im Browser gut durch alle Punkte", schildert Bonnenfant. 

Bisher war der Prozess sehr papierlastig, und das Nadelöhr war der Schaltertermin. Oft warteten Bewerber lange auf das Prüfgespräch in der Botschaft, nur damit dort festgestellt wird, dass eine Entscheidung noch nicht möglich ist. Vor der Einführung des Auslandsportals habe der begehrte Termin in der Visastelle etwa 20 Minuten gedauert, sagt Bonnenfant: "Oft kamen aber Nachfragen zu den vorgelegten Dokumenten, die dann einen weiteren Termin notwendig machten." Mithilfe des Portals soll der Schaltertermin nun besser vorbereitet werden. Tests in Brasilien und China hätten gezeigt, dass so auch der Vor-Ort-Termin verkürzt werden konnte.  

Fachkräfte sollen priorisiert werden

Auch Unternehmen, die Fachkräfte im Ausland anwerben, sollen besser planen können. Gerade bei den nationalen Visa habe es zuletzt einen starken Anstieg der Wartezeiten gegeben. "Das macht Arbeitsmigration, die wir laut Studien brauchen, schwieriger", sagt Kohnen. Fachkräfte sollen im neuen Prozess Priorität haben. 

Damit mehr Termine angeboten und Wartezeiten verkürzt werden können, gebe es zudem Mitarbeiter, die als "Visaspringer" aushelfen, heißt es aus dem Auswärtigen Amt. Sie bearbeiten aus Deutschland Anträge und unterstützen so ihre Kollegen in besonders nachgefragten Regionen. 

Auswärtiges Amt: Auslandsportal ist sicher

Der Start des Auslandsportals kommt nun mitten im Wahlkampf, in dem Migrationsfragen eine große Rolle spielen. Das Auswärtige Amt ist bemüht, mögliche Kritik am digitalen Prozess schon im Vorfeld auszuräumen. Es betont etwa, dass der digitale Prozess nicht unsicherer sei als der Papierantrag. Ein deutsches Visum mit ein paar Klicks - das sei der falsche Eindruck. Es gebe auch künftig in jedem Fall einen Schaltertermin und Antragsteller müssten weiterhin Fingerabdrücke abgeben, sagt Katharina Bonnenfant. Ebenso prüfe man "die Echtheitszeichen der Dokumente" im Original. Im Zweifelsfall habe man vielleicht sogar mehr Zeit, um genauer hinzuschauen. 

Allerdings habe es schon die ersten Angriffe auf das Portal gegeben, bestätigt das Auswärtige Amt. Aus dem Ausland sei versucht worden, die Seite zu überlasten oder "ins System einzudringen", sagt Bonnenfant. So etwas sei erwartbar gewesen. Auch künftig rechne man mit solchen Attacken und habe zusätzliche Sicherheitsstufen eingebaut.