Julia Radzwill lässt sich Blut abnhemen.

Studie zu Corona-Spätfolgen Long Covid verstehen - und besser behandeln

Stand: 12.08.2022 17:48 Uhr

Noch immer sind die Ursachen für Spätfolgen von Corona unbekannt, da nicht klar ist, welche Symptome durch die Infektion verursacht werden und welche nicht. Eine Langzeitstudie in Nordrhein-Westfalen soll das jetzt klären.

Julia Radzwill lässt sich gerade in der Post-Covid-Ambulanz der Uniklinik Köln geduldig Blut abnehmen. Die 38-jährige Biologin hat schon zwei Infektionen hinter sich, war schon zuvor zweimal geimpft. Bei der ersten Infektion im Oktober 2021 habe es sie richtig erwischt, sagt sie. Zwei Monate litt sie danach unter einer starken Erschöpfung. Arbeiten konnte sie nur mit Pausen. Und wenn sie sich mal abends für zwei Stunden verabredet hatte, "dann habe ich mich am nächsten Tag gefühlt, als ob ich einen Marathon gelaufen bin", so Radzwill. Nach der zweiten Infektion war es zwar besser, aber so fit wie vor Corona ist sie noch immer nicht.

Jetzt ist sie eine von 2000 Teilnehmerinnen und -teilnehmern der "Beyond Covid-19"-Studie, an der alle großen Unikliniken in Nordrhein-Westfalen beteiligt sind. Julia Radziwill wurde vom Kölner Gesundheitsamt angeschrieben. Jetzt werden bei ihr alle drei Monate unter anderem Herz, Organe, Geruchs- und Geschmackssinn und Lunge untersucht. "Mir geht es darum, dass die Krankheit besser verstanden wird", sagt die 38-Jährige.

Viele Studien, wenig Erkenntnisse

Genau das sei bisher das Problem, bestätigt Clara Lehmann, die für den Studienteil in Köln zuständig ist und an der Uniklinik die Post-Covid-Ambulanz leitet. Bisher gäbe es viele Beobachtungen und Hypothesen, aber wenig wissenschaftliche Studien, die fundierte Erkenntnisse über die Ursachen liefern. Das fängt schon bei der Frage an, welche Symptome sind tatsächlich auf eine Infektion mit SARS-CoV2 zurückzuführen? Welche sind biologisch begründet und welche sind auf psychosoziale Stressfaktoren im Zusammenhang mit der Pandemie zurückzuführen?

Die Beschwerden bei Long Covid können sehr unterschiedlich ausfallen: "Die einen haben Herzbeschwerden, die anderen leiden unter Konzentrationsbeschwerde, andere wiederum haben muskuläre Beschwerden, so dass sie keine Kraft mehr haben", so die Infektiologin. Aber selbst bei anhaltenden Atembeschwerden gab es bisher keine eindeutig medizinische Erklärung dafür, da Lungenfunktionstests oft nichts nachweisen konnten.

Mittlerweile verfolge man unter anderem die Hypothese, dass die Ursache nicht in der Lunge selbst, sondern in der Atemmuskulatur liegen könnte. Durch eine Überreaktion des Immunsystems bildet der Körper Autoantikörper, die möglicherweise Botenstoffe oder Zelloberflächenproteine befallen, die die Steuerung des autonomen Nervensystems oder die Atemmuskulatur beeinflussen. In anderen Fällen könnte es auch das Gehirn sein. Aber für diese These fehlen noch genauere Erkenntnisse. Und eine weitere Hypothese ist, dass verbleibende Virusbestandteile im Darm zu einer anhaltenden Immunaktivierung führen könnten.

Kontrollgruppen sollen mehr Klarheit schaffen

Aber für diese Thesen fehlen noch die Erkenntnisse. In den bisherigen Studien gab es selten Kontrollgruppen, die nicht oder nur leicht erkrankt waren, sagt Björn Jensen von der Uniklinik Düsseldorf, der die Studie landesweit koordiniert. Das könnte die Langzeitstudie in NRW nun leisten, da sie die Daten der "Nationalen Kohorte" miteinbezieht. Diese geht grundsätzlich der Frage nach, warum der eine krank wird und der andere gesund bleibt - genau das will auch die Studie in NRW in Bezug auf Long Covid klären.

Dabei beziehen die Wissenschaftler bewusst psychische Beschwerden mit ein. "In einem großen Teil der Fragebögen versuchen wir das subjektive Empfinden der Menschen aufzugreifen", so Jensen, also inwiefern Menschen durch die Erkrankung Lebensfreude verloren haben oder Depressionen durchgemacht haben. "Wir versuchen auch mit Hilfe der Kontrollgruppe herauszufinden, was ist durch die Pandemiemaßnahmen entstanden ist und was wurde direkt durch die Viruserkrankung Covid-19 ausgelöst." In drei Jahren könnten dazu die Ergebnisse vorliegen.

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