Ein Mann pflegt einen Angehörigen.
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Pflegereform beschlossen Mogelpackung, unzureichend, zu spät

Stand: 26.05.2023 20:10 Uhr

Die Pflegereform hilft Familienangehörigen nur wenig. Auch wenn sie etwas entlastet werden - die Pflegebedürftigen werden an anderer Stelle wieder belastet. Der Druck auf die Regierung wird zunehmen.

Ein Kommentar von Oliver Sallet, ARD-Hauptstadtstudio

Ein großer Wurf sollte die Pflegereform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach werden. Doch die Reform ist eine Mogelpackung und hilft Pflegefällen und ihren Familien nur wenig. Für die etwa fünf Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland, von denen 80 Prozent von Angehörigen zu Hause versorgt werden, ist sie unzureichend und kommt zu spät.  

Vor allem den pflegenden Familienangehörigen sollte mit der Reform geholfen werden, sie schultern durch ihr Engagement eine gesellschaftliche Aufgabe, sind rund um die Uhr verfügbar und bekommen kaum eine Pause.  

Die sollen sie nun zwar endlich bekommen, durch das so genannte Entlastungsbudget: 3539 Euro für die Urlaubsvertretung. Das war dringend nötig. Doch während die Familienangehörigen entlastet werden, werden die Pflegebedürftigen an anderer Stelle wieder belastet, denn irgendwo muss das Geld für die Entlastung ja herkommen.  

So sollen etwa die Beiträge zur Pflegeversicherung erhöht werden. Noch dazu wird das Pflegegeld weniger stark erhöht als zunächst geplant. Schwer zu akzeptieren für pflegende Familienangehörige in Zeiten galoppierender Inflation, die auch vor dem täglichen Bedarf in der Pflege keinen Halt macht.  

Pflegegeld gleicht Kaufkraftverlust nicht aus

Zudem wurde das Pflegegeld seit 2017 nicht mehr angehoben - besser spät als nie, könnte man jetzt sagen. Aber die Preissteigerung in Deutschland liegt seitdem bei etwa 16 Prozent. Die Erhöhung des Pflegegelds mag Linderung bringen - den Kaufkraftverlust gleicht sie bei weitem nicht aus.

Sogar innerhalb der Ampel wird die Reform hinter vorgehaltener Hand kritisch beäugt, man hätte sich mehr gewünscht, sagen einige wohlwissend, dass Lauterbachs "Reförmchen" in dieser Form wohl nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist.  

Es bleibt also viel zu tun für diese oder vielleicht die nächste Bundesregierung. Und der Druck wird tatsächlich sogar noch zunehmen. Die geburtenstarken Jahrgänge gehen bald in Rente, sie werden riesige Lücken im Sozialsystem hinterlassen.  

Gleichzeitig soll die Zahl der Pflegebedürftigen weiter steigen, Schätzungen zufolge auf fast sieben Millionen bis 2055. Deutschland steht vor einer gewaltigen Aufgabe.  

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