Drei panierte Scheiben Jagdwurst liegen als Jägerschnitzel auf einer Portion Spirelli mit Tomatensoße in einer Speisegaststätte in Leipzig.
reportage

Küche in Ost und West Wie schmeckt die Deutsche Einheit?

Stand: 17.11.2024 15:02 Uhr

Vor 35 Jahren fiel die Berliner Mauer. Kulinarisch unterschieden sich die Bundesrepublik und die DDR zum Teil sehr. Was kommt in Ostdeutschland auf den Teller - und was in Westdeutschland?

Von Susett Kleine, rbb

"Genossen und Genießer, ihr habt um Einreise gebeten. Ich kann euch mitteilen: es wurde bewilligt!", sagt Küchenchef und Inhaber Jens Schneider, die Gäste lachen und damit ist das Buffet im Spreewaldgasthaus "Byttna" eröffnet. Mehr als 100 Nostalgiker sind zum alljährlichen "Ost-West-Buffet" nach Straupitz gekommen.

Egal, ob ehemaliger "Ossi" oder "Wessi", hier sollen sich alle an einen Tisch setzen und in Erinnerung schwelgen können, so die Idee des Küchenchefs. Durch das Essen sollen die Gäste verstehen, wie das Leben für den jeweils anderen früher war und ins Gespräch kommen.

Das Jägerschnitzel im Osten

Auf der einen Seite des Büfetts dampfen Kartoffeln, Eisbein, Kochklopse, Jägerschnitzel (im Osten eine panierte Scheibe Wurst) mit Nudeln in Tomatensoße. Da werden bei manchen Erinnerungen wach. "Das ist für mich Kindheit. Viel Tomatensoße, viel Jägerschnitzel. Das war immer einfach und günstig", erzählt ein Gast.

Genau dieses Gericht habe sich im kulinarischen Gedächtnis der Nation als DDR-typisch erhalten, erklärt Stefan Wolle, wissenschaftlicher Leiter des DDR-Museums in Berlin. Lebensmittel wie Fleisch waren heiß begehrt und wurden gern auch mal, wenn verfügbar, in Massen gekauft und eingefroren. So sollte unter anderem vorgesorgt werden, wenn Fleisch mal wieder knapp wurde.

Das begrenzte Angebot an Lebensmitteln führte paradoxerweise auch zu Verschwendung und ungesunder Opulenz in der DDR, erklärt Wolle weiter. "Der permanente Warenmangel, nicht nur auf dem Gebiet der Lebensmittelversorgung, führte dazu, dass viel gekauft wurde, um es eventuell an Freunde, Bekannte, Nachbarn oder Kollegen weiterzugeben. Manches verdarb und wurde in den Müll geworfen."

Begehrt und schwer zu bekommen waren vor allem Südfrüchte und Produkte auf Kakaobasis mit echter Schokolade. "Es gab in der DDR alles und es gab nichts", sagt Stefan Wolle. Deswegen mussten die Menschen, auch wenn es um das Essen ging, erfinderisch werden. Lebensmittel waren immer wieder knapp. "Man musste entweder Glück haben, die Lieferzeiten kennen, gut mit Nachbarn und Kollegen vernetzt sein und sich mit dem Verkaufspersonal gut stellen. Am besten alles zusammen", erzählt er.

"Pommes zu allem"

Im Westen sah das anders aus, viele Lebensmittel waren verfügbar. Ein Gast aus Hamburg, der seit Kurzem im brandenburgischen Neuruppin wohnt, hat Eisbein und Sauerkraut auf dem Teller. Obwohl er sich das vom "Ossi"-Büfett geholt hat, erklärt er, das sei für ihn auch ein "typisch westdeutsches Gericht".

Um am Büfett von Ost nach West zu kommen, müssen die Gäste bei Helmut Kohl und Erich Honecker vorbei. Die beiden thronen über Soljanka und Rindersuppe. "So nah waren sie sich selten", sagt Kellnerin Simone Schneider und zeigt auf die zwei Plakate, die untereinander hängen.

Am "Wessi"-Büfett hat sich auch eine Schlange gebildet. Es werden Hähnchen-Nuggets, bayrische Grillhaxe und Pommes auf die Teller geladen. Die frittierten Kartoffel-Stäbchen mussten auf jeden Fall dabei sein, erklärt der Küchenchef des Spreewaldgasthauses, Jens Schneider. Er merke bei Bestellungen im Restaurant sofort, ob hier ein ehemaliger "Wessi" geordert hat, meint er. Denn die "essen gerne Pommes zu allem. Egal, was es gibt."

Typisch West, das war "alles Exotische, viele Früchte, die man im Osten nicht kannte, wie zum Beispiel Kiwi oder Avocado", erklärt Stefan Wolle. Vegetarische und vegane Gerichte waren in der BRD verfügbar. In der DDR wurden die zwar gefordert, doch der Wunsch scheiterte an den Gegebenheiten.

Auch Gerichte wie die Pizza waren im Westen längst bekannt. Die feierte erst nach der Wende "ihren Siegeszug durch Ostdeutschland".

Ein andauernder Prozess

Kellnerin Simone Schneider hat am Tag der Deutschen Einheit Geburtstag. Es sei schön, dass alle wieder seit 34 Jahren vereint seien, sagt sie. Doch manchmal vermisse sie die DDR. "Früher fühlte man sich behütet", so Schneider. "Ein bisschen wünsche ich mir das zurück." Es sei nicht alles schlecht gewesen, fügt ein Gast hinzu.

René Nittel sitzt mit seiner Frau Astrid am Tisch und isst Schweinebraten mit Kartoffeln und Rotkohl. Sie sind nach der Wende von Görlitz nach Baden-Württemberg gezogen, um einen neuen Job zu finden. Derzeit machen sie Urlaub in Brandenburg. Sie haben Einblick in beide Welten.

Aus Sicht von René Nittel gibt es immer noch viele Unterschiede zwischen den Menschen aus der ehemaligen DDR und BRD. "Man sagt ja immer noch 'Ossi' und 'Wessi'. Bei unserer Altersgruppe ist das noch im Kopf." Aber bei der jüngeren Generation sei das schon anders, sagt er. "Unsere Kinder, die lernen das nur vom Hörensagen." Seine Frau fügt hinzu: "Man redet noch darüber, aber es ist kein Problem mehr."

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