US-Wahl 2024

Sendungsbild
weltspiegel

US-Wahlkampf Vereinigte Staaten, gespaltenes Land

Stand: 23.07.2024 18:39 Uhr

Wer US-Amerikaner nach dem Zustand ihrer Demokratie fragt, entdeckt extreme Gegensätze: Während eine junge Idealistin von Wahlen als "Superkraft" spricht, träumt eine Rentnerin schon vom Bürgerkrieg.

"Voting is my super power", "Wählen ist meine Superkraft" steht in großen Lettern auf dem lila T-Shirt von Studentin Mollie Duffy. Die 21-Jährige versucht, Studierenden zu mehr politischer Teilhabe zu verhelfen. Dafür steht sie nach den Vorlesungen und an Wochenenden auf ihrem Campus der Miami University Ohio und verteilt Flugblätter und Infomaterial. Bei jedem Wetter, auch wenn es eiskalt ist, die Bäume auf dem Gelände kahl, der Rasen braun und kaum Kommilitonen unterwegs sind.

Demokratie-Aktivistin nennt sie sich selbst: "Demokratie ist für mich ein Verb! Ein Tu-Wort, denn ich denke, dass Demokratie immer mit Handeln zu tun hat. Es geht darum, das Engagement der Menschen zu fördern."

Denn das ist Duffys Hauptanliegen: Ihre Generation, die Gen Z, an die Wahlurnen zu bewegen. Statistiken zufolge sind das in den Vereinigten Staaten immerhin knapp 41 Millionen junger Menschen im Alter von 18 bis 27 Jahren. Etwa acht Millionen davon sind Erstwähler, gerade 18 oder 19 Jahre alt.

Komplizierte Stimmabgabe

Anders als in Deutschland ist man in den USA nicht automatisch wahlberechtigt. Man muss sich aktiv dafür registrieren. Das US-Wahlsystem ist kompliziert und viele Erstwähler wissen nicht, was zu tun ist. Die bürokratischen Hürden sind hoch und die Wahllokale oft weit entfernt vom Wohnort.

Da setzt Mollie Duffy an. Bei einem politischen Ideen-Wettbewerb hat sie ein Stipendium gewonnen für den sogenannten "Demokratie-Bus". Mit dem Geld hat die Studentin also einen typisch amerikanischen gelben Schulbus gemietet und lässt ihre Mitstudenten bei regionalen Vorwahlen in Ohio über Land zum Wahllokal transportieren. Fast 45 Minuten dauert die Fahrt, denn die Distanzen sind weit in Ohio. Maisfelder bis zum Horizont. Wer hier noch kein Auto hat, ist aufgeschmissen.

Das ist eine Hürde, die viele junge Menschen hier vom Wählen abhalten könnte. Aber nicht die einzige. Es wird immer schwerer, die Stimme abzugeben - auch weil in letzter Zeit viele Vorschriften verschärft wurden. Im Wahllokal muss man sich seit neuestem mit einem Führerschein oder einem Pass ausweisen können. Der Studentenausweis alleine reicht nicht mehr aus.

Mollie Duffy

"Wahlschutz" hat sich die 21-jährige Mollie Duffy ganz groß als Motto auf ihr Oberteil geschrieben. Sie organisiert ein Teilhabeprojekt, das Erstwählern zur Stimmabgabe verhelfen soll.

"Das geringere Übel" wählen

Duffy erlebt immer wieder, wie "voter suppression", Wahlbehinderung sich ganz konkret bemerkbar macht: "Ich denke, dass einige Staaten restriktive Wahlgesetze verabschieden, zeigt deutlich, dass man uns junge Wähler davon abhalten will, sich an Wahlen zu beteiligen", meint sie. "Politiker, die in ihren Siebzigern und Achtzigern sind, sind haben Angst vor uns. Weil sie wissen, dass sie nicht wiedergewählt würden."

Sie selbst weiß noch nicht genau, wo sie im November bei der Präsidentschaftswahl ihr Kreuzchen machen wird, weil sie sich von keinem der beiden Kandidaten angesprochen fühlt. Wie ihr geht es vielen: In Umfragen geben mehr als 70 Prozent der Befragten an, die Neuauflage des Wahlduells Trump gegen Biden abzulehnen. "The lesser of two evils", "das geringer Übel", kommentieren viele ihre Wahlentscheidung lakonisch.

