Svante Pääbo

Medizin-Nobelpreis Auszeichnung für Evolutionsforscher Pääbo

Stand: 03.10.2022 14:40 Uhr

Was macht uns einzigartig menschlich? Svante Pääbo hat dazu wegweisend geforscht, unter anderem sequenzierte er das Neandertaler-Genom. Für seine Arbeit erhält der in Leipzig forschende Schwede den Medizin-Nobelpreis.

Der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin geht in diesem Jahr an den in Leipzig forschenden Schweden Svante Pääbo für seine Erkenntnisse zur menschlichen Evolution. Das teilte das Karolinska-Institut mit.

Pääbo wird für seine Erkenntnisse zur menschlichen Evolution geehrt. Er ist Direktor und Wissenschaftliches Mitglied am Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie. Pääbo gilt als einer der meistzitierten Wissenschaftler der Gegenwart. Er wies unter anderem nach, dass DNA-Fragmente - also Erbgut - Hunderttausende Jahre überdauern können.

Bahnbrechende Forschungsergebnisse

1997 sequenzierte Pääbo als erster Forscher das Neandertaler-Genom. Ergebnis: Die DNA des Neandertalers unterscheidet sich deutlich von der heutiger Menschen. Damit hat die Wissenschaft Pääbo die Erkenntnis zu verdanken, dass der Neandertaler entgegen früherer Annahmen kein direkter Vorfahr des Menschen ist.

Seine Vergleiche des Neandertaler-Genoms mit dem Erbgut moderner Menschen ergaben, dass sie bei ihrem Zusammentreffen vor rund 50.000 Jahren gemeinsamen Nachwuchs gezeugt haben müssen - zu einem Zeitpunkt, als moderne Menschen Afrika verließen und nach Europa und Asien auswanderten. Die Folge: "Jeder von uns trägt etwa ein bis zwei Prozent vom Neandertaler in sich", sagt der Schwede.

Pääbo war es auch, der den sogenannten Denisova-Menschen entdeckte. Sein Team entschlüsselte 2012 das Genom aus einem Knochen, den es in der Denisova-Höhle im westsibirischen Altai-Gebirge gefunden hatte und entdeckte, dass er von einer bis dahin unbekannten Urmenschengruppe stammte. Die Denisova-Menschen waren entfernt mit den Neandertalern verwandt.

Neue Wissenschaftsdisziplin

Seine wegweisende Forschung habe zu der neuen wissenschaftlichen Disziplin der Paläogenomik geführt, hieß es zur Begründung des Nobelpreis-Komitees. Durch die Aufdeckung genetischer Unterschiede, die alle lebenden Menschen von ausgestorbenen Hominiden unterscheiden, lieferten seine Entdeckungen die Grundlage für die Erforschung dessen, was Menschen einzigartig menschlich mache.

Pääbo selbst beschreibt seine wissenschaftliche Herangehensweise wie folgt: "Wenn wir wissen wollen, was an unserem Erbgut exklusiv menschlich ist, dann sollten wir uns fragen: Welches sind die genetischen Veränderungen, die wir alle gemeinsam haben, nicht aber der Neandertaler?" Etwa 31.000 solcher Unterschiede gibt es. "Das Rezept der Menschwerdung muss in diesen Veränderungen verborgen sein."

Doch wie es aussieht, bleibt unklar: "Ich denke, dass wir mindestens noch zehn oder zwanzig Jahre lang damit beschäftigt sein werden, diese entscheidenden DNA-Unterschiede zu identifizieren, die uns einzigartig machen", glaubt der Wissenschaftler. Dabei könnte auch geklärt werden, warum moderne Menschen eine komplexe Kultur und Technik entwickelten, die ihnen ermöglichten, fast die ganze Welt zu kolonisieren.

"Die Neandertaler haben in Hunderttausenden Jahren ihr Steinwerkzeug kaum weiterentwickelt. Sie hatten wohl auch kein Interesse daran, Höhlenwände zu bemalen. Und sie haben nie das Meer überquert", sagt Pääbo. Der moderne Mensch dagegen besiedelte innerhalb von nur 65.000 Jahren jede Insel im Pazifik.

"Überwältigt, sprachlos und sehr froh"

Pääbo sei am Telefon "überwältigt, sprachlos und sehr froh" gewesen, berichtete der Sekretär der Nobelversammlung des Stockholmer Karolinska-Instituts, Thomas Perlmann, bei der Bekanntgabe. Pääbo habe gefragt, ob er jemandem vor der Verkündung von der Auszeichnung erzählen dürfe. Er habe ihm dann gesagt, dass es in Ordnung sei, seiner Ehefrau davon zu berichten, sagte Perlmann.

Der diesjährige Medizin-Nobelpreisträger ist der Sohn eines früheren Nobelpreisträgers in derselben Kategorie: Pääbos Vater ist Sune Bergström, der 1982 gemeinsam mit zwei weiteren Forschern für "Entdeckungen in Bezug auf Prostaglandine und verwandte biologisch aktive Substanzen" mit dem Medizin-Nobelpreis ausgezeichnet worden war.

Wenn der Nobelpreis in der Familie bleibt

Es passiert gelegentlich, dass verwandte Forscher mit Nobelpreisen ausgezeichnet werden. Berühmtestes Beispiel ist die Familie Curie: Marie Curie wurde sowohl der Physik-Nobelpreis 1903 als auch derjenige in Chemie acht Jahre später zugesprochen. Den Physik-Preis erhielten mit ihr zwei weitere Forscher, darunter ihr Ehemann Pierre Curie. Später wurde auch ihre gemeinsame Tochter Irène Joliot-Curie mit dem Nobelpreis geehrt - sie bekam den Chemie-Nobelpreis 1935 wiederum gemeinsam mit ihrem Mann Frédéric Joliot.

Es gibt auch eine deutsche Forscherfamilie, die zwei Nobelpreisträger in ihren Reihen hat: Im vergangenen Jahr gewann Benjamin List den Chemie-Nobelpreis. Er ist der Neffe von Christiane Nüsslein-Volhard, der ersten und bislang einzigen deutschen Frau, die den Medizin-Nobelpreis erhielt - das war 1995.

Mit zehn Millionen Kronen dotiert

Die bedeutendste Auszeichnung für Mediziner ist in diesem Jahr mit zehn Millionen schwedischen Kronen (rund 920.000 Euro) dotiert. Seit 1901 haben 224 Menschen den Medizin-Nobelpreis erhalten, darunter lediglich zwölf Frauen. Der erste ging an den deutschen Bakteriologen Emil Adolf von Behring für die Entdeckung einer Therapie gegen Diphtherie.

Im vergangenen Jahr bekamen David Julius (USA) und der im Libanon geborene Forscher Ardem Patapoutian den Preis. Die beiden haben Zellrezeptoren entdeckt, über die Menschen Temperaturen und Berührungen wahrnehmen.

Vergabe am 10. Dezember

Mit dem Medizin-Preis startete der Nobelpreis-Reigen. Am Dienstag und Mittwoch werden die Träger des Physik- und des Chemie-Preises benannt. Am Donnerstag und Freitag folgen die Bekanntgaben für den Literatur- und den Friedensnobelpreis. Die Reihe endet am kommenden Montag mit dem von der schwedischen Reichsbank gestifteten sogenannten Wirtschafts-Nobelpreis.

Die feierliche Vergabe aller Auszeichnungen findet traditionsgemäß am 10. Dezember statt, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel. Bereits am vergangenen Donnerstag waren die Träger der diesjährigen Alternativen Nobelpreise von der Right Livelihood Stiftung bekanntgegeben worden.

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