Ex-Botschafter Stein im Interview "Diplomatie, aber mit Muskeln"
Sicherheit, Wirtschaft, Umwelt, Forschung - die Themenliste der zweiten deutsch-israelischen Regierungskonsultationen ist lang. Über Israels Erwartungen sprach tagesschau.de mit Schimon Stein, dem israelischen Ex-Botschafter in Deutschland. In Sachen Iran hat Stein eindeutige Forderungen.
tagesschau.de: Welches Thema wird für Israel heute in Berlin das wichtigste sein?
Schimon Stein: Da sind zum einen bilaterale Themen wie zum Beispiel Forschung und Technologie. Hier gibt es viele Möglichkeiten zu kooperieren – bei Umweltfragen, bei erneuerbaren Energien und im Bereich der Wasserwirtschaft. Zweitens geht es um sicherheitspolitische Fragen. Hier wird das Thema Iran eine wichtige und zentrale Rolle spielen.
tagesschau.de: Der Iran wird verdächtigt, unter dem Deckmantel seines zivilen Atomprogramms Nuklearwaffen zu entwickeln. Israel fühlt sich bedroht. Was wird Israel von Deutschland fordern?
Stein: Sollte der Iran in den Besitz von nuklearen Waffen kommen, stellt das Land eine Bedrohung - nicht nur für Israel - dar. Wenn sich Deutschland und Israel in dieser Analyse einig sind, müssen auch Taten folgen, denn Iran beharrt auf seiner Position. Sollte eine neue UN-Resolution genau so aussehen, wie die vorangegangenen, die ja bisher null Wirkung hatten, dann haben wir gar nichts erreicht. Jetzt kommt die Zeit, die Sanktionen zu verschärfen. Diplomatie soll ihre Chance haben, aber mit Muskeln.
tagesschau.de: Sie reden also von wirtschaftlichen Sanktionen?
Stein: Ich meine, Deutschland exportiert heute Waren in einem Umfang von vier Milliarden Euro in den Iran. Ich bin für die deutsche Industrie, die ist ja hervorragend, aber sie kann auch andere Märkte finden. Weiter so zu handeln, trägt nicht unbedingt zu einer Glaubwürdigkeit von Ländern bei, die die Bedrohung durch den Iran klar sehen.
"Deutschland könnte vermitteln"
tagesschau.de: Was könnte denn ein nächster Schritt im Friedensprozess im Nahen Osten sein?
Stein: Israel ist bereit, die Gespräche mit der palästinensischen Behörde aufzunehmen. Am Ende bleibt die Siedlungspolitik für die Palästinenser schwierig. Deutschland könnte im Hinblick auf seine guten Kontakte zu Palästinenser-Präsident Abbas Einfluss nehmen, so dass die Palästinenser bereit sind, Gespräche ohne Vorbedingungen aufzunehmen.
tagesschau.de: Immer wieder wird in Deutschland der Vorwurf laut, die Kritik der deutschen Regierung an der israelischen Siedlungspolitik sei zu leise. Darf Deutschland mit seiner Geschichte Israel überhaupt kritisieren?
Stein: Im Grunde genommen halte ich Kritik für legitim, solange sie konstruktiv und fundiert ist. Wenn ein Freund mich kritisiert, muss ich darüber nachdenken. Es geht auch nicht um laut oder leise, sondern um Inhalte. Man kann per Megaphon-Diplomatie kritisieren, man kann aber auch andere Wege finden, Kritik zum Ausdruck zu bringen.
Verteidigung: "Israel braucht Hilfe"
tagesschau.de: Medien berichten, dass Israel auch über den Kauf eines sogenannten Dolphin-U-Bootes sprechen möchte. Es heißt, erst müsse noch über den Preis verhandelt werden, aber dann gehe es möglicherweise auch um finanzielle Unterstützung aus dem Bundeshaushalt. Warum ist dieses Militär-Boot wichtig?
Stein: Zwischen Deutschland und Israel finden schon lange Gespräche in Verteidigungsfragen statt. Deutschland hat sich für das Existenzrecht und für die Sicherheit Israels ausgesprochen. Und die Existenz Israels wird ja in unserer Region immer noch in Frage gestellt, so dass Israel sich verteidigen können muss. Israel braucht Hilfe, was das Material angeht, ob das U-Boote oder andere Waffengattungen sind, das soll Gegenstand der Gespräche sein.
tagesschau.de: Welche persönliche Hoffnung verbinden Sie mit den Gesprächen?
Stein: Wenn wir in die Zukunft schauen, brauchen wir gemeinsame Themen, die für beide Länder wichtig sind. Alles in allem sollen die Gespräche dazu beitragen, dass Deutschland ein strategischer Partner für Israel bleibt, hoffentlich Israel für Deutschland - zwei Länder, die in der globalisierten Welt aufeinander angewiesen sind.
Das Interview führte Oda Lambrecht für tagesschau.de