Olaf Scholz
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Streit um "Taurus"-Lieferung Es braucht keine 83 Millionen Verteidigungsminister

Stand: 14.03.2024 14:04 Uhr

Jeder Bürger in Deutschland hat das Recht, zu erfahren, warum wir der Ukraine helfen. Doch in Fragen von Krieg und Frieden braucht es keine 83 Millionen Verteidigungsminister. Und keine Talkshow-Wirklichkeit.

Ein Kommentar von Georg Schwarte, ARD-Hauptstadtstudio

Er will es nicht. Er ist der Kanzler und deshalb gilt das. Olaf Scholz hat seine Gründe genannt. Sicher, verscholzt formuliert hat er es getan - wie meistens. Er hat lange geschwiegen und sich treiben lassen. Er hat ausgerechnet vor einer Schülergruppe sein Basta formuliert.

Gestern dann hat Scholz sogar seinen Amtseid in die Waagschale geworfen. Wie viele verzweifelte Bastas eines Bundeskanzlers braucht diese Republik, diese Ampel und vor allem diese Opposition noch, um einzusehen: Wir alle haben uns fürchterlich verrannt.

Eine Woche Talkshow-Wirklichkeit

Klar ist: Jede Bürgerin, jeder Bürger hat das Recht, zu erfahren, warum wir der Ukraine helfen. Warum Deutschland jetzt Milliarden in eine Bundeswehr steckt, die keine einzige einsatzbereite Heeresbrigade hat.

Klar sollte aber auch sein: Bei Fragen von Krieg und Frieden, sicherheitsrelevanten Aspekten der Landes- und Bündnisverteidigung sollten wir kein Volk von 83 Millionen Verteidigungsministern sein, die plappernd alles wissen müssen und wissen dürfen.

In keinem europäischen Land, vermutlich in keinem anderen weltweit, reden Politik und Öffentlichkeit derart offen über Waffensysteme, über Lieferschwierigkeiten, über Fähigkeiten und vor allem Unfähigkeiten der eigenen Armee.

Sollte Putin ernsthaft nicht wissen, was der "Taurus" kann, reicht eine Woche deutscher Talkshow-Wirklichkeit, um auf den Stand zu kommen. Da sitzen sie alle, die Röttgens, Masalas, die Strack-Zimmermanns und Hofreiters, die Versteher und Experten, und führen den vermeintlichen Zauderkünstler Scholz vor. Reden über Reichweiten, Programmierung und "Taurus"-Sprengkraft. Und vergessen die Sprengkraft derartiger Transparenz.

Scholz ist kein Friedenskanzler

Seit Kriegsbeginn in der Ukraine spielt nirgendwo sonst die Öffentlichkeit ein solches Waffenquartett. Jeder Schützenpanzer, jeder Raketenwerfer ist Thema. "Marder". "Gepard". Dann "Leopard", jetzt "Taurus". Der "Eurofighter" dürfte als nächstes dran sein. Befeuert von einer Opposition, die staatspolitische Verantwortung dem kleinsten politischen Geländegewinn opfert. Motto: Wir tun das doch alles nur, weil uns die Ukraine so am Herzen liegt. Wirklich?

Es brauchte eigentlich gar kein abgehörtes Gespräch hochrangiger Offiziere. Alle dort geäußerten Informationen waren Dank öffentlicher Geschwätzigkeit längst bekannt.

Jeder darf das Nein des Kanzlers für falsch halten. Jeder hat das Recht auf seine Meinung. Vermutlich niemand - der meist selbstgewisse Kanzler vielleicht ausgenommen - würde die Kommunikation des Kanzleramtes auch in der "Taurus"-Frage für brillant halten.

Aber den auch in der Ampel mit sicher noblen Gründen geführten Streit über das wie, wann und ob weiterer Ukraine-Hilfen dafür zu benutzen, um genussvoll einen Keil ins Regierungslager zu rammen, ist fahrlässig. Scholz ist kein Friedenskanzler. Er ist Bundeskanzler. Und der braucht strategischen Freiraum. Ihm den nehmen zu wollen, freut am Ende vor allem einen: den Kriegsverbrecher Putin.

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