Fragen und Antworten zur Abhöraffäre Wer darf wann spionieren?

Stand: 25.10.2013 17:49 Uhr

Neben der derzeit geführten ideologischen Debatte könnte die Abhöraffäre auch juristische Folgen haben. Ist es strafbar, die Kanzlerin auszuspähen? Darf Snowden zu dem Fall verhört werden? Tagesschau.de beantwortet die wichtigsten Fragen.

Von Frank Bräutigam, ARD-Rechtsredaktion

Warum prüft der Generalbundesanwalt den Fall?

Die Bundesanwaltschaft wird häufig ausschließlich als Ermittlungsbehörde in Sachen Terrorismus wahrgenommen ("innere Sicherheit"). Daneben ist die Karlsruher Behörde aber auch für Delikte zuständig, die die "äußere Sicherheit" Deutschlands betreffen, gemeint ist vor allem Spionage.

Zu früheren Zeiten standen Spionageermittlungen stärker im Fokus, zum Beispiel bei der Aufarbeitung der DDR-Zeit. Zuletzt wurde am Oberlandesgericht Stuttgart ein russisches Agentenpaar zu mehrjähriger Haft verurteilt. Zwei Anklagen wegen mutmaßlicher Spionage für einen syrischen Geheimdienst in Deutschland hat die Bundesanwaltschaft 2013 beim Kammergericht Berlin erhoben.

Kann das mögliche Ausspionieren des Kanzlerinnen-Handys strafbar sein? Welches Delikt kommt in Betracht?

Ja. Das strengste Delikt ist der "Landesverrat" (§ 94 Strafgesetzbuch), dabei geht es um den Verrat von Staatsgeheimnissen. Häufiger ist bei Spionageverdacht § 99 Strafgesetzbuch einschlägig, der die "Geheimdienstliche Agententätigkeit" unter Strafe stellt. Nach dieser Vorschrift wird bestraft, wer für den Geheimdienst einer fremden Macht eine geheimdienstliche Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland ausübt, die auf die Mitteilung oder Lieferung von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gerichtet ist.

Ermittelt die Bundesanwaltschaft bereits offiziell?

Nein. Die Bundesanwaltschaft hat noch kein offizielles Ermittlungsverfahren eingeleitet, was zum Beispiel ermöglichen würde, Zeugen zu vernehmen. Sie ist aber nicht untätig, sondern hat speziell zum möglichen Abhören des Kanzlerinnen-Handys einen neuen  "Beobachtungsvorgang" angelegt. Dabei geht es vor allem darum, bei anderen Behörden, zum Beispiel den Geheimdiensten, die relevanten Informationen anzufordern.

Das hatte die Karlsruher Behörde auch schon im Sommer getan, als die NSA-Affäre das erste Mal hochgekocht war. Auf dieser Basis von Fakten entscheidet die Bundesanwaltschaft dann, ob sie ein Ermittlungsverfahren einleitet oder nicht. In vergangenen Fällen war es aber so, dass solche Entscheidungen eher nicht innerhalb von wenigen Stunden oder Tagen getroffen werden. 

Welche Erfolgschancen hat ein mögliches strafrechtliches Ermittlungsverfahren?

Die Ermittlungen dürften schwierig werden. Es ginge nicht nur um den Nachweis, dass es Abhöraktionen gab, sondern darum, welche Personen sie durchgeführt haben. Im Strafrecht geht es ja darum, individuelle Schuld nachzuweisen. Diese Personen müsste man dann auch noch in Deutschland zu fassen kriegen, um sie vor Gericht zu stellen.

Und weil die US-Botschaft gerade im Fokus steht: Sollten Personen mit Diplomatenstatus an den Aktionen beteiligt gewesen sein, würde deren diplomatische Immunität strafrechtliche Ermittlungen verhindern. Dieser Schutz vor Strafverfolgung für Diplomaten ist in Artikel 31 des "Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen" geregelt. Begehen sie Straftaten, wird dies häufig mit der Ausweisung aus dem Gastland beantwortet, sie werden "persona non grata". Ob es in der Abhöraffäre also je zu einer Anklage kommen wird, ist äußerst unsicher.

Könnte Edward Snowden als Zeuge vernommen werden?

Denkbar ist das. Zeugen, die sich im Ausland befinden, werden üblicherweise im Wege eines "Rechtshilfeersuchens" vernommen. Dieses müssten die deutschen Behörden an Russland richten. Der Zeuge im Ausland würde dann von den dortigen Behörden vernommen. Manchmal sind dann deutsche Strafverfolger vor Ort dabei, manchmal nicht. Theoretisch könnte Snowden auch in Deutschland vernommen werden. Allerdings hat die EU ein Auslieferungsabkommen mit den USA geschlossen, sodass man dann prüfen müsste, ob eine Ausnahme von der Pflicht zur Auslieferung möglich wäre.

Der Begriff "Zeugenschutz", der in der Diskussion gerade genannt wird, passt aus meiner Sicht nicht richtig. Im klassischen Sinn meint er den Schutz der Identität von Zeugen, die wegen ihrer Aussagen in Strafverfahren gefährdet sind, nicht aber den Schutz vor Auslieferung. Ob es zu einer Vernehmung Snowdens kommen wird, ist momentan - schon weil es noch kein offizielles Ermittlungsverfahren gibt - absolut nicht vorhersehbar.

Verbietet das Völkerrecht die Spionage?

Auch wenn die einzelnen Staaten in ihrem nationalen Recht die Spionage bestrafen - sie ist völkerrechtlich nicht verboten. Es kann höchstens rechtlich unverbindliche Selbstverpflichtungen geben, befreundete Staaten nicht auszuspionieren. Ein "No-Spy-Abkommen", von dem gerade als mögliche Konsequenz immer wieder die Rede ist, wäre daher völkerrechtliches Neuland.

Eine Vorgabe macht das schon erwähnte "Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen" allerdings zur Frage, was in einem Botschaftsgebäude (dort "Mission" genannt) nicht geschehen darf: "Die Räumlichkeiten der Mission dürfen nicht in einer Weise benutzt werden, die unvereinbar ist mit den Aufgaben der Mission, wie sie in diesem Übereinkommen, in anderen Regeln des allgemeinen Völkerrechts oder in besonderen, zwischen dem Entsendestaat und dem Empfangsstaat in Kraft befindlichen Übereinkünften niedergelegt sind." Das kann man durchaus als allgemeine Aufforderung verstehen, dem Gastland aus dem Botschaftsgebäude heraus nicht zu schaden.