Mit Plakaten mit der Aufschrift "Abteibung ist keine Lösung" und "Unborn lives matter" demonstrieren und beten und singen Abtreibungsgegner vor einer Beratungsstelle von Pro Familia.

Gesetzentwurf der Ampelkoalition Verbot von Aktionen von Abtreibungsgegnern vor Praxen geplant

Stand: 17.11.2023 14:27 Uhr

Mit Plakaten, Sprechchören oder anderen Aktionen protestieren radikale Abtreibungsgegner immer wieder vor Beratungsstellen und Kliniken. Um Frauen vor ihnen zu schützen, will die Ampelkoalition offenbar diese "Gehsteigbelästigung" verbieten.

Aktionen von Abtreibungsgegnern vor Schwangerenberatungsstellen oder Praxen, die Abtreibungen durchführen, soll es nach Informationen des "Spiegel" bald nicht mehr geben. Bundesjustiz- und Bundesfamilienministerium einigten sich demnach auf einen Gesetzentwurf, der die sogenannte Gehsteigbelästigung verbieten soll.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus will das Gesetzgebungsverfahren demnach zügig abschließen. "Es kann nicht sein, dass eine Frau, die vor einer höchstpersönlichen Entscheidung steht - möglicherweise der schwersten ihres Lebens - bedrängt, eingeschüchtert oder mit emotionalisierenden Bildern konfrontiert wird", zitiert sie der "Spiegel".

Als "Gehsteigbelästigung" werden Protestaktionen von Abtreibungsgegnern in der Nähe von Beratungsstellen, Krankenhäusern oder Arztpraxen bezeichnet, die Schwangerschaftskonfliktberatungen anbieten oder Schwangerschaftsabbrüche durchführen.

Bedrängen vor Beratungsstellen als Ordnungswidrigkeit

Länder sollen laut dem "Spiegel"-Bericht nun verpflichtet werden, einen ungehinderten Zugang zu den Beratungsstellen zu gewährleisten. Sie müssten sicherstellen, dass keine Hindernisse vor einer Beratungsstelle oder Praxis errichtet werden. Demnach dürfen Frauen, die eine Abtreibung vornehmen wollen oder dies erwägen, nicht gegen ihren Willen angesprochen, bedrängt oder eingeschüchtert werden.

Verboten werden soll offenbar auch, Darstellungen zu Schwangerschaft und Schwangerschaftsabbrüchen zu verteilen, die unwahr sind oder auf eine starke emotionale Beunruhigung abzielen. Wer dagegen verstoße, begehe eine Ordnungswidrigkeit. Der Entwurf soll nun Ländern und Verbänden vorgelegt werden.

Städte wie Frankfurt am Main hatten mehrmals vergeblich versucht, Aktionen von "Lebensschützern" - so die Selbstbezeichnung vieler Abtreibungsgegner - vor Beratungsstellen zu verbieten. Zuletzt verlor die Stadt im vergangenen Jahr vor Gericht.

Im Juni hatte Paus angekündigt, der Gesetzentwurf sei fast fertig und werde in Kürze vorgelegt. Bereits in ihrem Koalitionsvertrag hatten sich SPD, Grüne und FDP auf eine solche Reform verständigt.

Abschaffung des Paragrafen 219a

Zuletzt ging es Anfang März im Bundeskabinett um Schwangerschaftsabbrüche. Hintergrund war die Anzeige gegen die Gießener Ärztin Kristina Hänel. Sie hatte Informationen zu Abtreibungen auf ihrer Homepage veröffentlicht und wurde schließlich verurteilt.

Die Debatte darüber führte nach langen Diskussionen zur Streichung des entsprechenden Paragrafen 219a im Strafgesetzbuch. Er hatte die "Werbung für den Abbruch von Schwangerschaft" verboten.

Schwangerschaftsabbruch derzeit rechtswidrig

Nach derzeitiger Gesetzeslage ist ein Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich rechtswidrig. Er bleibt jedoch straffrei, wenn er in den ersten zwölf Wochen vorgenommen wird. Zudem muss die Schwangere sich zuvor beraten lassen - zwischen Beratung und Abbruch müssen mindestens drei Tage liegen.

Ausdrücklich nicht rechtswidrig ist eine Abtreibung nach einer Vergewaltigung sowie bei Gefahr für das Leben oder die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren.

Der Koalitionsvertrag sieht allerdings vor, dass eine Kommission einberufen wird. Sie soll sich mit der noch grundlegenderen Frage befassen, wie Schwangerschaftsabbrüche auch außerhalb des Strafrechts geregelt - also legalisiert - werden könnten.

In einer früheren Version dieses Artikels war von einem Verbot von Demonstrationen von Abtreibungsgegnern die Rede. Tatsächlich geht es aber nicht um Demonstrationen im klassischen Sinne sondern um verschiedene Aktionen im Umfeld von Arztpraxen, die Abtreibungen durchführen - also etwa auch das Ansprechen von Frauen, die eine solche Praxis aufsuchen. Wir haben die entsprechenden Stellen in diesem Artikel präzisiert.

Mehr zum Hintergrund dieser und anderer Korrekturen finden Sie hier: tagesschau.de/korrekturen