Christian Lindner

Nach dem Ampel-Aus Emotionale Schuldzuweisungen und viele offene Fragen

Stand: 07.11.2024 14:39 Uhr

Die früheren Ampel-Partner sind angefasst: Emotional legen sie dar, warum die Koalition scheiterte. Ex-Finanzminister Lindner spricht von einer "Entlassungsinzenierung". SPD und Grüne halten dagegen. Wie es nun weitergehen soll, ist unklar.

Nach dem Ende der Ampelkoalition geben sich die ehemaligen Partner gegenseitig die Schuld fürs Scheitern. Christian Lindner legte in einer Pressekonferenz seine Version des Koalitionsstreits dar. Die SPD habe ein falsches Spiel geführt, sagte der ehemalige Finanzminister.

Bundeskanzler Olaf Scholz habe neue Mittel für die Unterstützung der Ukraine gefordert - dafür sei Scholz bereit gewesen, Schulden in Höhe von 15 Milliarden Euro aufzunehmen. "Mit so einem fahrlässigen Umgang mit dem Grundgesetz hätte ich meinen Amtseid verletzt", sagte der FDP-Politiker. "Das wusste der amtierende Bundeskanzler." Er habe vorgeschlagen, geordnete Neuwahlen abzuhalten, sollte es bei dem Haushalt für 2025 keine Einigung geben.

Lindner will als FDP-Spitzenkandidat antreten

Statt sich auf einen Kompromiss einzulassen, habe Scholz ihm mitgeteilt, dass er den Bundespräsidenten um die Entlassung Lindners bitten werde. Das sei eine "Entlassungsinzenierung" gewesen, sagte Lindner, der während des Statements sichtlich betroffen wirkte. "Das Richtige wäre nun die sofortige Vertrauensfrage und Neuwahlen."

Die FDP trete bei der nächsten Bundestagswahl an, "um für unser Land Verantwortung zu übernehmen", sagte Lindner. "Wenn meine Partei das wünscht", stehe er als Spitzenkandidat bei der Bundestagswahl zur Verfügung. Er fügte hinzu: "Nicht um die FDP wieder in den deutschen Bundestag zu führen, sondern um nach der nächsten Bundestagswahl meine Arbeit als Bundesminister der Finanzen wieder aufzunehmen." Er beabsichtige, "nur eine Übergangszeit Oppositionspolitiker zu sein".

Habeck: Gab Vorschläge zum Weiterführen der Koalition

Die ehemaligen Partner der FDP widersprechen der Darstellung Lindners. Wirtschaftsminister Robert Habeck sagte, die Zeit der Ampel-Regierung sei eine schwierige gewesen. Dennoch hätten Grüne und SPD Kompromissbereitschaft gezeigt. "Es gab Vorschläge aus meinem Ministerium, wie man die Haushaltslücke hätte schließen können - ohne weitere Kreditaufnahme", sagte der Grünen-Politiker. Es habe mehrere Vorschläge gegeben, um die Koalition weiterführen zu können. Doch eine Einigung sei nicht möglich gewesen.

Habeck fordert nun, die aktuellen Probleme anzugehen. "Man sollte jetzt nicht die Gegenwart noch schwieriger machen und die Debatten der Vergangenheit wiederholen." Die Regierung werde auch ohne die FDP weiter Entscheidungen treffen und "das Amt mit vollem Pflichtbewusstsein ausüben".

Lobende Worte fand der Minister für Volker Wissing. Der Verkehrsminister ist aus der FDP ausgetreten, um weiterhin sein Amt ausüben zu können. "Ich kann mir vorstellen, dass das schwierige persönliche Entscheidungen waren", sagte der Grünen-Politiker. Wissing habe das Amtsverständnis vor seine Partei gestellt.

Steinmeier: "Nicht die Zeit für Taktik und Scharmützel"

Während die ehemaligen Ampel-Partner um die Deutungshoheit ringen, werden die Forderungen nach zügigen Neuwahlen lauter. Dafür müsste Bundeskanzler Scholz zunächst die Vertrauensfrage im Bundestag stellen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kündigte bereits an, dass er für die Entscheidung zur Auflösung des Bundestages bereit stehe. Nach dem Stellen der Vertrauensfrage könne er die Auflösung innerhalb von 21 Tagen vornehmen.

Steinmeier betonte, die deutsche Demokratie sei stark. "Das Ende einer Koalition ist nicht das Ende der Welt. Es ist eine politische Krise, die wir hinter uns lassen müssen und werden", sagte er in einem kurzen Statement in Berlin. Er rief die politisch Handelnden zur Vernunft auf. "Es ist nicht die Zeit für Taktik und Scharmützel", sagte er auch mit Blick auf den Wahlausgang in den USA. "Es ist die Zeit für Vernunft und Verantwortung. Ich erwarte von allen Verantwortlichen, dass sie der Größe der Herausforderungen gerecht werden."

Regierung ist auf Opposition angewiesen

Wie es nun weitergeht, ist noch unklar. Ohne die FDP verfügt die Ampel über keine Mehrheit. Kanzler Scholz ist auf die Opposition angewiesen. Am Mittag trafen sich CDU-Fraktionschef Friedrich Merz und der Kanzler für etwa eine halbe Stunde. Das Treffen blieb Unionskreisen zufolge ohne Ergebnis.

Durch das Ausscheiden von Finanzminister Lindner, Justizminister Marco Buschmann und Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger müssen die Ministerien neu besetzt werden. Nach übereinstimmenden Medieninformationen soll Wissing neben dem Verkehrsministerium nun offenbar auch das Justizministerium übernehmen. Das Bildungsministerium geht demnach an Agrarminister Cem Özdemir (Grüne). Neuer Finanzminister wird Jörg Kukies. Er ist bislang Staatssekretär im Kanzleramt.

Wann Neuwahlen kommen könnten, ist noch offen. Am Morgen hatte Scholz erneut betont, dass er an dem 15. Januar als Termin für das Stellen der Vertrauensfrage festhalten werde. Neuwahlen könnten dann bis spätestens Ende März stattfinden. Merz macht aber eine Kooperation der Ampel abhängig von einer schnellen Neuwahl. "Spätestens Anfang nächster Woche" müsse Scholz die Vertrauensfrage im Bundestag stellen, um dann in der zweiten Januarhälfte zu wählen, forderte Merz. Auch andere Oppositionspolitiker und Vertreter aus der Wirtschaft setzen sich für zügige Neuwahlen ein.

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