Ein Arzt untersucht im Olgahospital des Klinikums Stuttgart ein Kind.

Long Covid Wie die Versorgung von Kindern verbessert werden soll

Stand: 24.10.2023 11:01 Uhr

Ein Modellprojekt in Baden-Württemberg will die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Long Covid verbessern. Noch gibt es viele offene Forschungsfragen - eine Herausforderung für Betroffene und Fachleute.

Von Veronika Simon, SWR

Wenn Long Covid Kinder oder Jugendliche trifft, kann das erhebliche Folgen haben. Manche sind so erschöpft und eingeschränkt, dass sie über längere Zeit nicht mehr in die Schule gehen können.

Dass Kinder und Jugendliche auch Wochen oder Monate nach einer Covid-Infektion noch Symptome haben, ist aber glücklicherweise eher selten, sagt Roland Elling von der Abteilung für Pädiatrische Infektiologie und Rheumatologie an der Uniklinik Freiburg im SWR. "Ich würde sagen, dass weniger als ein Prozent aller Kinder und Jugendlichen, die diese Infektion erleiden, später ein Long-Covid-Syndrom bekommen. Wie viele im Moment aber ganz genau betroffen sind, ist wirklich schwierig zu sagen."

Dass die Erkrankung nicht in allen Studien gleich definiert werde, macht die exakte Erfassung schwierig - auch bei Erwachsenen. Einige Fachleute gehen daher davon aus, dass die aktuell kursierenden Fallzahlen zu hoch geschätzt werden.

Nachweis der Erkrankung schwierig

Roland Elling von der Uniklinik Freiburg leitet das Modellprojekt "MOVE-COVID" in Baden-Württemberg. Hierfür haben sich die vier Universitätskliniken des Landes in Freiburg, Ulm, Heidelberg und Tübingen zusammengeschlossen. Ziel des Projekts ist es, die Versorgung der betroffenen Kinder und Jugendlichen zu verbessern und zu erforschen, wie die Diagnose in Zukunft besser gestellt werden kann.

"Es gibt nach wie vor keinen Labor-Marker oder anderen Test, mit dem man Long Covid nachweisen kann", so Elling. "Deshalb versuchen wir es in einem Teil des Projekts über den Aufbau eines Patientenregisters zu schaffen, Blut- und andere Gewebeproben von diesen Patienten zu sammeln, um mehr Hinweise zu erhalten. Und um besser zu verstehen, wie diese Erkrankung funktioniert."

"Nicht andere Diagnosen übersehen"

Aktuell erfassen die behandelnden Ärztinnen und Ärzte bei einem Verdacht auf Long Covid die Symptome der Betroffenen und schließen daraufhin alle anderen möglichen Diagnosen aus. "Man muss bei diesen Patienten immer wahnsinnig aufpassen, dass man nicht andere Diagnosen übersieht, die den Symptomen zugrunde liegen", so Elling.

Dabei gibt es viel zu beachten, denn Long Covid kann sich sehr unterschiedlich zeigen. "Die meisten Patientinnen und Patienten haben im weitesten Sinne Beschwerden, die mit dem zentralen Nervensystem und der Funktion des Gehirns zusammenhängen", erklärt der Kinderinfektiologe Elling. Ein sehr häufiges Symptom sei die sogenannte Fatigue. Diese krankhafte Erschöpfung kann sehr belastend sein, die Betroffenen sind teils nicht mehr in der Lage, ihren Alltag zu meistern oder in die Schule zu gehen. Häufig verschlimmern sich die Symptome nach einer Anstrengung stark.

Häufige Symptome sind laut einem Konsensuspapier der Deutschen Gesellschaft für Kinder und Jugendmedizin auch ein langanhaltender Husten und Atemnot, Herzrasen, Schmerzen in der Brust sowie Muskel- und Gelenkschmerzen.

Stigmatisierungen abbauen

Ein Hauptziel des Projekts in Baden-Württemberg ist es, die Versorgung der Erkrankten zu verbessern. Dabei sind vor allem Jugendliche betroffen, so Elling: "Es ist mit absoluter Mehrheit eine Erkrankung der zweiten Lebensdekade. Kleinkinder und Grundschulkinder sind zum Glück noch viel seltener betroffen."

Doch die Versorgung von Jugendlichen habe andere Herausforderungen als die von Erwachsenen, so Elling. Dafür brauche es spezielle Programme. "Wir haben einige Patientinnen und Patienten, die sehr lange überhaupt nicht mehr in der die Lage sind, an der Schule teilzunehmen. Und das ist natürlich eine dramatische Einschränkung für die Kinder und Jugendlichen."

Der erste Schritt sei, den Patienten zu vermitteln, dass diese Erkrankung echt sei. "Es geht darum, mögliche Stigmatisierungen abzubauen und auch in den Dialog zu gehen - mit Angehörigen, mit Eltern, mit Schulen, um für Verständnis für diese Erkrankung zu werben und dann gemeinsam Wege zu entwickeln, wie sie langsam wieder ins Leben zurückfinden können."

Sprechstunde per Videocall

Es sei wichtig, mit den Patientinnen und Patienten in Kontakt zu bleiben, damit sie gut versorgt werden können. In manchen besonders schweren Fällen gehe das aber nicht über "normale" Termine in den Unikliniken, daher arbeite man auch über Telefon- und Videosprechstunden, um beispielsweise bettlägerige Kinder und Jugendliche zu erreichen.

Zusätzlich solle es Schulungen für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte geben. Insgesamt sind noch viele Fragen rund um Long Covid offen - das gilt für erkrankte Kinder und Erwachsene.

Auch zur Frage der Ursache werden noch verschiedene Erkläransätze diskutiert. Möglicherweise hat das Coronavirus während der Infektion Organe geschädigt oder einige Virusbestandteile verbleiben auch nach der eigentlichen Infektion im Körper und lösen eine fortdauernde Immunreaktion aus. Auch Prozesse, bei denen sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper wendet, werden untersucht.

Zielgerichtete Therapie entwickeln

Dass es später einmal eine einheitliche Therapie gegen Long Covid geben wird, bezweifelt der Experte aus Freiburg: "Ich glaube, dass das eine insgesamt heterogene Mischung verschiedener Krankheitsbilder ist. Und deswegen kann es auch nicht das Ziel sein, die eine Ursache für Long Covid zu finden." Aus seiner Sicht ist es wichtig zu versuchen, die einzelnen Krankheitsbilder und Symptome besser zu verstehen. Nur dann könne man in Zukunft hoffentlich eine zielgerichtete Therapie anbieten.

So belastend die Erkrankung für die Patientinnen und Patienten und deren Umfeld ist - der Kinderinfektiologe Elling kann zumindest teilweise Hoffnung machen: Gerade das Gehirn von Jugendlichen sei sehr anpassungsfähig und formbar. Außerdem bestünden häufig weniger körperliche Begleiterkrankungen. Das mache viel aus, so Elling: "Daher haben wir auch viele Patienten, die schwer betroffen waren, bei denen man wirklich sieht, dass sie sich deutlich bessern."

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