Polizisten stehen vor einem Hintereingang eines Gebäudes in Eisenach.

Verbotene Vereinigung Bundesweite Razzia gegen Neonazis

Stand: 06.04.2022 08:39 Uhr

Die Bundesanwaltschaft geht seit den Morgenstunden gegen mehrere rechtsextremistische Vereinigungen vor. In elf Bundesländern werden 61 Objekte durchsucht. Im Zentrum stehen unter anderem "Combat 18" und "Knockout 51".

Von Michael Götschenberg, ARD-Hauptstadtstudio, Holger Schmidt, SWR und Frank Bräutigam, ARD-Rechtsredaktion

Bei der Gruppe "Atomwaffen Division Deutschland" handelt es sich nach Einschätzung der Ermittler um eine terroristische Vereinigung. Sie sei offen rassistisch, antisemitisch, verherrliche Gewalt und befürworte die Entfachung eines Rassenkrieges. Die Gruppe tauchte erstmals 2018 im Internet auf. Lange war unklar, wie ernst sie zu nehmen ist. Nun hat sich der Generalbundesanwalt festgelegt und ermittelt gegen zehn Beschuldigte.

"Combat18" verboten

Darüber hinaus wurde bei mindestens 20 Personen durchsucht, die der verbotenen Gruppe "Combat 18" zugerechnet werden.

Zahlen haben bei Neonazis und Rechtsextremen eine kultische Bedeutung. "88" steht für den Gruß "Heil Hitler!" - weil H der achte Buchstabe des Alphabets ist. Wer sich also "Combat 18" nennt, will die "Kampftruppe Adolf Hitler" sein. In Deutschland ist "C18" wegen seiner rechtsextremen, neonazistischen und fremdenfeindlichen Haltung seit mehr als einem Jahr verboten. Für das Vereinsverbot war das Bundesinnenministerium zuständig. Nun geht es um strafrechtliche Vorwürfe. Der Generalbundesanwalt wirft den Beschuldigten vor, die Gruppe C18 in Deutschland weiter betrieben zu haben.

Führende Mitglieder der Szene

Heute hat der Generalbundesanwalt eine großangelegte Razzia gegen die Menschen durchführen lassen, die C18 in Deutschland weiter betrieben haben sollen. Darunter sind führende Mitglieder der deutschen Neonazi-Szene. Der konkrete Vorwurf knüpft an das Vereinsverbot von 2020 an. Denn nach dem Strafgesetzbuch (§ 85) ist es verboten, eine verbotene Vereinigung aufrechtzuerhalten. Der Generalbundesanwalt kann Ermittlungen in einem solchen Fall wegen “besonderer Bedeutung” an sich ziehen.

Anfänge in Großbritannien

Entstanden ist die Gruppierung Anfang der 1990er-Jahre in Großbritannien als eine Saalschutztruppe der rechtsextremen Partei "British National Party" (BNP). Schon bald bildeten sich internationale Ableger, auch in Deutschland. Seit Ende der 1990er Jahren registrierten deutsche Verfassungsschutzbehörden Aktivitäten von lokalen C18 Gruppen im Dunstkreis von Rechtsrock- und Neonazis-Veranstaltungen. C18 versuchte sich als der "bewaffnete Arm" der neonazistischen Bewegung "Blood & Honour" (Blut und Ehre) zu etablieren - einer Vereinigung von rechtsradikalen Musikgruppen, die sich in Slogans und Symbolen unverhohlen an Gruppierungen des "3. Reichs", wie der "Hitlerjugend" oder "SS" und "SA" anlehnte.

Kontakt zu Beate Zschäpe

2007 schoss ein C18-Mitglied einen Mann aus Tunesien in einem Dortmunder Supermarkt nieder und verletzte ihn lebensgefährlich. Spätestens diese Gewalttat zeigte den Ermittlungsbehörden das Gefahrenpotential der Gruppe - auch weil eine Schusswaffe im Spiel war. Der Täter von damals heißt Robin S. und gehört nach Informationen von SWR und ARD-Hauptstadtstudio heute zu den Beschuldigten des Ermittlungsverfahrens.

