Mario Draghi übergibt seinen Bericht über die Wettbewerbsfähigkeit der EU und seine Empfehlungen an Ursula von der Leyen.
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EU-Wirtschaftspolitik Europa hat ein Mentalitätsproblem

Stand: 09.09.2024 17:29 Uhr

Mit seiner Analyse der EU-Wirtschaft trifft Ex-EZB-Chef Draghi den Nagel auf den Kopf, meint Sabrina Fritz. Allerdings sieht sie in Europa vor allem ein Mentalitätsproblem - an dem Draghi und Kommissionschefin von der Leyen mitschuldig sind.

Ein Kommentar von Sabrina Fritz, ARD Brüssel

Wer den Report von Mario Draghi liest, kommt aus dem Kopfnicken nicht mehr raus. Ja, recht hat er, der 77-jährige Geldexperte. Europa ist zu alt, zu träge, zu bürokratisch. Jedes Land denkt nur an sich, große Tech-Firmen fehlen, stattdessen setzen wir unsere Zukunft auf angerostete Autohersteller.

Und auch die Ratschläge haben Hand und Fuß: Zukunftstechnologien fördern, statt in jedem Kaff einen neuen Radweg bauen, erneuerbare Energien als Chance sehen, nicht als Bedrohung. Die Probleme und Lösungen liegen also auf dem Tisch. Jetzt heiß es: Umsetzen, Frau Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen!

EU ist nicht China oder USA

Es ist wohl auch kein Zufall, dass Draghi seinen Report gerade in der Woche präsentieren darf, in der auch die neuen EU-Kommissarinnen und -Kommissare vorgestellt werden. Kommt dieses neue Team Europa also nochmal durch den TÜV?

Es steht zu befürchten, dass dem nicht so ist. Denn die Gemeinschaft aus 27 Staaten ist eben nicht China oder die USA, wo eine Regierung die Richtung vorgibt. Hier gibt es 27 Einzelstaaten, die alle eigene Interessen haben - und ihre Wähler offensichtlich auch, denn sie wählen ja gerade vor allem Parteien, die weniger Europa wollen als mehr.

Am Geld liegt es nicht

Das zweite große Problem ist das Geld. Draghi sieht einen Investitionsbedarf von 800 Milliarden Euro. Bei dieser Zahl kann man sofort schlechte Laune bekommen. Hilfe, schon wieder 800 Milliarden! Steht irgendwo geschrieben, dass genau diese Summe gegen alles hilft, so eine Art Antibiotikum für die Wirtschaft? 

Denn genauso groß ist der Corona-Hilfsfonds, dem der Rechnungshof gerade ein verheerendes Zeugnis ausgestellt hat. Das Geld wird nicht ausgegeben. Die Antragsstellung ist zu kompliziert, die Projekte zum Teil unrealistisch. Warum sollte dies bei einem Draghi-Fonds anders ausgehen?

Und darum lässt sich nur sagen: Am Geld liegt es nicht, dass die deutschen Autohersteller gerade in die Krise fahren - es wurde über Jahre prächtig verdient. Europa hat ein Mentalitätsproblem: Auflagen statt Aufbruch, Stillstand statt Risikofreude. Veränderungen werden als Belastung, nicht als Chance empfunden.

Von der Leyen und Draghi tragen Mitschuld

Leider hat die EU-Kommission unter von der Leyen in den letzten Jahren zu dieser Lähmung beigetragen. Der gute Green Deal wurde unter einem Papierberg erdrückt. 

Draghi als ehemaliger Chef der Europäische Zentralbank und von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin hatten jahrelang viel Einfluss in Europa. Sie sind damit mitverantwortlich für den heutigen Mängelreport. Aber die eigentlich Verantwortlichen sitzen in den europäischen Hauptstädten, die den Kontinent gerne weiter so hätten, wie er immer gewesen ist.

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