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Möglicher Verdachtsfall Was passiert mit Beamten in der AfD?

Stand: 10.03.2021 08:45 Uhr

Beamte schwören einen Eid aufs Grundgesetz. Was aber passiert, wenn sie zugleich Mitglied einer Partei sind, die vom Verfassungsschutz zum Verdachtsfall für verfassungsfeindliche Bestrebungen erklärt wird?

Von Lena Klimpel, ARD-faktenfinder

Zwei Tage lange wurde die AfD vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall geführt, dann untersagte das Verwaltungsgericht Köln dies vorerst. Eine endgültige Entscheidung über die Einstufung der Partei steht nun noch aus. Die neue Entwicklung hat dennoch zu einem Wiederaufflammen der Diskussion darüber geführt, welche Folgen eine Einstufung der gesamten AfD als Verdachtsfall für deren Mitglieder haben könnte - insbesondere für Beamtinnen und Beamte.

So sagte der Staatsrechtler Ulrich Battis dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, Beamte müssten sich "wärmer anziehen" und ihre AfD-Mitgliedschaft rechtfertigen. Besonders bei Neueinstellungen werde "genau hingeguckt". AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen gab daraufhin in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu, eine AfD-Mitgliedschaft sei dabei "gewiss nicht vorteilhaft".

Zu Verfassungstreue verpflichtet

Für Beamtinnen und Beamte gelten in Deutschland andere Regeln als für alle übrigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie sind laut Grundgesetz der Verfassungstreue verpflichtet. In einer Handreichung des Bundesinnenministeriums heißt es dazu:

Beamtinnen und Beamte haben die Pflicht, sich durch ihr gesamtes Verhalten - d.h. inner- und außerdienstlich - zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten.

AfD fürchtet Folgen für Mitglieder

Die AfD wehrt sich seit Jahren dagegen, dass ihr mögliche verfassungsfeindliche Bestrebungen attestiert werden. Sie fürchtet nicht nur Wettbewerbsnachteile gegenüber anderen Parteien, sondern auch, dass ihr einige der nach eigenen Angaben rund 32.000 Mitglieder (Stand Januar 2021) verloren gehen könnten - vor allem Beamtinnen und Beamte aus Angst vor Probleme mit ihrem Dienstherrn.

Bereits im September 2018 setzte der AfD-Bundesvorstand deswegen eine "Arbeitsgruppe Verfassungsschutz" ein und gab außerdem ein Gutachten bei dem Verfassungsrechtler Dietrich Murswiek in Auftrag, das die Folgen einer Parteibeobachtung für verbeamtete Mitglieder untersuchen sollte.

Gutachten der AfD: Beruhigende Töne

Darin schlägt Murswiek beruhigende Töne an. Sein Kernargument: Die Beobachtung einer Partei durch den Verfassungsschutz sei noch nicht damit gleichzusetzen, dass eine Partei gesichert verfassungsfeindlich ist. Das versuche der Verfassungsschutz mit der Einstufung als Prüf- oder Verdachtsfall schließlich erst herauszufinden.

Murswiek kommt zu dem Schluss, dass Beamte, allein aus dem Grund, dass sie einer beobachteten Partei angehören, nicht aus dem Dienst entfernt werden dürften. "Ein Beamter verletzt nicht seine Verfassungstreuepflicht, wenn er als Mitglied in der Partei tätig bleibt, sofern er sich für eine verfassungsmäßige Ausrichtung der Partei einsetzt und sich von den verfassungsfeindlichen Bestrebungen innerhalb der Partei distanziert."

Allerdings warnt Murswiek auch: Sobald verfassungsfeindliche Bestrebungen der Partei durch ein Gerichtsurteil festgestellt worden seien, müssten verbeamtete Mitglieder mit Disziplinarverfahren rechnen. Murswiek rät daher allen potenziell Betroffenen dazu, ihre Bemühungen, sich von verfassungsfeindlichen Tendenzen innerhalb der Partei zu distanzieren, schriftlich festzuhalten, um gegenüber dem Dienstherr einen Nachweis erbringen zu können. Zudem weist der Verfassungsrechtler darauf hin, dass eine Parteimitgliedschaft Beförderungen verhindern und bei Anwärtern dazu führen könnte, dass sie nicht verbeamtet werden.

