Die neu gewählte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird in Straßburg fotografiert.
Kommentar

Wahl von der Leyens Ein guter Anfang

Stand: 16.07.2019 22:19 Uhr

Ursula von der Leyen redet Klartext. Das ist ihr Potenzial, meint Holger Beckmann. Als EU-Kommissionspräsidentin könnte sie Europa wirklich Gesicht und Stimme geben - auf ihre Art.

Ursula von der Leyen hat es geschafft. Knapp zwar, aber danach fragt niemand mehr, wenn sie im November Jean-Claude Juncker an der Spitze der EU-Kommission ablösen wird. Sie ist die erste Frau in diesem Amt, eine Deutsche. Das ist in jeder Hinsicht neu.

Bis kurz vor der Abstimmung hatte es bei vielen Europaparlamentariern massive Bedenken gegen von der Leyens Nominierung gegeben. Vor allem die Sozialdemokraten aus Deutschland blieben bis zum Schluss bei ihrem Nein, die Grünen und die Linken auch. Aber dieses Nein wird verhallen. Denn eins ist klar: Von der Leyen hat bis jetzt vieles ziemlich richtig gemacht.

Werte der Europäer

Das gilt vor allem für ihren Auftritt im Europaparlament, weil sie da über Europa und zu Europa sagte, was eine Mehrheit der Abgeordneten in Straßburg unterschreiben konnte. Zum Beispiel, dass sie Europa zum ersten tatsächlich klimaneutralen Kontinent auf diesem Globus machen möchte, dass sie für einen europaweiten Mindestlohn sorgen will, für Geschlechterparität an den Schaltstellen der europäischen Macht und dafür, dass Europa seinen Werten verpflichtet bleibt - wozu auch gehört, dass man Menschen im Mittelmeer nicht ertrinken lässt, sondern für ihre Rettung sorgt.

Leidenschaft für Europa

Von der Leyen verknüpfte diese inhaltlichen Punkte mit Aussagen, die ihre Leidenschaft für Europa illustrierten. Sie erwähnte in dem Zusammenhang auch wieder ihre Kindheit in Brüssel und sagte, das friedliche und sich einende Europa sei in ihrem gesamten politischen Leben bisher immer ihr zentraler Kompass gewesen. Sie machte das auf eine Weise, die für viele im Europaparlament glaubwürdig war. Viele hätten ihr das so nicht zugetraut.

Sie redet Klartext

Man darf also sagen, die bisherige Verteidigungsministerin der Bundesrepublik Deutschland hat in Straßburg getan, was sie konnte. Wenn nun manche bemängeln, es fehlte in ihrer Rede an Leichtigkeit, an dosiert gesetzter Selbstironie, vielleicht auch an Witz, dann stimmt das. Aber von der Leyen braucht das nicht. Ihre Stärken liegen woanders. Sie redet Klartext, das ist nicht immer schön, aber: Das ist ihr Potenzial - in Europa und auf der Weltbühne.

Sicher, das wird nicht jedem gefallen. Und ja: Sie war keine Spitzenkandidatin. Aber zurückgeschaut worden ist nun genug. Von der Leyen hat gezeigt: Sie ist ganz sicher nicht falsch an der Spitze der EU-Kommission, im Gegenteil. Offenbar kann sie Europa wirklich Gesicht und Stimme geben - auf ihre Art und mehrsprachig. Das überrascht vielleicht, aber es ist ein guter Anfang.

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