Für den Überfall in Dortmund erhielt er eine achtjährige Haftstrafe wegen schwerer räuberischer Erpressung. In der Haft begann er, der NSU-Terroristin Beate Zschäpe sehr persönliche Briefe zu schreiben. Zschäpe antwortete -seitenlang und höchst vertraut. Der Verfassungsschutz in NRW bemerkte die Briefe und informierte damals die Bundesanwaltschaft.

Weitere Kontakte zum NSU

Der Briefwechsel zwischen Zschäpe und Robin S. ist nicht die einzige Verbindung von C18 zu den Rechtsterroristen zum "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU). Helfer der Terroristen, wie der im NSU-Prozess verurteilte Neonazi Andre Eminger, engagierten sich in den 2000er Jahren bei der "Blood & Honour"-Bewegung, zu der sich C18 zurechnet. Im Prozess vor dem Oberlandesgericht München versuchten Anwälte der Opfer immer wieder den Beweis zu führen, dass es direkte Verbindungen der drei Haupttäter zu Personen aus dem C18-Umfeld gab. Personen, die heute zu den Beschuldigten des aktuellen Verfahrens gehören.

Spätes Verbot von "Combat 18"

Offiziell wurde "Combat 18 Deutschland" bereits im Januar 2020 vom Bundesinnenministerium vereinsrechtlich verboten. Dieses Verbotsverfahren und sein Vollzug waren aber schon damals umstritten. Es komme viel zu spät und sei praktisch wirkungslos, sagten Kritiker. Denn der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) habe das Verbot zwar öffentlichkeitswirksam verkündet und in Combat 18 eine "menschenverachtende Gesinnung mit rechtsextremistischer und antisemitischer Hetze" gesehen. Durch ungeschicktes Agieren und öffentliche Ankündigungen sah Seehofer sich aber andererseits selbst innerhalb von Sicherheitsbehörden dem Vorwurf ausgesetzt, er habe durch unbedachte eigene Äußerungen C18 vor dem Verbot gewarnt.

Fest steht, dass die Sicherheitsbehörden nach dem Verbot zunächst kaum belastbares Material bei den mutmaßlichen Mitgliedern gefunden hatten. Doch offenbar machten die Mitglieder weiter, sie sollen sich unter anderem unter dem Vorwand von Geburtstagspartys getroffen und Pläne geschmiedet haben.

Auch "Knockout 51" im Visier

Eine andere Vereinigung steht in Eisenach im Visier der Ermittler: "Knockout 51" soll versucht haben, in der Stadt einen "Nazi Kiez" mit illegalen Patrouillen in Eisenach zu etablieren und militante Corona-Proteste zu initiieren. Der Generalbundesanwalt hält die Gruppe für eine kriminelle Vereinigung mit besonderer Bedeutung und hat Haftbefehle gegen ihre mutmaßlichen Mitglieder Leon R., Max A., Eric K. und Bastian A. erwirkt. Spezialkräfte durchsuchen in Eisenach derzeit mehrere Wohnungen. An eine kürzlich selbstverkündete Auflösung von "Knockout 51" glaubt die Bundesanwaltschaft nicht.

Wie es weitergeht

Die festgenommenen Personen im Fall der mutmaßlichen kriminellen Vereinigung "Knockout 51" werden nun nach Karlsruhe gebracht, wo sie einem Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof vorgeführt werden. Der entscheidet darüber, ob die Beschuldigten in Untersuchungshaft kommen. Im Fall von "Combat 18" gab es bislang keine Festnahmen. Ein wichtiger Punkt für den weiteren Verlauf der Ermittlungen wird hier sein, was bei den zahlreichen Durchsuchungen in ganz Deutschland an Beweismitteln gefunden wird.

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