Die Britische und die EU Flagge

Harter Brexit Wie die EU das Schlimmste verhindern will

Stand: 19.12.2018 05:52 Uhr

Wenn Großbritannien ungeregelt die EU verlässt, hat das auch für Europa drastische Folgen. Die EU bereitet sich auf den Notfall vor - und wappnet sich für eine mögliche Finanzkrise.

Zuletzt war es ein Wechselbad der Gefühle für die EU-Regierungschefs. Schafft der schon fertig ausgehandelte Scheidungsvertrag die Hürde in London oder nicht? Das wird sich erst im Januar zeigen, wenn das britische Unterhaus über den Brexit-Vertrag samt Übergangsfrist und Kostenausgleich mit der EU entscheiden soll.

Theresa May kämpft für ein Ja. Doch in Brüssel gibt es Zweifel, ob das gelingt. Nachdem das britische Parlament über Notfall-Maßnahmen beraten hat, zieht jetzt die EU-Kommission nach. Das Ziel ist es, administrativ vorbereitet zu sein für den Fall, dass Großbritannien am 29. März 2019 einfach so aus der EU kippt. "Dann gibt es einen großen Knall und es wird sehr teuer für uns", warnt der Europaabgeordnete Elmar Brok (CDU).

Der letzte Strohhalm

Seine Kollegin Terry Reintke von den Grünen ist sich sicher: "Theresa May hält sich noch an einem Strohhalm fest. Sie hofft, dass sich noch etwas bewegt in Brüssel und sie die Skeptiker im Parlament besänftigen kann." Bisher ist das nicht geschehen.

Lange hat die EU-Kommission nicht über Notfallpläne für den harten Brexit sprechen wollen - aus Angst vor Verunsicherung. Das ändert sich jetzt. Inzwischen hat sich gezeigt: Nationale Regierungen und die Wirtschaft allein können nicht genügend für den Krisenfall vorsorgen - zu eng sind die Volkswirtschaften verflochten, zu viele Lieferketten und Verträge binden beide Seiten an Leistungs- und Zahlungsverpflichtungen. Die gründen auf EU-Recht, und das könnte über Nacht nicht mehr gelten in Großbritannien. Dann wären auch alle Handelsverträge und sonstige Geschäftsverbindungen zumindest anfechtbar.

Warnung vor "rechtsfreiem Raum"

EU-Beamte warnen hier vor einem "rechtsfreien Raum" und wollen gegensteuern. Geplant ist ein Richtlinienpaket für den besonders empfindlichen Finanzmarkt. Hier sollen Versicherungen, Verträge, Verbindlichkeiten und Aktiengeschäfte "abgesichert" werden.

Das heißt: Die EU soll für deren Bestand und Erfüllung zumindest eine formale Garantie übernehmen, in dem sie die Gültigkeit anerkennt. Das müsste aber dann auch die britische Regierung tun - ein "Moratorium" soll diese gegenseitige Rechtsverbindlichkeit herstellen. Es ist ein kompliziertes Verfahren und Neuland für die EU-Juristen, denn Brüssel begibt sich damit auf das Feld möglicher Milliarden-Verluste auf Kosten der Steuerzahler, die sie sich von den Briten nicht mehr zurückholen könnte.

Theresa May

Theresa May will die mit Brüssel ausgehandelte Vereinbarung durchsetzen.

Finanzkrise verhindern

Trotzdem soll auf diese Weise noch Schlimmeres verhindert werden: eine Finanzkrise. Vor einem möglichen Banken-Crash und Börsenproblemen hatte zuletzt vor allem die britische Regierung beim jüngsten Treffen der EU-Finanzminister in Brüssel gewarnt und damit große Unsicherheit ausgelöst.

Das Notfallpaket reicht aber auch in den Alltag hinein: Der Flugverkehr mit und über Großbritannien soll weiterlaufen, EU-Führerscheine sollen weiter in Großbritannien benutzt werden können. Noch unklar ist, was mit EU-Studenten und ihren Anerkennungen in Großbritannien und umgekehrt passiert. Sonst könnte so manche Prüfung umsonst geschrieben werden. Auch Züge sollen nicht ausfallen. Das könnte mit der Bahn auch in Deutschland passieren, wo britische Anbieter einige Regionalstrecken bedienen.

Diese Verträge mit den Bundesländern sollen ebenfalls abgesichert werden. Sonst bleibt noch vieles unklar. Denn das Ganze kann nicht nur die EU-Kommission entscheiden. Die Mitgliedsländer und das Europaparlament müssen zustimmen. Für derartige Verfahren werden normalerweise zwölf Monate anberaumt. Die Brexit-Notfallpläne sollen aber schon beschlossen und verkündet vorliegen, wenn das britische Parlament im Januar Nein sagen sollte zum Scheidungsvertrag.

Exit vom Brexit?

Einen Ausweg gibt es dann noch: Die britische Regierung zieht den Scheidungsantrag zurück (Exit vom Brexit). Das wäre ohne Probleme bis zum Scheidungstermin möglich, wie der Europäische Gerichtshof unlängst feststellte. Die anderen EU-Länder müssten das hinnehmen.

Eine Möglichkeit wäre aber auch ein Aufschub um wenige Wochen, bis vielleicht eine neues britisches Parlament dem Scheidungsvertrag zustimmt. Das ist eher unwahrscheinlich angesichts der knappen Zeit. Denn spätestens bis zur Europawahl muss eine Entscheidung her - an dieser Wahl nehmen die Briten schon nicht mehr teil.

Wären sie dann noch in der EU, könnte womöglich die gesamte Wahl angefochten werden, warnen Europarechtler: "Das einzige, was klar ist, dass spätestens Ende Januar das britische Parlament eine Entscheidung treffen muss", warnt der CDU-Europapolitiker David McAllister, "so oder so ..."