Tatort nach einer Messerattacke auf die Kölner Oberbürgermeisterkandidatin Henriette Reker

Lübcke-Attentat Feindbild Politiker

Stand: 19.06.2019 11:50 Uhr

Der mutmaßlich rechtsextreme Anschlag von Kassel ist kein Einzelfall. Schon öfter sind Politiker attackiert worden, die sich für eine liberale Flüchtlingspolitik eingesetzt hatten.

Von Patrick Gensing, ARD-aktuell

Der Anschlag von Kassel reiht sich ein in eine ganze Serie von Angriffen auf Politiker, die aus rechtsextremen Motiven attackiert wurden. Im Jahr 2015 stach ein Rechtsextremist die Kölner Politikerin Henriette Reker nieder, sie überlebte nur knapp. Der Täter verletzte vier weitere Politikerinnen teilweise schwer.

Der Mann war zu diesem Zeitpunkt 44 Jahre alt und hatte früher Kontakte zur neonazistischen FAP. Bei seiner Festnahme sagte er laut Medienberichten, er habe die Tat ausführen müssen: "Ich schütze euch alle." Experten sprachen von Rechtsterrorismus, der Täter wurde schließlich wegen versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt.

"Ehre und Denkmal"

Im Netz begrüßten Rechtsradikale den Anschlag: "Die Attentäter auf Hitler, erhielten im Nachhinein Ehre und Denkmäler", schrieb beispielsweise Hans Jürgen R. in der geschlossenen Facebook-Gruppe "Pegida - jetzt erst recht!", in der zu diesem Zeitpunkt fast 5000 Personen organisiert waren.

Bis heute wird Reker immer weiter angefeindet. 2018 geriet die AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternative in Köln in die Kritik, weil sie auf ihrer Facebook-Seite den Slogan des Reker-Attentäters auf ihrer Facebookseite verwendet und daneben Bilder und Texte über Schießtrainings mit scharfen Waffen gestellt habe.

Mit diesem Messer stach 2015 ein Rechtsextremer auf die Kölner Politikerin reker ein

Mit diesem Messer stach 2015 ein Rechtsextremer auf die Kölner Politikerin Reker ein

Aus dem Dorf gemobbt

In Tröglitz in Sachsen-Anhalt trat der Bürgermeister nach einer Serie von Drohungen und Einschüchterungen zurück. Die NPD war 2015 vor seinem Haus aufmarschiert. Der Bürgermeister wollte Flüchtlinge in Tröglitz integrieren.

Im beschaulichen Oersdorf in Schleswig-Holstein schlugen Unbekannte im September 2016 den Bürgermeister mit einem Knüppel bewusstlos. Die Wählervereinigung Oersdorf, zu der der damalige Bürgermeister gehört, hatte zuvor von Einschüchterungsversuchen und Drohungen berichtet. Es ging dabei um die Unterbringung von Flüchtlingen. Ein Jahr nach dem Angriff trat der Bürgermeister zurück.

"Enttäuschendes Urteil"

Im westfälischen Altena verletzte 2017 ein Mann den Bürgermeister mit einem Messer. "Sie lassen mich verdursten und holen 200 Flüchtlinge nach Altena", hatte er vor dem Angriff gesagt. Der CDU-Politiker wurde leicht verletzt. Er hatte sich zuvor für eine liberale Flüchtlingspolitik eingesetzt. Der Täter wurde zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt, das Gericht sah keine politische Motivation, sondern ging von einer persönlichen Verbitterung aus.

Der attackierte Bürgermeister nannte das Urteil "mehr als enttäuschend". Die Bewährungsstrafe sei das falsche Signal und könne missverstanden werden "als eine Einladung, dass ein Vorgehen gegen Amtsträger zu keiner anderen Betrachtung führt, als wenn ich normal aus einem Streit heraus gegen irgendjemanden mit dem Messer vorgehe".

Ende 2017 wollten die Grünen wissen, wie viele rechte Straftaten "gegen Amts-/Mandatsträger" gezählt wurden. Das Innenministerium antwortete, für das Jahr 2017 seien bis Ende November 516 politisch motivierte Straftaten, davon elf Gewaltdelikte, registriert worden. Nähere Angaben zu den Hintergründen der Gewaltdelikte machte das Ministerium aber nicht.

Für 2018 meldete das Bundeskriminalamt auf Anfrage des ARD-faktenfinder 517 rechte Straftaten gegen Amts- beziehungsweise Mandatsträger, darunter fünf Gewaltdelikte.

Online-Pranger und Todeslisten

Im Netz kursieren Online-Pranger mit Namen wie "Nürnberg 2.0" - eine Anspielung auf die NS-Kriegsverbrecherprozesse. Dort ist unter anderem der Name von Lübcke verzeichnet, aber auch von anderen Politikern, die als Kriegsverbrecher bezeichnet werden, da sie sich für Flüchtlinge eingesetzt hätten.

Zuletzt hatte die Gruppe "Nordkreuz" für Aufsehen gesorgt: Polizisten aus Mecklenburg-Vorpommern sollen Munition für die Bewaffnung der Gruppe entwendet haben. Auf "Todeslisten" der Gruppe sollen Namen von zahlreichen Politikern und linken Aktivisten stehen. Die Ermittlungen des Bundeskriminalamts laufen derzeit noch.

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