Annalena Baerbock, Abu Mohammed al-Golani und Jean-Noel Barrot
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Baerbock in Syrien Gesprächspartner kann man sich nicht aussuchen

Stand: 03.01.2025 16:23 Uhr

Außenministerin Baerbock ist nach Syrien gereist. Gemeinsam mit ihrem französischen Kollegen spricht sie dort mit den neuen Machthabern - also mit Islamisten. Ein richtiger Schritt.

Ein Kommentar von Gabor Halasz, ARD-Hauptstadtstudio

Der Diktator Baschar al-Assad ist endlich weg. Einer, der Menschen quälen ließ. Der Giftgas gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt haben soll. Vor vier Wochen kam diese wirklich gute Nachricht, die Hoffnung macht.

Es wäre so wichtig, dass diese Hoffnung nicht enttäuscht wird. Vor allem für die Menschen in Syrien, aber auch für die gesamte Region und für Europa. Deswegen ist es richtig, dass die Außenministerin nach Damaskus gereist ist.

Keine Berührungsängste

Aber zur Wahrheit gehört auch: Sie streckt die Hand aus in Richtung der HTS. Das sind Islamisten und die haben jetzt die Macht in Syrien. Ihre Wurzeln liegen im Terrorismus und sie müssen erstmal beweisen, wie glaubwürdig ihre Distanzierung von Al Kaida ist. Vorsicht ist geboten.

Mit Islamisten reden? Mit Rebellen, die auf der Terrorliste der Vereinten Nationen stehen? Die Außenministerin könnte es sich einfach machen und sagen: Das geht auf gar keinen Fall und wäre moralisch fein raus. Aber wäre es wirklich besser, nicht zu reden? Nein! Denn egal, wie klein die Hoffnung ist, sie ist da. Und wenn Deutschland oder die EU jetzt Türen zuschlagen, kommen andere. Russland und China haben da keine Berührungsängste.

Die neuen Machthaber in Syrien brauchen Europa: Anerkennung, Geld, Investitionen. Da muss Außenpolitik ansetzen und Bedingungen stellen. Die neue Regierung muss sich glaubhaft vom Terrorismus lossagen. Sie muss die Rechte der Frauen und die Rechte religiöser Minderheiten achten. Es braucht freie Wahlen - nicht erst irgendwann in vier Jahren.

Lehren aus Afghanistan

Auch wenn die Dinge in Afghanistan anders liegen und lagen und Vergleiche nicht einfach sind: Es gibt keine guten Gesprächskanäle zu den Taliban - aus moralischen Gründen. Mit fatalen Folgen: In drei Jahren haben die Islamisten das Land wieder in einen Gottesstaat verwandelt. Es haben sich die durchgesetzt, die besonders radikal sind. Frauen werden eingesperrt, Mädchen dürfen nicht mehr zu Schule. Das ist wahnsinnig bitter.

Es wäre wünschenswert gewesen, wenn deutsche Außenpolitik in Afghanistan anders agiert hätte. Nicht, dass die Ministerin nach Kabul fliegt. Aber: Warum ist die Botschaft immer noch geschlossen? Warum hat man nicht auch dort Hilfen an Bedingungen geknüpft?

Die deutsche Außenpolitik muss sich ehrlich machen. Anerkennen, dass man sich Gesprächspartner nicht aussuchen kann. Das heißt im Zweifel: Wenn es sein muss, auch mit Islamisten in Syrien zu reden, wenn es am Ende Frauen oder Minderheiten hilft. Niemand kann versprechen, dass das gut geht. Aber: Es nicht zu versuchen, wäre ein Fehler.

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