Ein Wissenschaftler zeigt einen Corona Schnelltest im Leibnitz Institut für Photonische Technologien
Hintergrund

Wege aus der Corona-Krise Welche Chancen bieten Schnelltests?

Stand: 27.05.2020 13:00 Uhr

Schnelltests werden des Öfteren als möglicher Ausweg aus der Corona-Krise genannt. Doch wie sehr trifft dies zu? Welche Schnelltests gibt es und wo könnten sie sinnvoll sein?

Von Sandra Stalinski, ARD-aktuell

Screenings sind als möglicher Ausweg aus den Corona-Beschränkungen in der Diskussion. Wenn beispielsweise Kita- und Schulkinder, Erzieher und Lehrkräfte einmal die Woche auf eine SARS-CoV-19-Infektion getestet würden, könnten Ausbrüche früh erkannt und eingedämmt werden.

Doch derzeit scheitern solche Überlegungen an den vorhandenen Testkapazitäten. Was mit etwa 3000 Tests pro Woche bei Profi-Fußballern schon Realität ist, klingt angesichts von knapp 14 Millionen Kita- und Schulkindern in Deutschland nach Utopie.

Aber was, wenn es Tests gäbe, die innerhalb weniger Minuten das Ergebnis anzeigen würden? An solchen Schnelltests wird seit Beginn der Corona-Krise geforscht - bislang aber mit mäßigem Erfolg.

PCR-Tests am sichersten und günstigsten

Aber Vorsicht: Wenn von Schnelltests die Rede ist, kommt es häufig zu Missverständnissen. Die verschiedenen Testarten sind grundsätzlich zu unterscheiden: Die gängigste, sicherste und kostengünstigste Testmethode ist die PCR (Polymerase-Kettenreaktion). Hier wird das Erbgut des Virus im Labor vervielfältigt, sodass sich die Infektion mit dem Virus nachweisen lässt.

Die Labore in Deutschland schaffen aktuell um die 900.000 solcher Tests pro Woche. Nur etwa die Hälfte davon wird derzeit abgerufen. Die Testergebnisse können schon nach wenigen Stunden vorliegen. Dass es doch oft viel länger dauert, bis eine Testperson ihr Ergebnis bekommt, hängt an der Infrastruktur drumherum. Bis eine Probe ins Labor gebracht wird, eine Auswertung vorliegt, die dann an die Teststelle und schließlich den Patienten übermittelt wird, kostet Zeit.

Antikörpertests taugen nicht für akute Infektion

Wenn in letzter Zeit von Schnelltests zu lesen war, ging es meist um Antikörpertests. Die sind bereits im Handel erhältlich. Sie sind aber zum Erkennen einer akuten Infektion nicht geeignet. Sie können lediglich nach überstandener Infektion anzeigen, ob Antikörper gebildet wurden und ein Immunitätsschutz - zumindest für eine gewisse Zeit - besteht.

Herstellung von Corona-Schnelltests in Cheongju

Herstellung von Antikörpertests in Cheongju

Allerdings sind die Ergebnisse dieser Tests noch nicht hundertprozentig sicher. Wer also aufgrund eines solchen Tests entscheidet, die Großeltern zu besuchen oder sich nicht mehr zu schützen, könnte ein großes Risiko eingehen.

Mobile Diagnostikgeräte als "Game Changer?"

In den vergangenen Wochen wurde auch über Schnelltests berichtet, für die es kein Labor mehr braucht, sondern nur einen Apparat, der innerhalb weniger Minuten ein Ergebnis "ausspuckt". Die amerikanische Pharmafirma Abbot hat beispielsweise für ihr mobiles Diagnostikgerät ID Now von der US-Gesundheitsbehörde FDA bereits eine Notzulassung bekommen.

Auch die Firmen Bosch und Randox haben gemeinsam Apparate entwickelt, mit denen Schnelltests möglich sind und die dabei gleich neun weitere Atemwegserkrankungen testen können. Daneben gibt es eine ganze Reihe von anderen Firmen, die solche oder ähnliche Geräte anbieten. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie im Prinzip funktionieren wie eine PCR - nur eben eine besonders schnelle.

Zu unsicher, zu teuer

Könnten diese Apparate zum "Game Changer" werden, indem sie beispielsweise am Flughafen alle, die ein Flugzeug besteigen wollen, erstmal testen?

"Auf gar keinen Fall", sagt Matthias Orth, Vorstandsmitglied beim Berufsverband Deutscher Laborärzte. Die Geräte hätten gleich mehrere Nachteile. Erstens seien sie nicht so sicher wie eine PCR im Labor. "Das heißt, bei Verdachtsfällen muss man dennoch einen oder mehrere weitere Tests machen, um Sicherheit zu haben. Damit ist dann wenig gewonnen", sagt er im Gespräch mit tagesschau.de.

