Britischer Premier stellt EU-Verbleib infrage Cameron will "Raus-oder-Rein-Referendum"

Stand: 23.01.2013 14:05 Uhr

Großbritanniens Premier Cameron hat in einer Grundsatzrede eine Reform der Europäischen Union gefordert. Ansonsten könnten die Briten aussteigen. Nach der Wahl 2015 will er das Volk über einen EU-Verbleib abstimmen lassen. EU-Parlamentspräsident Schulz wies die Kritik scharf zurück. Bundeskanzlerin Merkel will die Briten in der EU halten.

Der britische Premierminister David Cameron hat in seiner mit Spannung erwarteten Rede den Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union infrage gestellt. Nach einer möglichen Wiederwahl 2015 wolle er die Bevölkerung bis 2017 über den Verbleib der Briten in der EU abstimmen lassen. Es werde ein "Raus-oder-Rein-Referendum" sein, sagte Cameron. "Es ist Zeit, dass wir diese Frage zu Großbritannien und Europa lösen."

Als Voraussetzung für einen Verbleib nannte er eine Reform der EU. Ansonsten gebe es das Risiko, dass Großbritannien "Richtung Ausstieg treibt". Das Bündnis müsse flexibler, wettbewerbsfähiger und demokratischer werden. Es müsse auch möglich sein, dass nationale Befugnisse nicht nur von den Mitgliedsländern in Richtung Brüssel wandern, sondern auch in die umgekehrte Richtung. In ihrem jetzigen Zustand drohe die EU zu scheitern. "Ich möchte nicht, dass das passiert", sagte Cameron.

Schulz: Reformen an den Briten gescheitert

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) wies die Kritik Camerons an der EU scharf zurück. Die notwendigen Reformen, um das Bündnis effektiver, demokratischer, transparenter und schlanker zu machen, seien unter anderem an Großbritannien gescheitert, sagte der SPD-Europapolitiker im Deutschlandfunk. Cameron habe bisher keinen konstruktiven Vorschlag gemacht. In Wahrheit gehe es ihm nur um eine Rückabwicklung der Integration.

EU-Vizeparlamentspräsident Othmar Karas lehnte Sonderwege für die Briten strikt ab: "Es darf keine neuen Extrawürste für Großbritannien geben", sagte der Österreicher.

Merkel fordert Kompromissbereitschaft

Bundeskanzlerin Angela Merkel sicherte Cameron zwar intensive Gespräche über die britischen Wünsche zu, betonte jedoch, man müsse immer im Auge haben, dass andere Länder andere Interessen hätten. "Europa bedeutet auch immer, dass man faire Kompromisse finden muss", sagte Merkel. Sie wünsche sich, dass Großbritannien aktives EU-Mitglied bleibe.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle warnte vor der Forderung nach weiteren Ausnahmeregelungen innerhalb der EU. "Nicht alles muss in Brüssel und von Brüssel geregelt werden", sagte Westerwelle an die Adresse Camerons. "Aber eine Politik des Rosinenpickens wird nicht funktionieren." Für Zukunftsfragen brauche die EU "aus deutscher Sicht nicht weniger, sondern mehr Integration".

Frankreich würde "roten Teppich ausrollen"

Frankreichs Außenminister Laurent Fabius nannte ein britisches Referendum "gefährlich für Großbritannien selbst". Im französischen Rundfunk sagte Fabius, er habe vor Kurzem britischen Geschäftsleuten geraten: "Wenn Großbritannien Europa verlassen will, werden wir für euch den roten Teppich ausrollen." Er spielte damit auf Äußerungen Camerons im vergangenen Jahr an, der damals gesagt hatte, er werde für französische Firmen, die wegen der hohen Steuern in Frankreich ihren Sitz nach Großbritannien verlegen wollen, den roten Teppich ausrollen.

Nach Ansicht der spanischen Regierung wäre ein Austritt Großbritanniens für die britische Bevölkerung von großem Nachteil. "Wer auf sich allein gestellt den Wettbewerb mit Mächten wie den USA, China, Indien oder Brasilien aufnehmen will, hat die Zeichen der Zeit nicht verstanden", sagte Außenminister José Manuel García-Margallo in Madrid.

Wirtschaftsvertreter und die oppositionelle Labour-Partei hatten vorab davor gewarnt, dass die Ankündigung einer Volksabstimmung Großbritannien wirtschaftlich schaden könne. Sogar die US-Regierung warnte London vor einer Isolierung in Europa.

Labour-Chef: " Rede eines schwachen Premierministers"

Der britische Oppositionsführer, Labour-Chef Ed Miliband, nannte die vorab bekannt gewordene Rede die eines "schwachen Premierministers", der von Parteiinteressen geleitet sei und die Wirtschaftsinteressen des Landes außer Acht lasse. Er warf Cameron vor, jahrelange Unsicherheit zu schaffen. "Diese Rede hilft keinem jungen Menschen, der nach einem Job sucht, keinem Kleinbetrieb, der sich um einen Kredit sorgt, oder einer Familie, deren Lebensstandard gedrückt wird."

Camerons Rede war bereits mehrmals verschoben worden. Schon vor einem halben Jahr gab es Spekulationen über eine Grundsatzrede zum Verhältnis zur EU. Ein Redetermin vergangene Woche war wegen der Geiselnahme in Algerien abgesagt worden.

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