Die SPD-Politiker Schwesig, Dreyer und Schäfer-Gümbel (von links nach rechts)

SPD-Vorsitz Ein Trio für den Übergang

Stand: 03.06.2019 11:54 Uhr

Ein Trio soll kommissarisch die SPD-Führung übernehmen: die Ministerpräsidentinnen Schwesig und Dreyer sowie der hessische SPD-Politiker Schäfer-Gümbel. Kommt danach eine Doppelspitze?

Wie dem ARD-Hauptstadtstudio bestätigt wurde, sollen die Ministerpräsidentinnen von Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz, Schwesig und Dreyer, sowie der hessische SPD-Politiker Schäfer-Gümbel kommissarisch den SPD-Vorsitz von Andrea Nahles übernehmen. Dies schlage die engere Parteiführung dem momentan tagenden Parteivorstand vor. Zunächst hatten mehrere Medien darüber berichtet.

Wie lang diese Übergangslösung Bestand haben wird, ist noch unklar. Auch darüber wird zur Stunde im Willy-Brandt-Haus in Berlin beraten. Die ursprüngliche Planung sieht vor, dass die gesamte Führungsriege auf einem Parteitag im Dezember neu gewählt wird. Ob dieser Zeitplan angesichts der aktuellen Entwicklungen zu halten sein wird, ist ungewiss.

Die SPD-Politiker Schäfer-Gümbel, Klingbeil, Dreyer, Stegner und Schwesig (von links nach rechts)

Führungstrio für den Übergang: Schäfer-Gümbel (1.v.l.), Dreyer (m.), Schwesig (1.v.r.)

Grüne und Linke als Vorbild?

Mehrere Genossen bringen für den künftigen dauerhaften Parteivorsitz eine Doppelspitze mit einer Frau und einem Mann ins Gespräch - ähnlich wie bei den Grünen und der Linkspartei. "Das ist etwas, womit die anderen offensichtlich ganz gut arbeiten können", sagte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller am Rande der Vorstandssitzung.

Auch Bundesaußenminister Maas kann dem Modell etwas abgewinnen und schlägt vor, ein Führungsduo per Urwahl zu bestimmen, um die Parteibasis mit einzubeziehen: "Die Zeit der Hinterzimmer muss endlich vorbei sein", wird Maas zitiert. Auch Sachsens SPD-Chef Martin Dulig meint, wenn es mehr Kandidaten gebe, sei auch eine Urwahl denkbar. "Gerne etwas lebendiger werden", rät Dulig seiner Partei.

"Keine gute Situation"

Nach Einschätzung des ehemaligen Fraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann wird es dauern, bis die langfristige Nachfolge an der SPD-Spitze geregelt ist. "Ein, zwei Monate", prognostizierte er im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF. "Keine gute Situation insgesamt", konstatierte er, warnte aber seine Genossinnen und Genossen gleichzeitig davor, auf Zeit zu spielen: "Es nutzt nichts, weitere Niederlagen abzuwarten, damit keiner beschädigt wird." Oppermann spielt damit auf die Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern im September und Oktober an. Umfragen zufolge muss die SPD dabei weitere Verluste befürchten.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz schloss für sich aus, neuer SPD-Chef zu werden - und zwar sowohl als Interims- als auch als Dauerlösung. Bei Anne Will sagte er, das sei zeitlich nicht mit seinem Ministeramt vereinbar. Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil erklärte im NDR seinen Verzicht. Bleiben Schwesig und Dreyer.

"Machen Sie's gut"

Andrea Nahles war zunächst bei der Sitzung des SPD-Vorstands anwesend, um endgültig ihren Rücktritt als Parteichefin zu erklären. Anschließend verließ sie das Willy-Brandt-Haus: "Machen Sie's gut", rief sie den dort wartenen Journalisten zu. Nahles zieht sich komplett in ihr Privatleben zurück; auch ihr Mandat als Bundestagsabgeordnete wird sie niederlegen.

Wurde Nahles gemobbt?

Schäfer-Gümbel macht seiner Partei schwere Vorwürfe, was den Umgang mit ihrer zurückgetretenen Chefin angeht. Auf die Frage des BR, ob Nahles gemobbt worden sei, sagte er: "Ja, das muss man am Ende wirklich so sagen." Es habe einige gegeben, die im Umgang mit Nahles in den letzten Wochen und Monaten "wirklich jede Respektlosigkeit haben erkennen lassen", so Schäfer-Gümbel. Aber auch die Stimmung außerhalb der SPD sei Mitschuld am Rückzug von Nahles: "Die Verrohung der Sitten", die er teilweise auf Twitter erlebe, sei "schon teilweise beachtlich."

Mützenich voraussichtlich Interimsfraktionschef

Nach Nahles' Rückzug muss auch der Fraktionsvorsitz neu besetzt werden. Fest steht wohl, dass der dienstälteste Fraktionsvize, Rolf Mützenich, Nahles' Posten als Fraktionschefin übergangsweise übernimmt. Der Kölner Abgeordnete erklärte sich dazu bereits bereit. "Ich habe das schon häufiger als Vertretung für Andrea Nahles getan", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Als Dienstältester im Vorstand sei das ein völlig normaler Vorgang.

Wer ihm ins Amt folgt, um die SPD-Bundestagsfraktion dauerhaft zu führen, ist noch unklar. Als Kandidat wird der bisherige stellvertretende Fraktionschef Achim Post gehandelt. Der SPD-Linke Matthias Miersch und Ex-Kanzlerkandidat Martin Schulz hatten hingegen noch vor Nahles' Rücktrittsankündigung erklärt, nicht gegen sie anzutreten - was nicht automatisch bedeutet, dass sie eine Kandidatur grundsätzlich ausschließen.

Der SPD-Abgeordnete Rolf Mützenich

Soll kommissarisch das Amt des SPD-Fraktionschefs übernehmen: Rolf Mützenich.

Zeitplan durcheinandergewirbelt

Ursprünglich wollte die SPD im Dezember einen Parteikonvent abhalten, um eine Halbzeitbilanz ihrer Arbeit in der Großen Koalition zu ziehen und den Vorstand neu zu wählen.

Doch ob dieser Zeitplan zu halten ist, ist mehr als fraglich - auch wenn es Stimmen gibt, die ein Vorziehen ablehnen, so wie Parteivize Karl Lauterbach: Das sei nicht sinnvoll, "weil wir dann gerade voll in der Arbeit sind, zum Beispiel an Gesundheitspolitik und Arbeitsmarktpolitik", und wenn man das dann unterbreche, werde die Bilanz zu mager sein, sagte Lauterbach der "Passauer Neuen Presse".

Ähnlich äußerte sich der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, im rbb. Die GroKo sei für vier Jahre gewählt worden, und im Dezember seien zwei Jahre vergangen. "Dann wird in Ruhe bewertet, ob es noch eine Basis für zwei weitere Jahre gibt." Aus Kahrs' Sicht geht es derzeit ohnehin nicht um das Regierungsbündnis mit der Union, sondern um das Binnenverhältnis der SPD. Man sei "nicht gewählt worden, um zu streiten, sondern um Inhalte zu realisieren", so Kahrs.