Berichte über Aktivitäten des US-Geheimdienstes Spionage-Skandal empört Europa

Stand: 01.07.2013 07:37 Uhr

Der Skandal um die weltweite Datenspionage der US-Geheimdienste droht zur schweren Belastung für das Verhältnis Deutschlands und Europas zu den USA zu werden. Die Empörung in Berlin und Brüssel ist groß. Die Bundesjustizministerin zeigte sich tief enttäuscht.

Die neuesten Berichte über die umfangreiche Überwachung Deutschlands sowie von EU-Einrichtungen durch den US-Geheimdienst NSA haben in Brüssel und Berlin für Empörung und Entsetzen gesorgt. Der Skandal droht zu einer schweren Belastung für das transatlantische Verhältnis zu werden.

Fassungslos reagierten Politiker von Regierung und Opposition in Berlin auf Berichte, wonach die Überwachung Deutschlands durch die NSA offenbar viel umfangreicher ist als bislang angenommen. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe prüft nach eigenen Angaben, ob sie für mögliche Ermittlungen zuständig ist.

Alle fordern Aufklärung

"Es sprengt jede Vorstellung, dass unsere Freunde in den USA die Europäer als Feinde ansehen", sagte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. CDU-Innenexperte Clemens Binninger forderte von den US-Behörden rasche Aufklärung. "Ein solches Verhalten unter befreundeten Staaten ist geeignet, das gegenseitige Vertrauen zu erschüttern." Auch Bundespräsident Joachim Gauck verlangte Aufklärung.

Der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Wolfgang Bosbach, sagte dem "Kölner Stadtanzeiger": "Erklären kann ich mir das amerikanische Vorgehen nur vor dem Hintergrund des 11. September, weil ja die Terrorzelle in Deutschland gelebt hat." Dies sei aber weder eine Erklärung noch eine Rechtfertigung dafür, Daten zu speichern, die "ohne jede Sicherheitsrelevanz" seien.

Im Sommerinterview des Bericht aus Berlin sprach sich die Spitzenkandidatin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, für einen Untersuchungsausschuss im Europaparlament aus. Zudem forderte sie, die Verhandlungen über das europäisch-amerikanische Freihandelsabkommen auszusetzen.

SPD, Grüne und Linkspartei forderten Kanzlerin Angela Merkel auf, in Washington auf Aufklärung zu dringen. "Die Bundesregierung muss den Sachverhalt schnellstens klären", sagte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück gegenüber "Spiegel Online".

"Partner dritter Klasse"

Zuvor hatte der "Spiegel" berichtet, dass die NSA in Deutschland so aktiv wie in keinem anderen Land der Europäischen Union ist. Das Magazin beruft sich dabei auf geheime Dokumente, die der frühere US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden mitgenommen hatte. Systematisch würde einen Großteil der Telefon- und Internetverbindungsdaten kontrolliert und speichert. Monatlich würden in der Bundesrepublik rund eine halbe Milliarde Kommunikationsverbindungen - Telefonate, Mails, SMS oder Chats - überwacht.

Aus einer vertraulichen Klassifizierung gehe zudem hervor, dass die NSA die Bundesrepublik zwar als Partner, aber auch als Angriffsziel betrachte. Demnach gehöre Deutschland zu den "Partnern dritter Klasse". Ausdrücklich ausgenommen von Spionageattacken seien nur Kanada, Australien, Großbritannien und Neuseeland.

Empörung auch auf EU-Ebene

Aber auch die EU werde gezielt ausgespäht - so habe der US-Geheimdienst die diplomatische Vertretung der EU in Washington sowie bei den Vereinten Nationen in New York mit Wanzen versehen und das interne Computernetzwerk infiltriert. Somit hätten die Amerikaner Besprechungen abhören und Dokumente oder Mails auf PCs lesen können.

Führende EU-Politiker äußerten sich empört. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz forderte im Gespräch mit "Spiegel Online" genauere Informationen. "Aber wenn das stimmt, ist es ein Riesenskandal", sagte Schulz. Dies bedeute eine große Belastung für die Beziehungen der EU und der USA. Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn erklärte, die US-Spionage sei offenbar "außer Kontrolle" geraten. Die USA seien besser damit beraten, ihre Geheimdienste zu überwachen, "statt ihre Verbündeten".

Empörung kommt auch aus Frankreich: "Diese Aktionen, so sie denn bestätigt werden, wären absolut inakzeptabel", sagte Außenminister Laurent Fabius. "Wir erwarten, dass die amerikanischen Behörden so schnell wie möglich Antworten auf die legitimen Fragen haben, die sich aus diesen Enthüllungen ergeben."

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