Ein Palästinenser untersucht die Schäden an einem Gebäude nach israelischen Angriffen in Khan Yunis im südlichen Gazastreifen.
reportage

Gazastreifen vor der Bodenoffensive Auch der Süden Gazas ist nicht sicher

Stand: 15.10.2023 04:07 Uhr

Hunderttausende Menschen sind im Gazastreifen auf der Flucht. Doch sie wissen nicht wohin, alle Grenzübergänge bleiben gesperrt - und auch der Süden Gazas ist nicht sicher. Auf den Straßen herrschen chaotische Zustände.

Autokolonnen schieben sich vorbei an einer langen Reihe zerbombter Autos. Immer wieder blockiert die Terrororganisation Hamas Straßen in den Süden des Gazastreifens, um die Flucht dorthin zu erschweren, sagt das israelische Militär. Die Hamas betont, die Menschen würden nicht fliehen wollen. Ein Mitarbeiter der ARD, der in Gaza-Stadt lebt, ist in den Süden gelangt.

Mohammad Abu Saif berichtet von chaotischen Zuständen, die er dort so nicht erwartet hat: "Die Menschen rennen durch die Straßen, jeder versucht eine Unterkunft zu finden. Ich habe laute Explosionen gehört und Beschuss." Bei einem Angriff seien 20 Menschen gestorben. "Es ist seltsam, dass die israelische Armee die Leute auffordert, in den Süden zu kommen, und dann greifen sie hier an", sagt er.

Er hat mehr als vier Kriege in Gaza erlebt. "Dieses Mal ist es anders. Früher hat die israelische Armee die Leute gewarnt, bevor sie angegriffen hat. Jetzt gibt es keine Warnung mehr." Das Ausmaß der Zerstörung sei überall riesig, sagt er. 

Leichensäcke stapeln sich vor Krankenhaus

Währenddessen beschließt Ameera Harouda zunächst in ihrer Wohnung in Gaza-Stadt zu bleiben. Sie übersetzt für die ARD, organisiert Interviews. Die kleine Frau ist hart im Nehmen, so schnell bringt sie nichts aus der Ruhe. Doch auf dem Weg zum Shifa Krankenhaus - das größte in Gaza - verliert sie die Fassung. "Wir waren auf dem Weg zu dem Teil, wo die Toten gelagert werden. Es sind so viele Leichen hier. Sie stammen aus den Ruinen der Häuser, die zerbombt wurden. Einige davon sind Babys." Während sie erzählt, muss sie weinen. "Sie haben die Häuser ohne Vorwarnung angegriffen."

Das Leichenschauhaus des Krankenhauses könne nur 30 Tote zur gleichen Zeit aufnehmen. Harouda beschreibt, wie sich die Toten in Leichensäcken vor dem Krankenhaus stapeln - auf dem Parkplatz, in Zelten, auf der Straße.

Keine verlässlichen Zahlen

Im Krankenhaus befinden sich noch immer viele Patienten, sagt sie, trotz der Evakuierungsanordnung der israelischen Armee. Viele Familien mit Kindern in ihrer Nachbarschaft seien ebenfalls geblieben, die Häuser sind voll mit Menschen, sagt sie. "Ich habe Familien getroffen, die aus dem Süden zurückgekommen sind, weil sie die Bombardierungen dort mitbekommen haben. Auch die Mitte des Gazastreifens wird bombardiert und der Süden. Es gibt kein Wasser, keine Decken - die Menschen schlafen im Süden auf der Straße."

Es seien zu viele Flüchtlinge und es sei nicht sicher. "Wir hören von Bombardierungen im Norden, Süden, im Flüchtlingslager und in Gaza-Stadt. Es gibt keine verlässlichen Zahlen, wie viele Flüchtlinge bislang im Süden des Gazastreifens angekommen sind."

"Es gibt keinen sicheren Ort im Gazastreifen"

Auch in Gaza-Stadt im Norden irren Menschen umher, auf der Suche nach einer Bleibe, nach Essen und Wasser. Dennoch wollen sie nicht gehen. Eine aufgebrachte Frau namens Jawaher schickt diese Nachricht:

Ich weiß nicht, ob ich und meine Familie das überleben, ob wir nochmal einen Sonnenaufgang erleben. Wir sind nur Nummern und Ziele hier in Gaza. Es gibt keinen sicheren Ort im Gazastreifen, nicht mal in den Krankenhäusern. Sie haben auch Krankenhäuser angegriffen. In den Schulen befinden sich sehr viele Menschen. Die Situation ist unbeschreiblich.

Den Gesundheitsbehörden in Gaza zufolge seien allein in den vergangenen 24 Stunden 300 Menschen durch Luftangriffe gestorben, die meisten von ihnen sind Frauen und Kinder. 400.000 Menschen seien auf der Flucht und Tausende Gebäude zerstört worden.

Unterdessen geht der Raketenbeschuss der Hamas auf Israel weiter. Auch Israel fliegt weiter Luftangriffe. Die Angst und Verzweiflung der Menschen in Gaza wächst vor der erwarteten Bodenoffensive der israelischen Armee.

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