Zweitens seien all diese Geräte sehr teuer, eins könne mehrere Zehntausend Euro kosten, hinzu kämen mindestens 100 Euro für die Testkartuschen. "Und es gibt nur wenige davon auf dem weltweiten Markt. Wegen der komplizierten Technik können sie nicht einfach so massenweise hergestellt werden", sagt Orth.

Das größte Problem dürfte aber sein, dass solche Apparate jeweils nur einen Test, maximal zwei gleichzeitig durchführen können. Auch wenn das Ergebnis dann vergleichsweise schnell da ist, wäre es nicht praktikabel, die Reisenden eines gesamten Flughafens bei normalem Reiseverkehr durchzutesten. "Bei einem abgelegenen Krankenhaus in den Alpen, wo es kein Labor gibt, kann so ein Gerät vielleicht sinnvoll sein", meint Orth. "Ansonsten fällt mir keine Situation ein, wo sein Einsatz sich lohnen würde."

Vielversprechende Antigentests?

Ebenfalls in der Entwicklung sind Schnelltests, die - wie ein Schwangerschaftstest - ganz ohne größere Technologie in jeder Arztpraxis durchgeführt werden könnten. Sie testen auf Antigene, nicht Antikörper, weisen also direkt Bestandteile des Virus selbst nach.

Jüngst ist dazu eine vielversprechende Studie einer Arbeitsgruppe erschienen, die einen solchen Test selbst entwickelt hat, genannt Respi-Strip. Er könnte wegen des relativ geringen technologischen Aufwands tatsächlich kostengünstig als Massenprodukt hergestellt werden.

Mit einem Abstrichtupfer wird eine Probe aus dem Rachen entnommen, dann wird er in eine Flüssigkeit getaucht und in dieser Flüssigkeit kann dann ein Teststreifen innerhalb von 15 Minuten das Ergebnis anzeigen.

Respi-Strip zur Vortestung?

Der große Haken allerdings: Die Testergebnisse sind zu einem vergleichsweise hohen Prozentsatz falsch. Bei fast 75 Prozent der Patienten, die sehr viele Viruspartikel ausscheiden, also potenziell hoch-infektiös sind, werden tatsächlich positiv getestet, sagt der Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité im NDR-Podcast "Coronavirus-Update". Bei den weniger infektiösen Patienten sei die Nachweisempfindlichkeit "grottenschlecht".

Dennoch hält Drosten einen solchen Test für bestimmte Situationen für sinnvoll. Wenn man in einer Arztpraxis oder beim Nachtdienst im Krankenhaus beispielsweise ganz schnell die Information brauche: Ist der Patient gefährlich? Bis das sichere Ergebnis eines PCR-Labortests vorliege, könne eine solche "Vortestung" als Entscheidungshilfe dienen, ob man den Patienten von anderen isolieren muss.

Sehr viele falsch negative Testergebnisse

Der Leiter der Virologie am Max von Pettenkofer-Institut der LMU München, Oliver Keppler, sieht das eher kritisch: "Ein positives Ergebnis bei diesem Test hat relativ starke Aussagekraft. Allerdings gibt es sehr viele falsch negative Ergebnisse. Dies könnte bis zu 80 Prozent der Patienten betreffen", so er im Gespräch mit tagesschau.de.

"Deswegen würde ich davon die Finger lassen. Denn unsere Erfahrungen im klinischen Alltag bei der Influenza zeigen, dass das Personal dazu neigt, sich doch stark an einem solchen Testergebnis zu orientieren", so Keppler. "Auch wenn sie eigentlich wissen sollten, dass ein negatives Ergebnis nicht wirklich aussagekräftig ist." Die Gefahr einer Fehlinterpretation und damit dann auch eines falschen Umgangs mit einem COVID-19-Verdachtspatienten sei einfach zu hoch.

Selbsttests aus der Apotheke utopisch

Keppler glaubt auch nicht, dass die Empfindlichkeit - also die Sicherheit - dieser Tests in der Entwicklung noch deutlich besser werden kann. Das grundsätzliche Nachweisverfahren solcher Antigen-basierter Tests ist 1000- bis 10.000fach weniger empfindlich als eine herkömmliche PCR. Und das werde sich auch durch noch mehr Forschung nicht maßgeblich ändern.

Die Hoffnung, es könne in absehbarer Zeit einen Test zum sicheren Direktnachweis des Virus geben, den sich jeder in der Apotheke kaufen kann, wird sich also wohl nicht erfüllen. Zumal es sich bei den Abstrichen aus dem Rachen um hoch-infektiöses Material handeln könnte. Damit einfach zu Hause am Küchentisch zu hantieren, verbietet auch das Infektionsschutzgesetz.

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