Currywurst in einer Plastikschale
kommentar

Ernährungsstrategie Essen und essen lassen

Stand: 11.04.2024 18:33 Uhr

Warum führen wir in Deutschland eigentlich einen Kulturkampf um die Currywurst, fragt sich Georg Schwarte. Die Ernährungsstrategie der Regierung ist schließlich nur ein Angebot - und hätte ruhig viel schärfer ausfallen können.

Ein Kommentar von Georg Schwarte, ARD-Hauptstadtstudio

Beim Tempolimit und beim Essen verstehen wir offenbar keinen Spaß. Wenn eine rot-grün-gelbe Bundesregierung eine Ernährungsstrategie umsetzen will, steigt der kollektive Blutdruck wie sonst nur bei zu hohen Cholesterinwerten. Die übrigens ja durchaus etwas mit Ernährung zu tun haben.

Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker. Dafür braucht es nicht mal eine Bundesregierung, die sich jetzt um "Gutes Essen für Deutschland" bemüht. So heißt das Ganze nämlich.     

Keine Steuer auf zuckerhaltige Getränke

63 Milliarden Euro. Darauf belaufen sich pro Jahr die gesamtgesellschaftlichen Folgekosten von Fettleibigkeit in Deutschland. Jetzt bitte keine Schnappatmung: Das sind nur die Fakten, da muss man sich nicht gleich wieder aufregen.

Darauf - wer will - jetzt gerne eine Cola zur Beruhigung. Niemand verbietet das. Es gibt ja nicht einmal eine Limosteuer auf zuckerhaltige Getränke bei uns - wie übrigens seit 2018 sehr erfolgreich in Großbritannien. Wir glauben dagegen tapfer an die freiwillige Selbstverpflichtung der Brausehersteller. Es ist zum Totlachen.

Stichwort Zuckersteuer: Sechs EU-Länder haben so etwas. Sogar Frankreich. Man stelle sich vor, essen wie Gott in Frankreich - das geht auch mit Zuckersteuer. Das sind nur die Fakten.

Und darauf einen Schokoriegel. Den will auch niemand verbieten. Nicht heute. Und nicht in zehn Jahren. Freie Fahrt für freie Bürger - auch mit dem Einkaufswagen. Jeder kann weiter so schlechte Lebensmittel einkaufen, wie er will. So viel Zucker in sich reinstopfen. Jeden Tag zum Schnitzeltag machen. Und nur freitags gibt es Currywurst.

Nur ein Angebot - alles bleibt erlaubt

Mit anderen Worten: Die 52 Seiten Ernährungsstrategie sind nicht die zehn Gebote. Sie sind - leider - nur ein Angebot. Trotzdem sind 15 Prozent der Kinder übergewichtig. 8,5 Millionen Menschen sind hierzulande an Diabetes erkrankt. Sorry, sind nur die Fakten. Darauf - genau - jetzt gern ein paar Chips zum Entspannen.

Die Ernährungsstrategie - sie ist der klitzekleine Versuch, es denen, die es möchten, leichter zu machen, gesünder - und ja, auch besser - zu essen. Das Klima zu schützen und sich selbst auch. Kann man doof finden. Bleibt alles erlaubt.

Hätte ruhig viel schärfer ausfallen können

Mehr Bio. Ja und? Warum denn nicht? Wenn's doch geht. Weniger Fleisch? Wer möchte, macht doch! Ernährungsunterricht in der Schule? Gute Idee. Bessere Standards in der Kantine und Mensa? Wer ist im Ernst dagegen? Es geht doch nicht um entweder oder: Grünkern oder Gyros. Gesund oder lecker.

Warum eigentlich führen wir ausgerechnet in diesem Land, das Vorschriften sonst so gerne hat, einen Kulturkampf um die Currywurst? Weil Vegetarier, Veganer und Flexitarier allen anderen schlechte Laune machen? Wer bitte ist jetzt Ideologe?

"Essen und essen lassen" hätte auch drüber stehen können über dieser sehr behutsamen Ernährungsstrategie, die ruhig hätte viel schärfer ausfallen können. Aber da ist es dann wie beim Döner: Geschmackssache eben.

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