Computer-Arbeitsplatz
Kommentar

EU-Pläne für Digitalwirtschaft Politische Attrappe für Stammtische

Stand: 28.04.2018 15:43 Uhr

Das EU-Steuersystem muss an die Gegebenheiten der Industrie 4.0 angepasst werden. Die Pläne der EU-Kommission für eine Digitalsteuer sind aber nicht mehr als eine politische Attrappe.

Ein Kommentar von Samuel Jackisch, ARD-Studio Brüssel

Allein schon das Wort: "Digitalsteuer". Das ist rhetorisch so präzise wie eine Schrotflinte beim Mikado. Der Begriff soll "irgendwas mit Internet" suggerieren und mit US-Konzernen: Facebook, Apple Amazon - es wird schon die richtigen treffen. Diese ganzen Datenkraken und Milliardenkonzerne!

Das hat ordentlich Stammtischpotential: Alle, denen dieses ganze Internet ohnehin suspekt ist, besonders wenn es aus Amerika kommt, sollen glauben, die Europäische Kommission würde es Google und Co. jetzt mal so richtig zeigen, und den anglo-digitalen Golem besteuern bis er weint. Aber das ist nur heiße Luft.

Welche Wirtschaft ist nicht digital?

So etwas wie "digitale" Wirtschaft existiert nicht - weil es nämlich schon längst keine analoge mehr gibt. Die deutsche Industrie ist 4.0, nicht zuletzt dank staatlicher Subvention. Jeder Küchenhersteller entwickelt heute seine eigene App zur bequemen Kühlschrankfernsteuerung und sammelt Daten über unseren Joghurtverbrauch. Jeder Neuwagen ist ein fahrender Computer. Und auch die Herstellung von Backofen und Cabriolet läuft längst digital.

Zweitens: Der Protektionismus an der Sache ist zu kurz gegriffen. Facebook und Google mögen ihre Hauptquartiere in den USA haben. Sie verstehen sich selbst, denken und handeln aber als globale Konzerne. Ihre Suchmaschinen, Netzwerke und Plattformen sind gerade deshalb so erfolgreich, weil sie regionale und nationale Kategorien überwinden und Grenzen überschreiten. BMW und Miele tun genau dasselbe, nur so können sie am Weltmarkt bestehen. Diese Unternehmen regional zu besteuern, kann nicht funktionieren.

Vorgeschlagen, um zu scheitern

Der Vorschlag ist nicht mehr als eine politische Attrappe. Natürlich weiß die EU-Kommission, dass es multilateral kaum Kompliziertes zu verhandeln gibt als internationales Steuerrecht. Trotzdem formuliert sie einen populären, vermeintlich einfachen Vorschlag, genießt den Applaus, wohlwissend, dass die Mitgliedsstaaten ihrer nationalen Wirtschaft verpflichtet sind und bei der Umsetzung scheitern werden.  

Na klar ist es richtig, das Europas Steuersystem an die veränderte Welt anzupassen. Selbstverständlich haben Facebook & Co. gefälligst ihren Anteil zu leisten und ihre tatsächlichen Gewinne zu versteuern, statt sie trickreich auf die Bahamas zu verschieben. Gegen diesen Missstand helfen aber weder Protektionismus noch fortschrittfeindliche Ressentiments. Das ist politisch unredlich.

Besser jemanden fragen, der sich auskennt

Was genau vom Brüsseler Vorschlag zur Digital-Steuer übrig bleiben wird, verrät eine Tischvorlage der Bulgarischen Ratspräsidentschaft beim Treffen der Finanzminister in Sofia: Als Denkanstoß an die Minister steht dort wörtlich: "Sollten wir unsere Experten prüfen lassen, inwiefern es Verknüpfungen gibt, zwischen dem Kommissionsvorschlag einer Digital-Steuer und laufenden Verhandlungen der G20 und OECD?"

Auf deutsch: Sollten wir, statt mit der EU Schwarzer Peter zu spielen, die Reform globaler Steuermodelle vielleicht lieber jemandem überlassen, der sich damit auskennt, weil er bereits seit Jahren daran arbeitet? Ich halte das für eine hervorragende Idee.

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