Olaf Scholz
Kommentar

Landtagswahl Niedersachsen Kein Grund zum Feiern in Berlin

Stand: 09.10.2022 22:00 Uhr

Die SPD in Niedersachsen hat nicht wegen, sondern trotz Scholz gewonnen. Der Bundeskanzler muss sich nun selbst an die Arbeit machen, um die Ampelkoalition winterfest zu machen.

Ein Kommentar von Sabine Henkel, ARD Berlin

Das war jetzt tatsächlich mal ein Wumms - für die SPD. Auch wenn das Abschneiden in Niedersachsen ein "Weil-Wumms" war - und keineswegs ein "Scholz-Wumms".

Der Wahlsieg gehört Stephan Weil und nicht Olaf Scholz - auch wenn der Bundeskanzler und seine Getreuen das gern so sehen wollen. Nur hat die SPD in Hannover nicht wegen Scholz gewonnen, sondern trotz Scholz: die Ukraine halbherzig unterstützt, die Energiekrise schlecht gemanagt, die Ampel schwach geführt. Das war kein Rücken- sondern Gegenwind. Weil hat Stand gehalten. Es ist legitim, dass Scholz seinen Parteifreund feiert, er muss sich selbst aber nun schnell an die Arbeit machen und seine Ampel winterfest machen. Es gibt viel zu tun.

"Doppel-Wumms" macht keine warmen Wohnzimmer

Bürgerinnen und Bürger sind unzufrieden, machen sich Sorgen wegen Putins atomarer Unberechenbarkeit und weil sie nicht wissen, ob sie gut durch den Winter kommen. Ein angekündigter "Doppel-Wumms" macht schließlich noch keine warmen Wohnzimmer. Warme Worte sind leider auch Mangelware - Scholz regiert scholzig, unnahbar und reichlich unbeholfen.

Die Folge ist dramatisch: Die AfD blüht auf. Unzufriedene Leute laufen zu den Rechtsradikalen über, die keine eigenen Konzepte haben, sondern schlicht Angst und Hetze schüren. Es ist die Aufgabe des Bundeskanzlers und seiner Ampelfreunde, sie aufzuhalten. Die Union schafft es nämlich nicht, die Ampel-Unzufriedenen aufzufangen. CDU-Chef Friedrich Merz versucht es mit rechtspopulistischen Parolen und fischt am rechten Rand - das fruchtet nicht, die AfD legt trotzdem zu. Umso mehr ist die Ampel gefordert.

Kein Ampel-Teambuilding, sondern Ego-Profilierung

Schluss mit der Kakophonie - nur eine Koalition, die zusammenhält, kann überzeugen. Stattdessen arbeiten sie dort gern mal gegeneinander und setzen auf die parteieigene Profilierung. Raus aus der Atomkraft, rein in die Atomkraft, Gasumlage ja, Gasumlage nein, Waffen für die Ukraine, ja bitte, nein danke. Ob das nach dieser Wahl besser wird? Es sieht nicht danach aus. Die frustrierte FDP hat schon angekündigt, ihr Profil schärfen zu wollen. Das klingt nicht nach Ampel-Teambuilding, sondern nach Ego-Profilierung. Erst die FDP, dann das Land. Und das in diesen Zeiten! Man glaubt es kaum.

In diesem ganzen Tohuwabohu geht eines unter: Ein erklärendes, mutmachendes Wort. Von Scholz nicht, von seinem Vize Robert Habeck nicht. Wenig bis nichts ist zu merken von einer politischen Führung, die Bürger und Bürgerinnen zusammenhalten will und kann. Ein ständiges "You’ll never walk alone" bringt nichts, wenn sich zu viele alleingelassen fühlen.

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