Ein Mann läuft zwischen herbstlich verfärbten Bäumen entlang.

Welt-Aids-Tag Leben mit HIV

Stand: 01.12.2024 08:57 Uhr

Wer sich heute mit HIV infiziert, kann mit der richtigen Therapie ein ganz normales Leben führen, inklusive Sexualität und Familie. Auch die Lebenserwartung unterscheidet sich kaum von der Nicht-Infizierter.

Von David Beck, SWR

Die Zahl der mit HIV-infizierten Menschen in Deutschland steigt. Aber: In der Nachricht steckt auch etwas Positives. Denn das liegt daran, dass Menschen mit HIV nicht mehr an den Folgen der Infektion sterben. Zwar infizieren sich noch Menschen mit dem Virus, wird es aber rechtzeitig diagnostiziert und behandelt, unterscheidet sich die Lebenserwartung kaum mehr von der nicht-infizierter Menschen.

"Man lebt gesund, obwohl man das Virus in sich trägt", sagt Holger Wicht, Pressesprecher der Deutschen Aidshilfe. Ist die Therapie richtig eingestellt, dann ist das Virus in der Regel im Blut nicht mehr nachweisbar.

Das bedeutet zwar keine Heilung, die Medikamente müssen ein Leben lang genommen werden - aber trotzdem sind ein normaler Alltag und ein normales Leben möglich. Das bedeutet auch eine normale Sexualität und Familienplanung. Denn: Große Studien konnten nachweisen, dass das Virus nicht mehr sexuell übertragbar ist, wenn keine Viren mehr im Blut gefunden werden können. Schon 2018 leitete sich aus diesen Ergebnissen der Slogan "undetectable = untransmittable" ab, also: nicht nachweisbar heißt nicht übertragbar.

Kondome bieten trotzdem noch Schutz

Auch wenn von HIV heute nicht mehr die gleiche Gefahr ausgeht wie in den 80er- und 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts, schützen Kondome immer noch davor. Vor allem, wenn man sich seines eigenen HIV-Status oder dem seiner Sexualpartner nicht sicher ist.

Die Zahlen anderer sexuell übertragbarer Infektionen, wie Syphilis oder Hepatitis B, nehmen seit Jahrzehnten weltweit zu - und auch in Deutschland steigen die Zahlen. Auch vor davor schützen Kondome.

Vor allem Menschen, die regelmäßig Risikokontakte haben, sollten sich immer wieder auf HIV testen lassen. Etwa durch wechselnde Sexualpartner, Männer, die Sex mit Männern haben oder Menschen, die intravenös Drogen nehmen.

Therapie gut verträglich

Das HI-Virus nutzt Körperzellen, um neue Viren zu produzieren. Dazu baut es zunächst sein Genom in das einer infizierten Zelle ein. Da das gerade am Anfang einer Infektion, solange diese noch unentdeckt ist, ungehindert passiert, ist es später kaum möglich, alle infizierten Zellen aufzuspüren und abzutöten. Deswegen ist HIV nicht heilbar.

Aber heutige Medikamente unterdrücken zuverlässig die Produktion der Viren. So bleibt zwar die Möglichkeit erhalten, dass sich das Virus wieder vermehrt, sollte aus irgendeinem Grund die Therapie abgebrochen werden. Aber solange die Medikamente regelmäßig genommen werden, kann sich das Virus im Körper nicht ausbreiten.

Die Medikamente sind in der Regel auch gut verträglich. Häufig werden Kombinationspräparate eingesetzt, und es reicht, eine Tablette am Tag zu nehmen. Etwa vierteljährlich sollte eine Kontrolluntersuchung stattfinden.

Es gibt (k)eine Impfung oder Heilung

Viele Forschende suchen ständig weiter nach Möglichkeiten, HIV zu behandeln. Als heiliger Grahl der Aids-Forschung gilt, entweder eine Heilung zu finden oder eine Impfung.

Beides gibt es praktisch noch nicht. In den vergangenen Jahren machte die Heilung von mehreren Patienten immer wieder Schlagzeilen. Dabei handelte es sich allerdings um Menschen, die neben HIV noch andere Krankheiten hatten, etwa eine Leukämie.

Um diese zu behandeln, kann es notwendig werden, das eigene Immunsystem praktisch völlig zu zerstören. Da sich das HI-Virus hier einnistet, kann das dazu führen, dass es völlig aus dem Körper entfernt wird. So eine Behandlung ist aber sehr gefährlich, und da HIV heute so gut behandelbar ist, lohnt sich das Risiko für die allermeisten Patienten nicht.

Medikamente können Infektion verhindern

Für Menschen, die sich vor HIV schützen möchten, gibt es die sogenannte Präexpositionsprophylaxe oder Prep. Dabei werden HIV-Medikamente eingenommen, bevor es zu einem möglichen Risikokontakt kommt, um eine Infektion zu verhindern.

Ein sehr vielversprechendes Präparat ist Lenacapavir, dass allerdings noch nicht für diesen Zweck zugelassen ist. Es muss nur zweimal im Jahr gespritzt werden, um vor HIV zu schützen. Strenggenommen ist das keine Impfung, aber es hat einen ähnlichen Effekt.

Zahlen zu HIV/Aids in Deutschland
In Deutschland lebten Ende 2023 etwa 96.700 Menschen mit HIV.
Rund 87.600 Menschen nahmen HIV-Medikamente.
Ungefähr 2.200 Menschen infizierten sich im Jahr 2023 neu.
1.200 Menschen erhielten 2023 ihre Diagnose erst, nachdem sie bereits schwer erkrankt waren.
8.200 Menschen mit HIV wussten 2023 nach Hochrechnungen nichts von ihrer Infektion.

Quellen:
Epidemiologisches Bulletin des Robert Koch-Instituts
Überblick für Deutschland und die Bundesländer
Deutsche Aidshilfe

Gesellschaft hinkt noch hinterher

Auch wenn aus medizinischer Sicht heute ein normales Leben mit HIV möglich ist, erleben Infizierte immer wieder Diskriminierungen, Vorurteile und Ausgrenzung. Dabei geht im normalen Zusammenleben keine Gefahr von ihnen aus.

"Und das klingt auch schon wieder fast zu dramatisch", sagt Holger Wicht von der Deutschen Aidshilfe. "Menschen mit und ohne HIV können einfach zusammenleben, ohne da weiter groß drüber nachzudenken [und müssen sich] wirklich vor nichts fürchten."

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