Neue syrische Flagge weht auf dem Balkon der Syrischen Botschaft Berlin.
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Nach Sturz des Assad-Regimes Falsche Bilder und Verschwörungserzählungen

Stand: 10.12.2024 18:05 Uhr

Authentische Bilder und Videos dokumentieren die Lage in Syrien rund um den Sturz Assads in den sozialen Netzwerken. Doch es kursieren auch falsche Inhalte und Verschwörungsmythen.

Von Carla Reveland und Julia Kuttner, ARD-faktenfinder

Seit dem Ende des Assad-Regimes in Syrien werden unter anderem irreführende, falsche oder aus dem Kontext gerissene Fotos und Videos gepostet. Dazu gibt es zahlreiche Postings, die dazu dienen sollen, bestimmte Narrative zu stützen und Hass zu schüren.

In den sozialen Netzwerken kursiert zum Beispiel ein Bild, welches den entmachteten syrischen Präsidenten Bashar al-Assad und seine Frau in Moskau zeigen soll. So heißt es in einem deutschsprachigen Posting auf dem Kurznachrichtendienst X: "Erstes Foto von Verbrecher Assad mit Ehefrau Asma in Moskau". Auch mit englischer Beschreibung geht das Bild viral "BREAKING: THE FIRST PICTURE OF ASSAD AND HIS WIFE IN MOSCOW HAS BEEN RELEASED".

Screenshot von X zeigt ein Bild von Bashar al-Assad mit seiner Frau, das bereits aus 2023 stammt.

Das Foto zeigt zwar das Ehepaar Assad - aber bereits im Februar 2023 in Aleppo und nicht in Moskau.

Tatsächlich deutet vieles darauf hin, dass sich Assad und seine Familie in Russland aufhalten. Der Kreml habe ihnen aus humanitären Gründen Asyl gewährt, sagte etwa ein Vertreter der russischen Regierung. Doch das Bild, welches angeblich das erste Bild von Assad und seiner Frau nach dessen Sturz in Russland zeigen soll, ist weder aktuell noch aus Moskau.

Bild zeigt Assad mit Erdbebenopfern in Aleppo

Tatsächlich zeigt das Bild Assad beim Besuch von Überlebenden des Erdbebengebietes in der türkisch-syrischen Grenzregion im Februar 2023. Mithilfe einer Bilderrückwärtssuche lässt sich herausfinden, dass das Bild ein Screenshot aus einem Video eines syrischen Fernsehsenders ist - veröffentlicht am 10. Februar 2023. In der Videobeschreibung heißt es auf arabisch: "Zusammenfassung des Besuchs von Bashar al-Assad bei den vom Erdbeben betroffenen Menschen in Aleppo".

tagesschau.de hatte über das katastrophale Erdbeben mit Tausenden von Toten, unzähligen Verletzten und Millionen Obdachlosen berichtet - und über den Besuch der Assads in einem der betroffenen Gebiete in Aleppo geschrieben. Bebildert mit einem Foto, welches das Ehepaar in derselben Kleidung zeigt, wie auf dem Screenshot. Darüber hinaus gibt es weitere Bilder der syrischen Nachrichtenagentur SANA sowie der russischen Nachrichtenagentur TASS, welche verschiedene Situationen des Besuchs zeigen.

Falsch verwendetes Video von Flugzeugabsturz

Gerüchte hatte es zuvor bereits zur Flucht Assads aus Syrien gegeben. Mehrere Armeeoffiziere hatten den Nachrichtenagenturen dpa und Reuters gesagt, dass Assad die Hauptstadt Damaskus mit einem Flugzeug verlassen habe. Eine dort in der Nacht von Samstag auf Sonntag gestartete Il-76 verschwand nach Angaben von flightradar24 nahe der Stadt Homs vom Radar. Das hatte Spekulationen darüber ausgelöst, ob Assad an Bord gewesen sein könnte und ob das Flugzeug abgeschossen oder abgestürzt sei.

In diesem Zusammenhang wurde in sozialen Netzwerken aber auch auf Nachrichtenportalen ein Video gezeigt, auf dem ein brennendes Flugzeug am Boden zu sehen war. Auffällig ist, dass der dazugehörige Text bei vielen Postings identisch ist. Dabei wurde fälschlicherweise behauptet, dass es sich im Video um das Flugzeug handle, mit dem Assad geflogen sei. Doch eine Bilderrückwärtssuche beweist, dass die Aufnahmen keine Il-76 zeigen, sondern eine MIG-29 der indischen Luftwaffe, die bereits am 3. September 2024 abgestürzt war. Ein ausführlicherer Faktencheck findet sich dazu auch bei der Nachrichtenagentur afp.

Screenshot von X zeigt einen Ausschnitt eines falsch verwendeten Videos, das einen Flugzeugabsturz zeigt. Zu sehen ist eine Explosion.

Das Video zeigt einen Flugzeugabsturz der indischen Luftwaffe und keinen Absturz Assads.

