Petr Bystron (Archivbild: 19.01.2023)
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Ermittlung wegen Bestechlichkeit Neue Spuren im Fall Bystron

Stand: 05.06.2024 18:00 Uhr

Die Durchsuchungen im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen AfD-Politiker Bystron waren laut WDR und SZ umfangreicher als bekannt. Bei einer ihm bekannten Bundestagsmitarbeiterin sollen unter anderem Kontoauszüge und Bargeld gefunden worden sein.

Von Petra Blum und Katja Riedel, WDR

Als Beamte des Landeskriminalamtes Bayern am 16. Mai im Deutschen Bundestag anrückten, untersuchten sie nicht nur die persönlichen Büroräume des AfD-Abgeordneten Petr Bystron, sondern auch das Büro einer ihm bekannten Bundestagsmitarbeiterin.

In dem fremden Büro sollen die Polizisten nach Informationen von WDR und Süddeutscher Zeitung (SZ) auf einen verschlossenen Bürocontainer gestoßen sein, dessen Inhalt sie Bystron zuordnen. So soll den Ermittlern nach Öffnen des Containers ein Ordner in die Hände gefallen sein. Darin abgeheftet: Kontoauszüge aus Liechtenstein und Tschechien.

In fremdem Büro eingeschlossen

In einem Couvert sollen die Fahnder zudem rund 2.000 Euro in bar, eine Liste mit aufgeführten Goldbarren und ein Exposé über ein etwa zwei Millionen Euro teures Anwesen in Brüssel gefunden haben. Die Ermittler sollen davon ausgehen, dass jemand diese Unterlagen ganz bewusst in dem fremden Büro im verschlossenen Bürocontainer verborgen hatte.

Weitere Fragen warf auch das Mobiltelefon des Abgeordneten auf. Demnach sollen sich die Ermittler überrascht gezeigt haben, als Bystron ihnen ein altes Tastenhandy der Marke Nokia übergeben habe. Sie sollen Erkenntnisse haben, dass Bystron ein Smartphone besitzen und zuvor benutzt haben soll.

Gibt es noch ein Smartphone?

Dem vermeintlich verschwundenen Gerät soll inzwischen die Aufmerksamkeit der Fahnder gelten - schließlich könnten darauf für den Fall wichtige Daten schlummern. Nach Informationen von WDR und SZ gibt es dazu zwei Beschlüsse, auch im Bundestag nach einem Smartphone suchen zu dürfen, egal in welchem Büro oder Gebäude.

Verborgene Unterlagen, ein mutmaßlich verschollenes Handy: War Bystron womöglich vor den anrückenden Ermittlern gewarnt? Bystron ließ diese und alle weiteren Fragen von WDR und SZ unbeantwortet.

Seit Mitte Mai ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft München offiziell gegen den AfD-Bundestagsabgeordneten: Sie geht dem Verdacht der Bestechlichkeit und der Geldwäsche nach. Privatwohnungen in München, Berlin und auf Mallorca wurden ebenso zu Schauplätzen der Razzia wie sein Bundestagsbüro, aber auch weitere Räumlichkeiten aus seinem Umfeld.

Auch bei einer weiteren Mitarbeiterin in Bayern und bei einer Parteifreundin wurden Ermittler vorstellig. Bei Letzterer soll es sich um die bayerische AfD-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Katrin Ebner-Steiner, gehandelt haben. Bei ihr soll der Politiker offenbar ebenfalls Unterlagen deponiert haben. Ebner-Steiner erklärte auf Anfrage, Bystron habe ihr keine Unterlagen überlassen, sondern bei ihr einen Raum untergemietet.

Ermittlungen wegen russischer Einflussoperation

Der AfD-Politiker ist eine der mutmaßlichen Hauptfiguren in der Affäre um die tschechische Online-Plattform "Voice of Europe". Die Plattform, so der Verdacht, soll Teil einer russischen Einflussoperation gewesen sein. Bystron wird vorgeworfen, über die Plattform eine fünfstellige Summe an Bargeld erhalten zu haben. Die Herkunft des Geldes soll Bystron verschleiert haben.

An diesem Dienstag berichtete das tschechische Internetportal "Dennik N" gemeinsam mit mehreren internationalen Partnern, darunter "Die Zeit" und dem ARD-Politikmagazin Kontraste, dass Bystron sehr viel tiefer in die mutmaßliche Operation eingebunden sein soll als bisher bekannt.