Auch Duffy: "Ich entscheide mich jetzt für das kleinere Übel, vermutlich Biden", sagt sie. "Und dann haben wir hoffentlich in vier Jahren Leute, die in der Lage sind, eine gute Präsidentschaft zu führen. Ohne dass wir Angst haben müssen, dass sie im Amt sterben."

Viele glauben an Wahlbetrug 2020

Diese Frustration und das Desinteresse sind eine Gefahr für die Demokratie. Was, wenn unter diesen Umständen kaum noch jemand zur Wahl geht? Entscheidet dann eine aktive laute Minderheit über die schweigende Mehrheit im Land?

Zu den lauten, überzeugten Menschen gehört Sharon Anderson aus Tennessee. Auf ihrem roten T-Shirt steht: "I'm still a Trump girl". Sie hat auch noch ein blaues, auf dem kann man lesen: "Ich wähle nicht die Republikaner, ich wähle Trump." Die 67-Jährige fährt kreuz und quer durch die USA, um ihr Idol zu unterstützen. Zur Finanzierung der Reisen verkauft sie selbstgemachten Holunder-Sirup.

Mit Trump als Präsidenten habe sie sich "sicherer" und "respektierter" in der Welt gefühlt, sagt Anderson. Sie ist felsenfest davon überzeugt, dass Trump 2020 der Wahlsieg gestohlen worden sei, obwohl es weder Hinweise noch Belege dafür gibt. Trotzdem: Die Mehrheit der Trump-Unterstützer glaubt nach wie vor, dass die Wahl 2020 manipuliert wurde. Mit Blick auf die bevorstehende Wahl im November vertrauen je nach Umfrage auch nur 64 bis 69 Prozent der Gesamtbevölkerung darauf, dass das System korrekt funktioniert. Ein massiver Vertrauensverlust.

Sharon Anderson

Die 67-jährige Sharon Anderson aus Tenessee sagt von sich selbst, sie würde in einem Bürgerkrieg kämpfen wollen - das sei besser, als so zu leben wie jetzt.

Politische Gewaltbereitschaft steigt

Sharon Anderson geht sogar noch einen Schritt weiter. Sie war am 6. Januar 2021 beim Sturm auf das Kapitol in Washington, habe Trumps Rede gehört, aber danach nichts weiter unternommen, sagt sie. Aber: "Ich habe das Gefühl, diese Menschen haben an diesem Tag eine Chance verpasst… Hätte Donald Trump gesagt: 'Nehmt das Capitol ein!...' - Und das hat er nicht getan, er hat gesagt: 'Lasst uns friedlich da runter gehen, lasst uns diese Wahl korrigieren' - Aber hätte er von diesem Podium aus gesagt: 'Nehmt das Kapitol ein!', wäre ich als 67-jährige Frau mit ein paar Ziegelsteinen vom Kapitol nach Hause gegangen."

Einer wissenschaftlichen Studie mehrerer Universitäten zufolge geben mittlerweile acht Prozent der US-Amerikaner an, willens zu sein, Gewalt einzusetzen, um ihre politische Meinung durchzusetzen. Das sind in Zahlen knapp 26 Millionen Menschen, die im Zweifel zu einer Revolution oder einem Bürgerkrieg bereit wären, wenn sie darin einen politischen Nutzen sehen würden.

Anderson sagt dazu: "Ich würde versuchen, ein Unrecht wiedergutzumachen. Wenn es dazu einen Bürgerkrieg braucht, dann würde ich lieber einen Bürgerkrieg durchleben oder in einem Bürgerkrieg getötet werden, um das Land in Ordnung zu bringen. Lieber das, als in dem Land zu leben, das es jetzt ist." Es scheint, als könnten dieser Wahlkampf und die Wahl im November gar nicht friedlich enden.

Diese und weitere Reportagen sehen Sie am Sonntag, 24.03.2024 um 18:30 Uhr im "Weltspiegel".
Die Weltspiegel-Dokumentation "WTF, USA?! Trump gegen Biden" sehen Sie ab sofort in der ARD-Mediathek und Montag, 25.03.2024 um 22:50 Uhr im Ersten.

Title">dieses 18:30 24 Am Class="sendungsbezug R 2024 Uhr Berichtete über Thema Programm: Dieses Weltspiegel Im Thema Um