CDU-Chef Merz mit Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Haseloff (l.) und Landeschef Sven Schulze (r.)

Merz bei der CDU Sachsen-Anhalt Seelenbalsam gesucht und gefunden

Stand: 30.09.2023 18:35 Uhr

Für seine Asylbewerber-Aussagen hat CDU-Chef Merz Kritik erhalten. Beim Landesparteitag in Magdeburg aber gibt es viel Unterstützung - auch wenn man dort mit ihm weiter etwas fremdelt.

Friedrich Merz möchte sich erstmal bedanken: Ihm sei nicht entgangen, dass die Parteifreunde in Sachsen-Anhalt die Tagungshalle in den neuen Farben der CDU beflaggt hätten, sagt der CDU-Bundesvorsitzende. Auf dem Landesparteitag in Magdeburg sucht und findet Merz an diesem Samstag Seelenbalsam. Das kann er nach den vergangenen Tagen gebrauchen.

Vergangene Woche hatte die CDU ein neues Logo samt neuem Farbdesign vorgestellt. Die Begeisterung hielt sich intern in Grenzen. Einige Landesverbände wollen vorerst weiter auf das alte Logo setzen - der nächste Knacks in der Autorität der Parteiführung.

In dieser Woche sorgte Merz dann mit Aussagen über abgelehnte Asylbewerber, die Zahnarztpraxen belegten, für Irritationen. Zur erwartbaren Kritik aus anderen Parteien gesellten sich auch Stimmen aus der CDU. "Viele Mitglieder schämen sich für ihren Parteivorsitzenden", sagte etwa der Vizechef des Sozialflügels, Christian Bäumler, der Nachrichtenagentur dpa.

"Im Ton und der Sache richtig"

In Magdeburg sind diese Mitglieder allerdings kaum zu finden. Wenn Kritik kommt, dann verhalten - und auch nur am Ton. "Meine Wortwahl wäre es nicht gewesen", so ein Delegierter im Gespräch. Eine Landtagsabgeordnete sagt: "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zu polemisch werden." Viele ihrer Parteifreunde stellen sich hingegen hinter Merz: "Er muss öfter solche Dinge raushauen", sagt einer. "Wir haben zulange Rücksicht auf politische Mitbewerber genommen", ein anderer. Ein Dritter: "Im Ton und in der Sache war das richtig."

Schon im Vorfeld des Parteitages hatte Merz von Bundestags- und Landtagsabgeordneten aus Sachsen-Anhalt deutliche Unterstützung für seine Worte erhalten. Vielleicht auch deshalb zeigt sich die hiesige Parteiführung skeptisch, dass die Debatte richtig wiedergegeben wird. "Ich würde mich freuen, wenn wir in den nächsten Tagen das lesen, was wir selbst erlebt haben", mahnt Landeschef Sven Schulze Richtung der anwesenden Journalisten. 

Nicht gleich in Schnappatmung verfallen

Für Merz ist Magdeburg eine Art Heimspiel. Der Landesverband hat sich, wie Ministerpräsident Reiner Haseloff später betonen wird, bei allen drei Vorsitzendenwahlen für den Mann aus dem Sauerland ausgesprochen. Merz kommt seit Jahren regelmäßig als Wahlkampfhelfer.

Auch an diesem Samstag müht sich Merz um seine Anhängerschaft. "Sachsen-Anhalt ist eines, wenn nicht das Aufsteigerland der letzten Jahre", sagt er. Haseloff habe die AfD bei der Landtagswahl vor zwei Jahren auf Distanz gehalten. Großansiedlungen wie Intel in Magdeburg oder Daimler in Halberstadt seien der Verdienst von Haseloff und CDU-Landeschef und Wirtschaftsminister Sven Schulze. Die Zusammenarbeit der beiden "vorbildlich für die gesamte CDU".

Merz verteidigt seine Zahnarzt-Aussage, ohne sie zu wiederholen. Er werde Dinge weiterhin klar ansprechen. Und: "Da muss nicht gleich die ganze Republik in Schnappatmung verfallen."

Nüchternes Verhältnis

Es folgen Merz-Klassiker. Man müsse "Wohlstand erarbeiten, bevor man ihn verteilt". Es brauche Einwanderung in den Arbeitsmarkt statt Kontrollverlust in der Asylpolitik. Manches hat Merz so auch schon vor einer Woche als Gast der CSU gesagt: "Wir sind in der Wirtschafts- und Klimapolitik die Geisterfahrer auf der Welt." Bei der Asylpolitik drängt Merz aber auf Zusammenarbeit mit Kanzler Scholz.

Ein Versprechen hat Merz auch mitgebracht: Das künftige Grundsatzprogramm der CDU soll Vorschläge für einen Vermögensaufbau bei Ostdeutschen enthalten. Menschen hier verdienen bis heute weniger Gehalt als Menschen im Westen. Sie erben nur etwas mehr als halb so viel. Das Medianvermögen pro Haushalt kommt im Vergleich laut Bundesbank sogar nur auf ein Drittel.

Der Anti-Wüst von Magdeburg

Was Merz und die Ost-Landesverbände eint: Beide verbitten sich gute Ratschläge in der Öffentlichkeit, vor allem, wenn es um den Umgang mit der AfD geht. "Wir nehmen das Telefon in die Hand - und rufen dich an, andere gehen damit auf Twitter", sagt Sven Schulze Richtung Merz. Andersrum gelte das auch.

Merz wiederum bedankt sich bei Reiner Haseloff. Der gebe "nie Ratschläge über die Öffentlichkeit, sondern immer hinter verschlossenen Türen". Das ist eine Spitze gegen Daniel Günther und Hendrik Wüst, die Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen.

Haseloff stützt Merz

Über Haseloff hingegen hat das Magazin "Der Stern" gerade erst geschrieben, unter den CDU-Regierungschefs sei er derjenige, "der Merz die geringsten Probleme bereitet".

Das zeigt sich auch auf diesem Parteitag. Haseloff springt Merz in seiner Rede bei. Er selbst habe schon vor acht Jahren gesagt, dass es in Deutschland eine "Integrationsobergrenze" gebe, bedingt durch die Aufnahmefähigkeit von Staat und Gesellschaft. Nach Zahlen, die Haseloff damals nannte, liegt diese Grenze bei gut 400.000 Menschen pro Jahr.

Und als ehemaliger DDR-Bürger lasse er es sich "nicht verbieten, Dinge zu sagen, die notwendig sind", so Haseloff. Er geht so sogar soweit, sich, Merz und der gesamten Partei einen Persilschein in der Asylpolitik auszustellen: Die CDU sei eine Partei der bürgerlichen Mitte, sagt Haseloff. "Wenn wir etwas sagen, dann sagen wir es für unser Land und unsere Demokratie" - und nicht als Populismus. Eine Zusammenarbeit mit der AfD, das wiederholen Merz und Haseloff, werde es nicht geben. Spekulationen dazu könnten eingestellt werden.

Applaus für Merz - aber der Ministerpräsident bekommt mehr

Merz erhält bei seiner Rede zwar immer wieder Beifall, am Ende erhebt sich der ganze Saal. Der größere und längere Applaus aber gilt dem beliebten Haseloff - das merkt auch Merz.

Das Verhältnis der Basis zu ihm ist nüchterner. Sie waren geduldig, als Merz nicht sofort nach seiner Wahl zum Parteichef geliefert und die CDU kaum vom Umfragetief der Ampel profitiert hat. Jetzt sagt er zwar hörbar, was viele denken und hören wollen - zum Gendern, zur Asylpolitik -, als Privatflugzeugbesitzer wird er aber wohl nie einer von ihnen werden.