Israelische Sicherheitskräfte bedrängen Sargträger der getöteten Journalistin Schirin Abu Akle in Jerusalem.

Jerusalem Gewalt bei Beisetzung von Reporterin

Stand: 13.05.2022 22:49 Uhr

Während der Beisetzung der im Westjordanland getöteten TV-Journalistin Abu Akle in Jerusalem ist es zu Ausschreitungen gekommen. Die UN reagierten schockiert angesichts mutmaßlicher Gewalt israelischer Sicherheitskräfte.

Tausende Menschen haben in Jerusalem der getöteten Al-Dschasira-Journalistin Schirin Abu Akle die letzte Ehre erwiesen. Während der Prozession zur Beerdigung kam es zu Konfrontationen. Hunderte gewalttätige Demonstrierende hätten für Unruhen gesorgt, es seien Steine auf Polizisten geworfen worden, teilte die israelische Polizei mit. Die Sicherheitskräfte warfen nach palästinensischen Angaben Blendgranaten.

Die israelische Polizei setzte Schlagstöcke ein, woraufhin die Sargträger den Sarg kurzzeitig auf den Boden fallen ließen, berichtete die Nachrichtenagentur AP. "Wir sterben, damit Palästina leben kann", skandierte die Menge demnach. Die Nachrichtenagentur dpa berichtete, berittene und unberittene Polizisten hätten die Trauergäste angegriffen.

Die Polizei warf der Menge vor dem Krankenhaus, aus dem der Leichnam der Journalistin gebracht wurde, wiederum vor, nationalistische Hetzbotschaften gerufen zu haben. Die Demonstrierenden hätten Aufforderungen, die Rufe zu beenden, ignoriert und Steine geworfen. "Die Polizisten waren gezwungen zu handeln", so die israelische Polizei.

Todesumstände weiter unklar

Die TV-Journalistin war in dieser Woche während eines israelischen Militäreinsatzes im besetzten Westjordanland durch Schüsse getötet worden. Es blieb zunächst unklar, wer für den Tod der in der arabischen Welt bekannten Reporterin verantwortlich ist. Sie wurde auf einem christlich-orthodoxen Friedhof neben der Altstadt Jerusalems beigesetzt.

Die israelische Armee berichtete, es habe ein heftiges Feuergefecht mit Dutzenden militanten Palästinensern während einer Razzia in der Stadt Dschenin gegeben. Israels Armee veröffentlichte Zwischenergebnisse ihrer Untersuchung des Vorgangs, wonach es derzeit nicht möglich sei eindeutig zu sagen, von wo der tödliche Schuss kam.

Ohne ballistische Analyse könne nicht geklärt werden, ob die tödliche Kugel von Israelis oder Palästinensern abgefeuert worden sei, teilte das israelische Militär mit. Etwa 200 Meter von der Stelle entfernt, wo Abu Akle in den Kopf getroffen wurde, hätten Palästinenser wiederholt auf ein israelisches Militärfahrzeug geschossen. Israelische Soldaten hätten das Feuer erwidert.

Al-Dschasira spricht von vorsätzlicher Tötung

Al-Dschasira beschuldigte israelische Sicherheitskräfte, die 51-Jährige vorsätzlich getötet zu haben. Auch Palästinenserpräsident Mahmud Abbas macht Israel verantwortlich und sprach von einem "Verbrechen der Hinrichtung".

Israel wies die Vorwürfe zurück und forderte eine gemeinsame Untersuchung. Dies lehnten die Palästinenser jedoch ab. Die palästinensische Autonomiebehörde, die im Besitz der tödlichen Kugel ist, verweigerte bislang auch eine Übergabe der Kugel an die israelische Seite.

Die palästinensische Generalstaatsanwaltschaft erklärte inzwischen, allein israelische Truppen hätten in dem Moment geschossen, in dem die Journalistin getroffen worden sei. Das hätten unter anderem Untersuchungen am Tatort, die Befragung von Zeugen und die Auswertung von Videos ergeben, zitierte die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa die Ermittler. Die israelischen Truppen seien nur etwa 150 Meter von Abu Akle entfernt gewesen.

"Es scheint, dass ihre Stimme nicht schweigt"

Abu Akles Bruder Tony sagte, die Szenen bei der Beisetzung zeigten, welche Wirkung die Berichte seiner Schwester gehabt hätten. Al-Dschasira-Korrespondentin Givara Budeiri sagte in ihrer Reportage, das Vorgehen der Polizei sei wie eine zweite Tötung Abu Akles. "Es scheint, dass ihre Stimme nicht schweigt", sagte sie.

Al-Dschasira erklärte, die Polizeiaktion verletze alle internationalen Normen und Rechte.

UN und USA schockiert über Gewalt bei Beerdigung

Die UN zeigten sich angesichts mutmaßlicher Gewalt israelischer Sicherheitskräfte während der Beerdigung bestürzt. "Wir haben gerade das Video davon gesehen und es ist einfach sehr schockierend für uns", sagte Sprecher Farhan Haq. Die UN teilten weiter mit, dass sie mehr Informationen zu dem Vorfall sammelten: "Natürlich wollen wir wie in allen Fällen sicherstellen, dass die Grundrechte auf Versammlungsfreiheit und natürlich das Recht auf friedliche Demonstrationsfreiheit geschützt und gewahrt werden", sagte Haq.

Die Sprecherin von Präsident Joe Biden, Jen Psaki, sprach von "zutiefst verstörenden" Bildern. "Wir bedauern die Störung dessen, was eine friedliche Prozession hätte sein sollen", sagte Psaki. Die USA hätten "Respekt für die Beerdigungsprozession, die Trauernden und die Familie in dieser heiklen Zeit angemahnt".

Auch die US-amerikanische UN-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield zeigte sich "zutiefst erschüttert von den Bildern", wie sie auf Twitter schrieb. "Die Tragödie ihres Mordes sollte mit größtem Respekt, Nüchternheit und Sorgfalt behandelt werden." Die UN und die USA hatten eine Untersuchung zu der Tötung gefordert.

Erneut tödlicher Militäreinsatz in Dschenin

Unterdessen wurde ein israelischer Grenzpolizist nach israelischen Angaben bei Konfrontationen mit bewaffneten Palästinensern im Westjordanland tödlich verletzt. Bei einem Anti-Terror-Einsatz nahe Dschenin hätten bewaffnete Angreifer die Sicherheitskräfte beschossen sowie Sprengsätze geworfen, teilten Polizei und Armee mit. Die Soldaten hätten zurückgeschossen. Der 47-jährige Offizier sei beim Verlassen des Ortes Burkin verletzt und noch ins Krankenhaus gebracht worden.

Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums wurden 13 Palästinenser in Krankenhäuser gebracht, nachdem sie bei den Kämpfen verwundet worden waren. Eine Person habe einen Bauchschuss erlitten.

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