EU-Verteidigungsunion Die fliegende Klinik macht den Anfang

Stand: 14.12.2017 16:01 Uhr

Auf dem EU-Gipfel in Brüssel feiern Kanzlerin Merkel und ihre Kollegen den ersten Schritt hin zur kürzlich beschlossenen EU-Verteidigungsunion. 25 Staaten haben sich auf insgesamt 17 Projekte geeinigt. Wir stellen die wichtigsten vor.

Wenn die EU-Staats- und Regierungschef in Brüssel eintreffen, besiegeln sie zunächst in Anwesenheit von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg die künftige Europäische Verteidigungs- und Sicherheitspolitik. An der sogenannten Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit - nach dem englischen Kürzel PESCO genannt - nehmen 25 der 28 EU-Staaten teil. Das sind die wichtigsten Projekte:

Das Europäische Sanitätskommando

Wenn EU-Truppen in Kriseneinsätze geschickt werden, dann müssen Schwerverletzte im Ernstfall auch medizinisch versorgt oder ausgeflogen werden. Dafür soll das neue Sanitäts-Hauptquartier eine schnell verlegbare Notfalleinheit jederzeit bereitstellen können. Und außerdem dafür sorgen, dass von der Wiederbelebung bis zur Zahnbehandlung jedwede medizinische Hilfe schnell im Krisengebiet ankommt. Weshalb die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen auch gerne mit Bezug auf die Kommando-Zentrale von einem "fliegenden oder schwimmenden Krankenhaus" gesprochen hat. Doch es geht um mehr: Unter anderem sollen in Europa die Standards angeglichen werden. Eine Not-OP soll nicht daran scheitern, dass sich für den Stecker des Narkosegeräts keine passende Steckdose findet. Erwartet wird, dass die EU bei diesem Projekt unter deutscher Federführung bereits bis Ende kommenden Jahres startklar ist.

Militärische Beweglichkeit

Ein Thema, das nicht nur der EU, sondern auch der NATO am Herzen liegt: Weil einige osteuropäische Staaten sich von Russland bedroht fühlen, plant die Militärallianz sogar extra ein neues Hauptquartier in Europa. Sichergestellt werden soll, dass Mann und Material im Ernstfall schnell genug von A nach B transportiert werden können. Und dies nicht an Straßen scheitert, die unter dem Gewicht einer Panzerkolonne nachgeben, oder am Grenzbeamten, der eine lange Checkliste abarbeiten muss, bevor er die Weiterfahrt zulässt. Auch die EU will nun bürokratische Hürden abbauen. Und will durch den Aufbau "logistischer Drehscheiben" in Europa sicherstellen, dass bei künftigen Missionen das benötigte Material auch ankommt.

Cyberabwehr

Die lautlos, aber dafür nicht minder wirkungsvoll daherkommende Gefahr aus dem Netz macht der EU schon seit geraumer Zeit große Sorge. Europäische Großunternehmen haben am eigenen Leib erfahren müssen, was es heißt, von Hackern lahmgelegt zu werden. Durch den Aufbau einer gemeinsamen Plattform soll der Informationsaustausch der Geheimdienste untereinander verbessert werden. Ob das funktioniert, ist fraglich: Auch bei der Terrorabwehr galt bislang als eines der Hauptprobleme, dass Nachrichtendienste sehr geizig sind, wenn um das Teilen von mühsam beschafften Erkenntnissen geht.

Kern einer Krisen-Reaktions-Operation

Dass EU-Militärs keine Furcht vor Wortungetümen haben, stellen sie auch hier wieder eindrücklich unter Beweis. Jedenfalls wünscht sich Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron ja langfristig eine schlagkräftige EU-Eingreiftruppe. Doch die Beschreibung für die "CROC" abgekürzte Krisen-Reaktions-Einheit liest sich deutlich bescheidener: Durch gemeinsame "Bedrohungsanalysen" soll die Reaktionszeit der EU verkürzt werden, heißt es da. Ob daraus eines Tages eine mächtige Interventionstruppe erwächst? Derzeit ist das noch nicht zu erkennen.

Die Zukunft

Interessanter als das, was die EU zu Papier bringt, ist oft das, was sie nicht aufschreibt. So findet sich unter den 17 Vorhaben, mit denen man nun loslegen will, kein einziges großes Rüstungsprojekt. Deutschland und Frankreich haben ja bereits angekündigt, gemeinsam einen europäischen Kampfjet bauen zu wollen. Das aber dürfte dauern. Am Ende jedoch dürfte sich an genau diesen Großprojekten entscheiden, ob man wirklich eines Tages die Europäische Union als "Verteidigungsunion" bezeichnen kann. Oder ob man weiter Milliarden dadurch verschleudert, dass sich die Rüstungskonzerne der Einzelstaaten auch künftig gegenseitig Konkurrenz machen.