Bundestag beschließt neues Gesetz Patientenrechte - was ändert sich?

Stand: 29.11.2012 18:37 Uhr

Weil die Regelungen bisher viel zu kompliziert waren, kennen viele Patienten ihre Rechte nicht. Das macht es schwer, beispielsweise gegen Ärztefehler vorzugehen. Nun hat der Bundestag ein Gesetz beschlossen, das die Patientenrechte stärken soll. tagesschau.de erklärt, was sich für Patienten ändert.

Warum ist ein Gesetz zu den Patientenrechten notwendig?

Bislang sind die Patientenrechte in Deutschland in einer Vielzahl von Vorschriften in verschiedenen Rechtsbereichen geregelt: Die eine Regelung findet sich im Grundgesetz, die andere im Sozialgesetzbuch, wieder andere im Bürgerlichen Gesetzbuch oder in diversen Verordnungen. Zudem finden sich manche Themenfelder gar nicht in einem Gesetz, sondern obliegen der Entscheidung von Richtern, beispielsweise das Gebiet der Behandlungs- und Arzthaftung. Das erschwert den Überblick und führt dazu, dass sechs von zehn Patienten ihre Rechte nicht kennen, wie eine Umfrage des Bundesgesundheitsministeriums ergab.

Wie wird durch das Gesetz mehr Transparenz geschaffen?

Die Regelungen zum Patientenrecht werden jetzt in einem eigenen Gesetz im Bürgerlichen Gesetzbuch gebündelt und erweitert. Das sogenannte Patientenrechtegesetz soll am 1. Januar 2013 in Kraft treten. Darin werden Ärzte verpflichtet, einen Behandlungsvertrag mit dem Patienten abzuschließen. In einem persönlichen und umfassenden Aufklärungsgespräch sollen Patienten nun über Untersuchungen und Therapien sowie die Folgen und Risiken aufgeklärt werden. Durch die teilweise neuen und transparenteren Regelungen sollen die Mängel in der Patientenversorgung beseitigt werden. Außerdem soll es für Patienten einfacher werden, ihre Rechte gegenüber Ärzten durchzusetzen.

Haben Patienten jetzt bessere Chancen bei Behandlungsfehlern?

Ja. Das Bundesgesundheitsministerium schätzt die Zahl der Behandlungsfehler auf jährlich 40.000 bis 170.000. Mit dem neuen Gesetz sollen die betreffenden Patienten stärker unterstützt werden. Zum einen sind Ärzte und Krankenkassen künftig verpflichtet, Behandlungsfehler zu dokumentieren und auszuwerten. Fehlt diese Dokumentation, wird zulasten des Arztes oder Krankenhauses davon ausgegangen, dass eine Leistung nicht erbracht wurde. Zum anderen werden die Verfahren bei Behandlungsfehlern für die Patienten vereinfacht.

Wer muss einen Behandlungsfehler nachweisen?

Bei groben Behandlungsfehlern ist die Beweislast durch das neue Gesetz nun umgekehrt: Jetzt muss der Arzt beweisen, dass sein Fehler einen bestimmten gesundheitlichen Schaden nicht verursacht hat. Bei einfachen Behandlungsfehlern muss nach wie vor der Patient beweisen, dass ein festgestellter Fehler des Arztes zu einem bestimmten Gesundheitsproblem geführt hat. Mehr Rechtssicherheit für Patienten soll es aber auch hier geben: Gerichte haben in Prozessen bereits Entscheidungen darüber getroffen, wie die Beweislast auf beide Parteien verteilt werden kann. Diese Erleichterungen für den Patienten werden nun ausdrücklich gesetzlich verankert, so dass jeder nachlesen kann, wer was beweisen muss.

Ein weiterer Fortschritt ist, dass die Krankenkassen künftig verpflichtet sind, ihre Versicherten bei einem Verdacht auf einen Ärztefehler zu beraten und zu unterstützen. Sie können beispielsweise ein medizinisches Gutachten erstellen lassen, um dem Versicherten bei der Beweisführung zu helfen. In Krankenhäusern soll ein Beschwerdemanagement eingerichtet werden.

Wer zahlt bei nachgewiesenen Behandlungsfehlern?

Der Arzt selbst muss für seinen Fehler gerade stehen und gegebenenfalls Schadenersatz leisten. Einen Fonds für Härtefälle, wie ihn Kritiker fordern, wird es nicht geben. Gesundheitsminister Daniel Bahr will nicht, dass die Solidargemeinschaft für diese Kosten aufkommen muss. Seiner Ansicht nach sollen sich Ärzte nicht durch einen Entschädigungsfonds aus der Affäre ziehen können.

Wie werden die Rechte der Patienten noch gestärkt?

Patienten haben künftig ein Recht darauf, ihre Krankenakte einzusehen. Außerdem sollen sie, beziehungsweise Patientenorganisationen, mehr an wichtigen Entscheidungen der Gesundheitsversorgung beteiligt werden. Auch die Stellung gegenüber den Krankenkassen wird gestärkt: Bei Genehmigungsverfahren, beispielsweise einer Rehabilitationsmaßnahme, müssen Krankenkassen künftig eine Frist einhalten. Wenn sie diese verstreichen lassen, gilt die Maßnahme als genehmigt.

Was sagen die Kritiker des Gesetzes?

Weite Teile der Opposition und Verbraucherschützer hätten sich einen Härtefallfonds bei Ärztefehlern gewünscht. SPD-Gesundheitsexpertin Carola Reimann begründet das damit, dass man besonders kranke und alte Patienten nicht erst den Rechtsweg einschlagen lassen kann: "Die würden zwar sicher Recht bekommen, würden das aber nicht mehr erleben."

Carola Reimann (Quelle: spdfraktion.de)

SPD-Expertin Reimann hätte sich konkretere Regelungen bei IGeL-Leistungen gewünscht.

Eugen Brysch von der Deutschen Hospiz-Stiftung hätte sich außerdem gewünscht, dass die Beweislast bei Behandlungsfehlern grundsätzlich umgekehrt würde. Dann müsste der Arzt beweisen, dass er keinen Fehler gemacht hat. "Patienten haben sehr große Schwierigkeiten, all die Akten und Fakten zusammenzutragen, um das falsche Verhalten eines Arztes nachzuweisen", sagt Brysch.

Und auch bei den so genannten IGeL-Leistungen - also Behandlungen, die die Krankenkasse nicht bezahlt - geht das Gesetz den Kritikern nicht weit genug. Laut Gesetz müssen Ärzte künftig über Kosten und Nutzen solcher Leistungen informieren. Der Gesundheitsexperte der Linken, Harald Weinberg, hätte sich deshalb einen klareren rechtlichen Rahmen gewünscht, damit Patienten nicht über den Tisch gezogen werden: "Manche Ärzte nutzen IGeL-Leistungen, um ihren Umsatz zu erhöhen. Dafür gibt es sogar spezielle Verkaufstrainings."


Zusammengestellt von Sandra Stalinski, tagesschau.de

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