Politiker weist Vorwürfe zurück

Demnach soll Bystron mit den Machern der Website auch über Inhalte gesprochen haben, die dort erscheinen sollen sowie Konferenzen in ganz Europa organisiert haben. Der 51-Jährige hat sämtliche Anschuldigungen mehrfach zurückgewiesen. Unter anderem in einem Video auf dem Netzwerk "Telegram". Dort sprach Bystron von "fiesen Methoden"; die Vorwürfe seien "an den Haaren herbeigezogen".

Der tschechische Inlandsgeheimdienst BIS sieht das offenbar anders. Seit Monaten versucht er die Fäden jenes mutmaßlichen russischen Einflussnetzwerks zu entwirren, das zu rechtspopulistischen Politikern in vielen Ländern der Europäischen Union führen sollen.

Aufnahmen von möglicher Übergabe

Verschiedene Medien hatten bereits früher berichtet, dass sich Bystron nach angeblichen Erkenntnissen tschechischer Sicherheitsbehörden Mitte Februar in der tschechischen Hauptstadt mit dem Geschäftsmann Artem Martschewskyi getroffen haben soll, der als Kopf des russischen Propagandaportals "Voice of Europe" gilt.

Der Geheimdienst soll Tonaufnahmen davon besitzen, angeblich sei dort zu hören, wie Bystron während einer gemeinsamen Autofahrt Geld bekommt habe und es zähle. Die Scheine soll Bystron für prorussische Interviews mit "Voice of Europe" bekommen haben. Der 51-Jährige hatte sämtliche Vorwürfe gegen sich mehrfach vehement zurückgewiesen.

Fast 35.000 Euro soll Bystron nach bisherigen Erkenntnissen der Ermittler in zwei Tranchen Mitte März auf ein Konto einer ihm gehörenden Firma bei der Targobank eingezahlt haben. Die gesamte Summe soll er am selben Tag wieder abgehoben haben - angeblich, um der Firma Liquidität zu verschaffen, wie er den Fahndern erzählt haben soll.

Liquidität für ein paar Stunden? Das Konto gehört zu einer deutschen Firma von Petr Bystron, die laut Handelsregisterunterlagen lange Zeit faktisch inaktiv schien, bis seine Einzahlung von 35.000 Euro eine Geldwäscheverdachtsmeldung auslöste.

Auffällige Veränderung bei Firma

Für die Ermittler ebenfalls interessant könnten auch frühere Unternehmen von Bystrons Mutter sein, einer Zahnärztin. Nach Recherchen von WDR und SZ zeigt eine dieser Firmen zuletzt ebenfalls auffällige Veränderungen.

Die Firma meldete viele Jahre lang kaum nennenswerte Aktivitäten oder Vermögenswerte, als Adresse gibt sie ein Wohnhaus in einer Straße in der Nähe des tschechischen Ostrava an. Von dort soll ein Teil von Bystrons Familie stammen. Im Februar 2023 übernahm Bystron laut Handelsregister die Firma von seiner Mutter, ist seitdem alleiniger Eigentümer und Direktor.

Zur gleichen Zeit erlebte die Firma nach Recherchen von WDR und SZ einen Wandel. Nachdem sie zuvor nie besondere Vermögenswerte zu besitzen schien, erscheint in den Bilanzen nun plötzlich ein Zuwachs von rund 6,5 Millionen tschechischen Kronen, was umgerechnet ungefähr 250.000 Euro entspricht.

Was mit dem Geld nach Februar 2023 passiert ist und woher es kam, ist aus den vorliegenden Unterlagen nicht ersichtlich - allerdings werten Banken solche Einzahlungen auf Firmen, die ansonsten inaktiv wirken, oft als Warnsignal.

Petr Bystron sieht in der Berichterstattung über das Ermittlungsverfahren vor allem eine Diffamierungskampagne. Noch bevor seine Immunität im Bundestag aufgehoben worden war, soll er einen Brief an den AfD-Parteivorstand geschrieben haben, in dem er sich dazu äußerte.

Die "Berichterstattung, in der insinuiert wurde, ich hätte Geld von den Russen genommen, um Putin-Propaganda zu betreiben", nennt Bystron laut Medienberichten in seinem Brief "Blödsinn, dem ich entschieden widerspreche". Er habe "bereits Kontakt mit Anwälten sowohl in Deutschland wie in Tschechien aufgenommen, um gegen diese Verleumdung vorzugehen", soll der AfD-Politiker geschrieben haben.