Flüchtlinge stehen in einem Auffanglager auf der griechischen Insel Samos vor einem Drahtzaun.

Griechenland und die Flüchtlinge Die Angst vor dem Kollaps

Stand: 04.10.2019 04:11 Uhr

Gerade in den letzten wärmeren Wochen des Jahres erreichen mehr Flüchtlinge die griechischen Küste. Die Helfer sind überfordert, die Bevölkerung wütend auf die untätige Regierung.

Mehr als 30.000 Flüchtlinge leben seit einigen Tagen auf den fünf griechischen Inseln mit Registrierungszentrum - so viele wie noch nie in den vergangenen drei Jahren. Auf Lesbos starb bei einem Brand im überfüllten Lager Moria am vergangenen Sonntag eine Mutter und möglicherweise auch zwei ihrer Kinder. Auf Samos mussten sich einige tausend neu auf die Insel geflüchtete Menschen Notunterkünfte selbst bauen, aus Holz und Plastikplanen.

So könne es nicht mehr weitergehen, sagt ein Bauer auf Lesbos: "Die neue Regierung muss sich jetzt endlich schnell bewegen. Sie muss dafür sorgen, dass die Leute richtig schlafen, essen und sich waschen können."

Große Versprechen, keine Taten

Die neue Regierung hatte im Sommer - im Wahlkampf - frische Konzepte und gute Pläne versprochen, mit denen die Lage auf den überlasteten Inseln schnell besser werden könne. Manos Stefanakis, Zeitungsherausgeber auf der Insel Samos, ist auch persönlich enttäuscht, dass da bisher so gut wie gar nichts geschehen sei:

Die Mitglieder der neuen Regierung, die jetzt Minister sind, hatten uns vor der Wahl auf Samos besucht. Sie haben Lösungen für die Flüchtlingsunterbringung versprochen. Gar nichts ist passiert.

Keine medizinische Versorgung

Giorgos Koumoutsakos, stellvertretender Innenminister und hauptverantwortlich in Migrationsfragen, war wenige Tage vor der Wahl im Juli auf Samos. Er habe zugesagt, dass Boote künftig sehr früh in der Türkei abgefangen werden, sagt Stefanakis weiter: "Ist noch kein einziges Mal passiert."

Die Versorgung mit Wasser und genügend Essen klappe gerade noch, sagt Stefanakis. Doch medizinische Hilfe gebe es oft nicht mal mehr für schwer kranke Flüchtlinge oder schwangere Frauen. "Das ist inhuman", sagt Bogdan Andrei. Er betreut seit drei Jahren für die Freiwilligenorganisation "Samos Volunteers" Flüchtlinge. "Im vergangenen Monat hatten wir 1200 Menschen, die neu nach Samos geflüchtet sind. Da können Sie sich vorstellen, wie viel Arbeit es macht, die auch nur mit dem Nötigsten auf so einer relativ kleinen Insel zu versorgen", berichtet er.

Viele Überfahrten vor der kalten Jahreszeit

Wenn Bundesinnenminister Horst Seehofer aus der Türkei nach Athen geflogen kommt, dann wird er spüren, wie misstrauisch auch die griechischen Regierungsmitglieder gegenüber der aktuellen Migrationspolitik der türkischen Regierung sind.

Mitarbeiter des griechischen Heimatschutzministeriums gehen davon aus, dass mehrere zehntausend Menschen aus Afghanistan, Syrien, dem Irak und aus vielen afrikanischen Ländern schon an der türkischen Küste auf eine günstige Gelegenheit warten, ebenfalls nach Griechenland zu flüchten. Dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan vor einigen Wochen offen damit gedroht hat, viele der neu in der Türkei ankommenden Syrern "durchzuwinken", nimmt auch Koumoutsakos sehr ernst.

Tausende Migranten werden aus dem Raum Istanbul gedrängt. Momentan leben Hunderttausende Flüchtlinge in und um Istanbul, aber viele werden nach Osten gedrängt, in die Küstengebiete der Ägäis.

Der Oktober war schon in den vergangenen Jahren der Monat, in dem viele Migranten - angespornt von Schleusern - die letzten wärmeren Wochen für ihre Überfahrt nach Griechenland nutzen wollten. Und die Gefahr scheint für viele Bewohner auf Kos, Samos oder Lesbos im Moment sehr groß, dass aus täglich einigen Hundert neuen Flüchtlingen wieder Tausende werden.

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