Hohe Hürden für Disziplinarverfahren

Anfang 2019 stufte der Verfassungsschutz die AfD als Prüffall ein - die Vorstufe des Verdachtsfalls. Im gleichen Jahr stellte sich auch die Innenministerkonferenz die Frage, wie mit Beamtinnen und Beamten umzugehen wäre, die vom Verfassungsschutz beobachteten Parteien und Organisationen angehören - sei es als Prüf- oder Verdachtsfall oder als gesichert verfassungsfeindliches Beobachtungsobjekt. Im Juni 2020 legte das Bundesinnenministerium (BMI) dazu einen Bericht vor. Darin heißt es klar:

Die Mitgliedschaft in Parteien oder Organisationen, die durch das BfV als 'Prüffall' oder 'Verdachtsfall' eingestuft werden, führt für sich betrachtet zu keinen beamtenrechtlichen Konsequenzen.

Auch hier ist - wie im von der AfD beauftragten Gutachten - die Erklärung, dass in diesem Stadium der Beobachtung die Verfassungsfeindlichkeit noch nicht feststeht. Erst wenn zur Parteizugehörigkeit "weitere Handlungen hinzukommen", die der freiheitlich-demokratischen Grundordnung widersprechen, rechtfertigt das den Verdacht einer Treuepflichtverletzung. Dass die Partei andere Mitglieder hat, die sich rechtsextrem, rassistisch oder antisemitisch äußern, hat darauf keinen Einfluss.

Mitgliedschaft ist erstmal nur "Alarmzeichen"

Der auf Beamtenrecht spezialisierte Anwalt Michael Else nennt dem ARD-faktenfinder drei praktische Beispiele: Wenn der Dienstherr eines Lehrers von dessen Mitgliedschaft in einer als Verdachtsfall eingestuften Partei Kenntnis bekäme, könne das erst einmal nur als "Alarmzeichen" gewertet werden. Vertrete der Lehrer aber im Unterricht verfassungsfeindliche Ansichten, könne er disziplinarisch belangt werden. Ähnlich sei es bei Polizeibeamtinnen und -beamten: Auch sie würden an ihrem konkreten Verhalten im Dienst beurteilt. Relevant für die Beurteilung der Verfassungstreue könnten darüber hinaus etwa Reden auf öffentlichen Parteiveranstaltungen oder die Ausübung eines Parteiamtes sein.

Sonderfälle sind Beamtinnen und Beamte, die in sicherheitsempfindlichen Bereichen arbeiten, etwa beim Bundeskriminalamt, beim Verfassungsschutz oder auch mit Zugang zu sogenannten Verschlusssachen. Sie müssten laut Else damit rechnen, bei einer Zugehörigkeit zu einer als Verdachtsfall eingestuften Partei von ihrer bisherigen Tätigkeit vorläufig ausgeschlossen zu werden oder sich einer Überprüfung unterziehen zu müssen - auch ohne "weitere Handlungen".

"Sorgfältige Einzelfallprüfung"

In welchen Fällen ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird und wie es ausgeht, lässt sich also nicht pauschal sagen. Laut BMI hängt dies von der "Gesamtschau der Pflichtverletzungen und dem sich daraus ergebenden Persönlichkeitsbild" ab.

Auf Anfrage des ARD-faktenfinders präzisiert ein Ministeriumssprecher, es handele sich immer um eine "sorgfältige Einzelfallprüfung". Allgemeingültige Aussagen zu disziplinarischen Konsequenzen für Beamtinnen und Beamte könne man daher nicht treffen. Möglich sind Verweise, Geldbußen, Kürzung der Bezüge, Zurückstufung und die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis.

Beamtenbund: "Denken, Handeln, Assoziationen prüfen"

Direkte Auswirkungen für verbeamtete "einfache" Parteimitglieder der AfD ergäben sich aus einer Einstufung der Partei als Verdachtsfall also vorerst nicht - jedenfalls dann, wenn die Betroffenen keinerlei sonstige Anzeichen für Verfassungsfeindlichkeit erkennen lassen. Denn: Parteizugehörigkeit ist erst einmal Privatsache.

So sieht es auch der Deutsche Beamtenbund. "Parteimitgliedschaften an sich, egal in welcher legalen Partei, sind für uns kein Thema", so der Vorsitzende Ulrich Silberbach gegenüber dem ARD-faktenfinder. Es bestehe keine Auskunftspflicht "und Sie können den Menschen nicht in den Kopf schauen". Es gehe immer um das konkrete Handeln. Dennoch mahnt er, Beamtinnen und Beamte sollten ihr "Denken, Handeln" und ihre "Assoziationen" prüfen. "Beschäftigte im öffentlichen Dienst müssen mit beiden Beinen fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehen. Wenn sie das nicht tun, haben sie im öffentlichen Dienst nichts zu suchen."