Gefangene strömen aus Militärgefängnis

Die syrische Regierung wurde immer wieder beschuldigt, Gräueltaten zu begehen und brutal gegen politisch Andersdenkende vorzugehen. So werden dem Regime Gewalt, willkürliche Verhaftungen, Folter oder auch der Einsatz von Gifttgas vorgeworfen.

Aktuelles Bildmaterial zeigt, wie Dutzende Personen aus den Zellen des berüchtigten Militärgefängnisses Sednaya herausströmen. Viele von ihnen wirken körperlich wie psychisch in keiner guten Verfassung. Nach Angaben von Amnesty International wurden dort Zigtausende politische Gefangene ohne Prozess hingerichtet - Folter stand auf der Tagesordnung. Der ARD-faktenfinder und tagesschau.de haben immer wieder darüber berichtet.

Bild zeigt Folterszene aus Museum

Unter diese authentischen Bilder und Videos mischen sich auch irreführende oder falsche Inhalte, die als Beweise für die Folterungen dienen sollen. So wird aktuell ein Foto verbreitet, welches einen von der Decke hängenden Mann zeigt, der von einem anderen Mann gefoltert wird und sichtbare Blutergüsse sowie Schnitte am ganzen Körper hat. Die Beschreibung dazu: "Ein Foto, das auf dem Handy eines von Assads säkularen Schlägern nach seiner Gefangennahme gefunden wurde, zeigt die Folterung eines syrischen Zivilisten". Allein dieser Beitrag wurde mehr als vier Millionen Mal geteilt.

Screenshot von X zeigt Wachsfiguren, die eine Folterszene darstellen und in falschem Zusammenhang gepostet wurden. Ein Mann hängt kopfüber und ein zweiter Mann holt aus zum Schlag.

Dieses Ausstellungsbild mit Wachsfiguren aus dem Iran wurde fälschlicherweise als ein syrisches Folterfoto verbreitet.

Tatsächlich zeigt das Bild jedoch Wachsfiguren aus einer Ausstellung im Ebrat Museum in der iranischen Hauptstadt Teheran. Die Austellung zeigt, wie politische Gefangene in den 1970er-Jahren von der Geheimpolizei (SAVAK) von Mohammed Reza Schah Pahlavi unter schrecklichen Bedingungen festgehalten und gefoltert wurden. Das Fotos ist laut IMAGO IMAGES im Dezember 2019 von dem Fotojournalisten Rouzbeh Fouladi aufgenommen worden, wie eine Bilderrückwärtssuche zeigt. In der Bildbeschreibung heißt es, das Bild zeige die Statue eines politischen Gefangenen und eines SAVAK Agenten. Auch die Deutsche Welle (DW) hat hierzu einen englischsprachigen Faktencheck veröffentlicht.

Alte Verschwörungsmythen neu aufbereitet

Akteure aus dem verschwörungsideologischen Milieu halten den Sturz Assads für "einen Sieg von Globalisten und Zionisten". Durch den Umsturz in Syrien laufe der "Great Reset nach Plan". "Die Strippenzieher im Hintergrund werden das Drama erneut nutzen, um die Migrationswaffe gegen die Völker Europas einzusetzen", heißt es weiter.

Der Begriff "Great Reset" wurde ursprünglich vom Weltwirtschaftsforum (WEF) geprägt. Klaus Schwab, der Gründer des WEF, schlug den "Great Reset" als eine Möglichkeit vor, die Weltwirtschaft und die Gesellschaft nach der Corona-Pandemie neu zu gestalten. Akteure der verschwörungsideologischen Szene behaupten aber, dass eine geheime Elite unter dem Deckmantel des "Great Reset" eine neue Weltordnung errichten wolle, in der die Menschen weniger Rechte hätten und von einer kleinen Gruppe kontrolliert würden.

So wird nun zum Beispiel argumentiert, dass der Sturz Assads durch die USA und/oder durch Israel gesteuert wurde, um nun einen "Lakaien als Präsident zu installieren, der nach deren Pfeife tanzt". Andere Kanäle behaupten, dass Israel islamistische Terroristen unterstützt habe, um Assad zu stürzen. Unterstellt wird dabei auch, dass Israel geheime Pläne habe, seine Landesgrenzen zu erweitern. Dafür gibt es keinerlei Belege.

Beiträge mit hasserfüllten Inhalten

Einschlägige deutschsprachige Accounts verbreiten verschwörerisches Geraune und Beiträge mit hasserfüllten Inhalten - insbesondere über syrische Flüchtlinge in Deutschland. Der Sturz Assads werde eine "Migranten-Flut" auslösen oder "groß angelegte Remigrations-Programme" müssten jetzt starten, heißt es. Zudem werden schnelle, sofortige Ausreisen gefordert. "Und vergesst eure Messer nicht", schreibt etwa ein AfD-Politiker auf Facebook dazu.

Außerdem wird behauptet, dass syrische Flüchtlinge nun ihr Geld, das sie in Deutschland bekommen, direkt in die Heimat schicken würden. Auch falsch interpretierte Zahlen zu Syrern, die Bürgergeld bekommen, werden vielfach geteilt. Dies wurde bereits durch Faktenchecks eingeordnet.

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