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Unternehmenskooperation des WWF Panda auf Abwegen

Stand: 11.09.2024 17:00 Uhr

Der WWF Deutschland kooperiert mit der Deutschen Bank-Tochter DWS. Interne Dokumente, die NDR, WDR und SZ vorliegen, zeigen nun, wie nahe die Umweltorganisation und die Fondsgesellschaft dabei Greenwashing-Vorwürfen kommen.

Von Verena von Ondarza, Nick Heubeck, NDR, und Petra Blum, WDR

Dem putzigen Panda-Logo des World Wide Fund (WWF) vertrauen viele Menschen weltweit. Der WWF selbst sieht sich als "Anwalt der Natur".

Die Versprechen sind also groß, mit denen die DWS, eine Tochterfirma der Deutschen Bank, und der WWF-Deutschland antreten, als sie im Juni 2021 gemeinsam einen neuen Fonds präsentieren, den "DWS ESG Blue Econmy". Verbraucher sollen hier nachhaltig investieren können: "Wir wollen mit unserer Investmentstrategie eine nachhaltige Blue Economy fördern", erzählt der DWS-Manager in einem Werbevideo im Internet.

Der Fonds soll natürlich Rendite bringen, hat aber auch größere Ziele. Investiert werde in "alle Geschäftsaktivitäten, die das Meer als Wirtschaftsraum nutzen, und zwar in einer Weise, die soziale Gerechtigkeit gewährleistet und das Ökosystem Meer, also die Meeresgesundheit, schützt", erzählt der Manager in dem Video weiter. Auch der WWF bewirbt das Finanzprodukt lange auf seiner Internetseite als: "der nachhaltige Aktienfonds".

Investitionen in mehr als 50 Unternehmen

Als sich der bekannte Umweltverband und Deutschlands größter Vermögensverwalter DWS für das Projekt zusammentaten, erkoren sie den Fonds zum Herzstück ihrer Kooperation. Er investiert in etwas mehr als 50 Unternehmen, die laut Fondsprospekt weit überwiegend als nachhaltig einzuordnen sind.

Ein Blick auf die Liste der Unternehmen lässt allerdings Zweifel an diesen Versprechen aufkommen. Darauf befinden sich etwa Aktien von Royal Caribbean, eine der größten Kreuzfahrtgesellschaften der Welt, und Coca-Cola Europe Pacific Partners. Dem Getränkekonzern werfen Umweltschützer vor, mitverantwortlich für die Plastikverschmutzung der Meere zu sein. 

Auch der britische Kraftwerkbetreiber Drax gehörte mehre Jahre dazu, bis die Aktien des Konzerns vor Kurzem verkauft wurden. Das Unternehmen ist einer der größten CO2-Verursacher Großbritanniens. Dennoch ziert das Panda-Logo als Markenzeichen des WWF bis heute offizielle Fondsdokumente.

WWF-interne Kritik am Fonds

Dass offenbar auch WWF-Mitarbeitende Zweifel an den grünen Versprechen des Fonds äußerten, zeigen Dokumente, die NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung vorliegen. Intern notierten sie demnach ihre Kritik: "12 Unternehmen haben keine wissenschaftlich basierten Klimaziele", heißt es etwa in einem Memo vor einem Jahr.

Im Januar 2023 notieren sie in einer internen Bewertungstabelle zu einzelnen Aktien: "Firma zu stark in Öl- und Gasgeschäfte verwickelt" und "Immer noch im Kohlegeschäft". Hinzu kommen teilweise "Tierwohlbedenken", oder die WWF-Experten erkennen keinen "Meeresbezug". Viele der damals zumindest intern kritisierten Unternehmen befinden sich noch heute im Portfolio des Fonds. 

Begleitung bei umweltfreundlicher Transformation

Die Kreuzfahrtgesellschaft Royal Caribbean will sich auf Anfrage nicht äußern, ebenso wenig das Abfüllunternehmen von Coca Cola. Drax verwies auf seine Nachhaltigkeitsstrategie, Kohle durch Biomasse - also Holz - zu ersetzen.

Der WWF will sich auf Anfrage zu Einzelpositionen im Fonds nicht äußern: "Das Ziel des Fonds war und ist nicht die grüne Vermarktung." Dem Umweltverband sei der ökologische Umbau der Wirtschaft wichtig: "Um den Systemwandel zu beschleunigen, arbeitet der WWF Deutschland mit der DWS zusammen, um sie auf ihrem Weg zu unterstützen und kritisch zu hinterfragen."

Die DWS erklärt, der WWF berate sie, Unternehmen zu identifizieren, die man auf dem Weg zu einer umweltfreundlichen Transformation begleiten kann.

"Übertriebenes Marketing"

Bemerkenswert ist die Zusammenarbeit auch deshalb, weil sie in einer Zeit entstand und vertieft wurde, als sich die DWS bereits mit umfangreichen Greenwashing-Vorwürfen konfrontiert sah. Im August 2021 kritisierte die frühere DWS-Nachhaltigkeitschefin Desiree Fixler, die DWS verkaufe Finanzprodukte als "grüner" als sie seien.

