Xi Jinping (rechts) und Präsident Putin

EU-China-Gipfel Für oder gegen Putin?

Stand: 01.04.2022 14:10 Uhr

Peking weigert sich bis heute, die russische Invasion in der Ukraine zu verurteilen. Als Hauptschuldige werden die USA und die NATO dargestellt. Beim EU-China-Gipfel wollen die Europäer wissen, auf welcher Seite Chinas Staatspräsident Xi Jinping steht.

Wenn die Europäische Union zu einem normalen Gipfel einlädt, wird schon Tage vorher an der Abschlusserklärung gefeilt. Unterhändler ringen um jedes Wort, nichts bleibt dem Zufall überlassen. Wenn alles gut läuft, müssen die Gipfelteilnehmer das Ergebnis am Ende nur noch abnicken. Aber der EU-Gipfel mit China ist kein normaler Gipfel. Im Vorfeld wurde nicht einmal der Versuch gemacht, einen gemeinsamen Nenner zu finden.

"Das wird kein Gipfel der Diplomatie", sagt Bernd Lange voraus. Er ist Vorsitzender des mächtigen Handelsausschusses im Europäischen Parlament und sieht die EU dieses Mal auf Konfrontationskurs. "Es geht darum, klare Kante zu zeigen für die weitere Entwicklung."

Vordringen rechtsstaatlicher Demokratien gilt auch in Peking als Bedrohung

Die zwischen der EU und China weit auseinander driftenden Vorstellungen von fairem Handel stehen dabei nur im Hintergrund. Wenn Kommissionschefin Ursula von der Leyen, Ratspräsident Charles Michel und der EU-Außenbeauftrage Josep Borrell per Videoschalte mit Chinas Staatschef Xi Jinping verhandeln, dann wollen sie wissen, auf welcher Seite er steht.

Peking weigert sich bis heute, die russische Invasion in die Ukraine zu verurteilen, als Hauptschuldige in der Krise werden die USA und die NATO dargestellt. Das Vordringen rechtsstaatlicher Demokratien nach westlichem Muster, zum Beispiel in der Ukraine, gilt in Moskau wie auch in Peking als eine Bedrohung, die man gemeinsam abwenden will.

China-Experte: Xi Jinping bewundert Putin

Eine wichtige Rolle spielen die persönlichen Beziehungen auf höchster Ebene. Xi Jinping bewundere Putin als einen machtbewussten Herrscher, berichtet der China-Experte Tim Rühlig von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). "Russlands Macht ist im Niedergang, aber Putin bleibt trotzdem eine zentrale Figur der Weltpolitik." Das nötige dem Chinesen Respekt ab.

Diese guten Beziehungen könne er jetzt nutzen, um Putin vom Kriegskurs abzubringen, hoffen die Europäer. Darüber dürfte in der Videoschalte gesprochen werden. Wie weit Xi Jinping dann am Ende mit seiner Schützenhilfe für Putin geht, ist in der Tat offen. "Die aktuelle Situation ist für Xi Jinping durchaus riskant", so der China-Experte Tim Rühlig.

Beim 20. Parteitag der Kommunistischen Partei im Herbst wolle er wiedergewählt werden, "da ist es natürlich nicht gut, wenn man auf der Verliererseite steht". Eine außenpolitische Fehlkalkulation würde seinen Ambitionen massiv schaden, in einer Reihe mit Mao und Deng Xiaoping in Chinas Geschichtsbüchern zu stehen. Ein rasches Ende des Krieges - aber ohne, dass Putin geschwächt daraus hervorgeht, das wäre aus chinesischer Sicht die beste Lösung.

EU sieht sich in starker Verhandlungsposition

Die Europäische Union betrachtet das anders und sieht sich in einer starken Verhandlungsposition. Einmal, weil die Einheit des Westens gegen Russland geschlossen ist und auch im asiatisch-pazifischen Raum unterstützt wird, in Chinas Nachbarschaft, von Japan, Südkorea, Singapur und Australien. Dazu kommt der wirtschaftliche Handel.

Ein Teil von Chinas Wohlstand und Wachstum hängt von funktionierenden Handelsbeziehungen mit den Europäern ab. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Chinas Handel mit der EU belief sich 2021 auf 696 Milliarden Euro, der mit Russland auf weniger als ein Viertel. Rein rechnerisch müsste für Xi Jinping Einiges dagegen sprechen, weiter auf Putin zu setzen.

China missachtet internationale Handelsspielregeln

Dazu kommt der wachsende Ärger der Europäer darüber, dass China sich immer weniger an internationale Handelsspielregeln hält. Europas Liste mit Kritikpunkten ist lang: Staatliche Subventionen der eigenen Unternehmen, die freien Zugang zum Binnenmarkt genießen wollen, während westliche Firmen es in China viel schwerer haben und den Marktzugang oft mit dem Verlust des geistigen Eigentums bezahlen mussten. Die EU kann auch darauf verweisen, dass nicht wenige westliche Konzerne schon Konsequenzen gezogen haben und jetzt statt in China lieber wieder in Europa oder in den USA investieren.

EU-Diplomat: Gipfel "entscheidend"

Aus deutscher Sicht betrachtet ist die Drohung mit der Abwendung vom China-Geschäft allerdings ein zweischneidiges Schwert. "Kein anderes EU-Land betreibt auch nur ansatzweise so viel Handel mit China wie Deutschland", erklärt Tim Rühlig von der DGAP. Dadurch seien Abhängigkeiten entstanden, vor allem in der Autoindustrie.

"Über Jahrzehnte haben wir geglaubt, Handel mit Peking sei gut, weil es eine wirtschaftliche und politische Öffnung in China befördert." Aber das sei eine Illusion gewesen, durchaus vergleichbar mit der Abhängigkeit von russischer Energie. "Jetzt wird deutlich, dass wir nicht nur von fossilen Energieträgern aus Russland, sondern auch vom chinesischen Markt abhängig sind." Das schränke die internationalen Handlungsmöglichkeiten ein, sagt Rühlig.

Bernd Lange, der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europaparlament, sieht nach wie vor auch die Vorzüge des Handels mit China. "Wir haben das Interesse, dass wir global kooperieren", sagt der Sozialdemokrat. In der Videoschalte mit Xi Jinping müsse allerdings Klartext geredet werden.

"Wenn es chinesische Waffenlieferungen an Russland gibt oder eine Unterstützung der russischen Aggression in der Ukraine", so Lange, dann sei "der Rubikon überschritten". Ein EU-Diplomat drückt es in seiner Sprache aus. Der EU-China-Gipfel sei "entscheidend" für die Beziehungen zwischen Brüssel und Peking in den kommenden Jahren.

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