Europaweite Suche Polizei verstärkt Fahndung nach RAF-Trio

Stand: 13.11.2017 10:00 Uhr

Sie werden die "RAF-Rentner" genannt: Ernst-Volker Staub, Daniela Klette und Burkhard Garweg leben im Untergrund. Mit bewaffneten Raubüberfällen verdienen sie sich offenbar ihren Lebensunterhalt. Die Polizei hat die Fahndung nun neu ausgeschrieben.

Von Angelika Henkel und Stefan Schölermann, NDR

Es gehört zu den größten Rätseln der bundesdeutschen Polizeigeschichte: Wo verbirgt sich das sogenannte "Rentnertrio" ehemaliger RAF-Terroristen, dem mehrere bewaffnete Überfälle mit Panzerfaust und Kalaschnikow-Schnellfeuergewehren zur Last gelegt werden? Und wie gelingt es den Ex-RAF-Leuten Daniela Klette, Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub, bis heute unerkannt im Untergrund zu leben?

Seit heute Vormittag stehen im Landeskriminalamt (LKA) Niedersachsen Zielfahnder und andere Experten bereit, neue Hinweise zeitnah zu verfolgen. Die Polizei fahndet erneut europaweit. Sie hat dafür neue Fahndungsvideos veröffentlicht, denn alle Maßnahmen bisher waren ohne durchgreifenden Erfolg.

Gezeigt werden unter anderem Aufnahmen einer Überwachungskamera aus einem Nahverkehrsbus in Osnabrück. Darauf deutlich zu erkennen sind Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub mit Packtasche und Rucksack. Ein weiteres Überwachungsvideo zeigt den gescheiterten Überfall auf einen Supermarkt in Hildesheim am 7. Mai 2016. Beide Männer sind bewaffnet und maskiert. Die Polizei setzt darauf, dass Zeugen die beiden Männer an der Art ihrer Bewegung wiedererkennen könnten.

Mit Bart und sehr speziellem Merkmal

Für das LKA Niedersachsen ist es bis heute unerklärlich, dass die Fahndung bisher ohne greifbares Ergebnis geblieben ist. Schon im vergangen Jahr hatten die Fahnder Bilder veröffentlicht, auf denen nach Überzeugung der Polizei Staub deutlich zu erkennen ist - ein Mann in den Fünfzigern mit Bart und einem sehr speziellen Merkmal: Der Mann hat auffallend hervorstehende und schiefe Zähne. Den Sprecher des Landeskriminalamtes, Frank Federau, wundert das. Es sagt: "Wenn so ein Mann in meinem Umfeld wäre, würde ich ihn sofort wiedererkennen."

Staub war tatsächlich schon einmal von einem Zeugen erkannt worden - und zwar in einem Supermarkt in Cremlingen bei Wolfenbüttel. Zuvor hatte die Polizei die Fahndungsbilder veröffentlicht. Seine Beobachtung hatte der Zeuge den Behörden mitgeteilt.

Die LKA-Ermittler gingen davon aus, dass Staub den Supermarkt für einen weiteren Überfall auskundschaften wollte. Sie legten sich deshalb auf die Lauer. Allerdings nicht lange genug. Als der Überfall tatsächlich passierte, waren die Beobachter schon wieder abgezogen. Die Beute des Trios betrug damals nach NDR- Informationen mehr als eine Million Euro.

Durch Überfälle den Lebensabend im Untergrund finanzieren

Die Polizei geht davon aus, dass Staub, Garweg und Klette durch Überfälle ihr Leben im Untergrund finanzieren. Sie werden der sogenannten "Dritten Generation" der RAF zugerechnet, die sich offiziell 1998 auflöste. Klette soll mit anderen für drei Anschläge verantwortlich gewesen sein, zuletzt auf die Justizvollzugsanstalt in Weiterstadt 1993. Von ihr gibt es offenkundig kein aktuelles Foto.

Klette (59) soll gemeinsam mit dem heute 63-jährigen Staub und dem 49 Jahre alten Garweg einen Teil von mindestens sechs Überfällen verübt haben, etwa im niedersächsischen Groß Mackenstedt bei Bremen im Juni 2015. Damals holten Geldboten die Tageseinnahmen eines großen Supermarktes ab, als plötzlich ein VW-Bulli den Weg versperrte. Zum Arsenal der Täter gehörte eine Panzerfaust und mindestens ein Kalaschnikow-Schnellfeuergewehr. Mit der Kalaschnikow feuerte sie auf den Geldtransporter. Der Überfall misslang dennoch. Die Täter flüchteten unerkannt.

DNA-Spuren ließen aufhorchen

In einem Fluchtfahrzeug entdeckte die Polizei damals DNA-Spuren. Der Abgleich erbrachte einen Treffer, der alle aufhorchen ließ. Es handelte sich um die drei seit Jahrzehnten abgetauchten mutmaßlichen RAF-Mitglieder, von denen es zum ersten Mal wieder ein Lebenszeichen gab.

Der Hamburger Politologe Wolfgang Kraushaar gehört zu den versiertesten Kennern der RAF. "Die RAF hat sich schon immer ausgezeichnet durch ein hohes operatives Vermögen". erklärt er. Gemeint sind damit Kenntnisse in Tarnung, Schusswaffengebrauch und Konspiration. Dem NDR sagte er: "Alte RAF-Mitglieder sind in der Lage, auch nachdem der politische Kampf offenbar vorüber ist, diese Dinge nach wie vor abzurufen und einzusetzen, und damit sind sie hochqualifizierte Schwerstkriminelle."

Warnung der Polizei

Die Polizei warnt deshalb davor, die mutmaßlichen Täter bei einem Verdacht auf eigene Faust anzusprechen. Ihr dringender Rat ist, bei der Polizei anzurufen. Das LKA startet seine Fahndung jetzt auch im Ausland: Italien, Spanien, Frankreich und die Niederlande sind Länder, in denen es zwischen diversen linksterroristischen Gruppierungen der Vergangenheit enge Verbindungen gibt. Zwei Spuren führten die Ermittler bereits nach Holland: der Schnipsel einer Zeitung im Kofferraum und ein Handy, das nach einer Tatbegehung unmittelbar nach Grenzübertritt in die Niederlande ausgeschaltet wurde.

Ein weiteres Augenmerk lenkt die Polizei auf die Region Ostwestfalen. Denn in Bielefeld, Osnabrück und Porta Westfalica dürfte sich das Trio öfters bewegt haben. Hier wurden mehrmals Autos gekauft, die später als Fluchtfahrzeuge dienten. Nach den Überfällen setzten die Täter die Wagen in Brand, um alle Spuren zu vernichten.

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