Zunächst ermittelte die US-Börsenaufsicht SEC deshalb gegen die DWS. Im vergangenen Jahr musste das Unternehmen dann eine Strafe von 19 Millionen Euro zahlen. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Frankfurt dazu dauern noch an. Die DWS wies die Vorwürfe stets zurück, räumte damals aber "übertriebenes Marketing" ein. Tatsächlich handelt es sich bei dem Begriff Greenwashing um einen dehnbaren Begriff. Er reicht vom übertriebenen Marketing, bei dem sich Firmen als nachhaltiger ausgeben als sie sind, bis zum Vorwurf des Betrugs. Eine einheitliche gesetzliche Definition von Greenwashing gibt es bislang nicht.

Weitere Kooperation mit der DWS

Auf Anfrage teilt der WWF mit, dass die Vorwürfe und Ermittlungen der SEC "keine Bestandteile unserer Kooperation mit der DWS" beträfen. Dennoch zeigt sich Gerhard Schick von der NGO Finanzwende, die sich mit der Macht der Finanzlobby auseinandersetzt, überrascht, dass der WWF zu den Greenwashing-Ermittlungen gegen seinen Kooperationspartner öffentlich schweigt. "Dieser Skandal bei der DWS, den kann man fast nicht hoch genug einschätzen. Es ist zum ersten Mal, dass in Deutschland der Chef eines Finanzunternehmens - und weitere Akteure - wegen Greenwashings zurücktreten musste."

Für Schick sei dies eine Ausnahmesituation gewesen, nach der der WWF diese Zusammenarbeit hätte infrage stellen müssen. Beim WWF passierte damals aber offenbar etwas anderes, so zeigen es interne Dokumente, die NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung vorliegen. Demnach entstand eine weitere Kooperation mit der DWS, diesmal mit dem Schwerpunkt Biodiversität, sowie ein umfangreicher Beratungsvertrag mit der Deutschen Bank.

"Kritisch-konstruktiver Partner"

"Die Kooperation war von Anfang an bewusst nicht auf Marketing, sondern vielmehr auf die inhaltliche Zusammenarbeit ausgelegt", teilt die Deutsche Bank auf Anfrage mit. Die DWS antwortet, man sei überzeugt, "dass die nachhaltige Transformation unserer Wirtschaft nur gelingt, wenn alle gesellschaftlichen Stakeholdergruppen zusammenarbeiten". Den WWF schätze man als "kritisch-konstruktiven Partner auf diesem Weg".

Kritik an der Kooperation kommt auch vom Nachhaltigkeitsexperten Philippe Diaz, der viele Jahre für den WWF Deutschland gearbeitet hat. Für ihn seien in dem Fall viele rote Linien überschritten worden: "Wenn man Kooperationen mit schwierigen Akteuren eingeht, und das Panda-Logo, das für Umweltschutz steht, gibt, muss man klare Kante zeigen", sagt Diaz. 

Der WWF begebe sich in finanzielle Abhängigkeit. "Ich würde so weit gehen und sagen, dass es dem WWF schwerfällt, diesem Geld Tschüss zu sagen. Egal, was die DWS macht", so Diaz. Aktuell befindet sich der WWF in finanziellen Schwierigkeiten und musste Dutzende Mitarbeiter entlassen.

Umso mehr scheint der Umweltverband auf das Geld aus den Unternehmenskooperationen angewiesen zu ein. Den Dokumenten zufolge soll der WWF Deutschland über die verschiedenen Projekte offenbar mindestens eine Million Euro im Jahr von der Deutschen Bank und der DWS erhalten.

Darin enthalten ist auch eine Lizenzgebühr für die Verwendung des Panda-Logos bei der Vermarktung des "Blue Economy" Fonds. Allein dafür bekommt der WWF offenbar 200.000 Euro im Jahr. Zu diesen konkreten Summen wollten sich weder WWF noch Deutsche Bank und DWS auf Anfrage äußern. Die DWS betont, man berichte transparent über die verschiedenen Projekte mit dem WWF.

Interessenkonflikte und finanzielle Abhängigkeit

Im Unterschied dazu war der WWF nicht immer transparent, wenn es um seine Kooperation mit der DWS geht. Im Rahmen eines "Bankenratings" hatte der WWF im Jahr 2021 die Nachhaltigkeit von 15 deutschen Banken untersucht: Bewertet wurden in dem Rating auch die Angebote des Tochterunternehmens der Deutschen Bank, der DWS. Verglichen mit 14 anderen konventionellen Banken, die für die Analyse berücksichtigt wurden, schnitt die Deutsche Bank dabei vergleichsweise gut ab: Im Bereich "Umwelt und Klima" erhielt sie sogar die Note "zeitgemäß".

Was allerdings fehlte, war ein Hinweis auf die Kooperation mit der DWS. Warum wies der WWF nicht auf diesen Interessenkonflikt hin? Deutsche Bank und DWS äußerten sich dazu nicht. Die DWS-Kooperation zu dem Fonds sei leider damals im Bankenrating 2021 nicht kenntlich gemacht worden, teilt der WWF auf Anfrage mit. "Dies würden wir heute deutlich kenntlich machen".

Über das Thema berichtet ARD-PlusMinus um 21:45 Uhr im Ersten.

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