Zschäpe

NSU-Prozess in München Zschäpe zu lebenslanger Haft verurteilt

Stand: 11.07.2018 15:30 Uhr

Höchststrafe für Beate Zschäpe: Als Mittäterin an den Morden und Gewalttaten des rechtsextremen NSU ist sie zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Gericht stellte zudem die besondere Schwere der Schuld fest.

Im NSU-Prozess ist die Hauptangeklagte Beate Zschäpe wegen zehnfachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Oberlandesgericht (OLG) München stellte zudem die besondere Schwere der Schuld fest - damit ist eine Haftentlassung nach 15 Jahren rechtlich zwar möglich, in der Praxis aber so gut wie ausgeschlossen. Eine Sicherungsverwahrung im Anschluss an die Haft ordneten die Richter nicht an. Das Gericht sei zu dem Schluss gekommen, dass dies nicht erforderlich sei, sagte der OLG-Pressesprecher Florian Gliwitzky nach der Urteilsverkündung.

Mit dem historischen Urteilsspruch folgte das Gericht dem Antrag der Bundesanwaltschaft und verurteilte Zschäpe als Mittäterin an den Morden und Anschlägen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU). Der Mitangeklagte Ralf Wohlleben wurde als Waffenbeschaffer für den NSU zu zehn Jahren Haft verurteilt. Das OLG sprach ihn der Beihilfe zum Mord schuldig. Der Mitangeklagte Holger G. wurde zu drei Jahren Haft verurteilt, der Mitangeklagte Carsten S. zu drei Jahren Jugendstrafe, der Mitangeklagte André E. zu zwei Jahren und sechs Monaten.

André E. kommt frei

André E. wird nun aus der Untersuchungshaft entlassen. Der Haftbefehl gegen ihn wurde aufgehoben, da die Untersuchungshaft nicht mehr verhältnismäßig sei, sagte der Vorsitzende Richter Manfred Götzl bei der Urteilsverkündung. E. könne wie Holger G. und Carsten S. auf freiem Fuß bleiben, bis das Urteil rechtskräftig ist. S. und G. waren schon seit längerem nicht mehr in Untersuchungshaft. Zschäpe und Wohlleben bleiben hingegen in Untersuchungshaft.

Damit endet nach mehr als fünf Jahren einer der längsten und aufwendigsten Indizienprozesse der deutschen Nachkriegsgeschichte. Zschäpes Verteidiger Wolfgang Heer kündigte an, Revision gegen das Urteil einzulegen. Dann muss der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil überprüfen. Dort wollen auch die Verteidiger des Mitangeklagten Wohlleben das Urteil prüfen lassen.

Besondere Schwere der Schuld

Zschäpe hatte fast 14 Jahre lang mit ihren Freunden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Untergrund gelebt. In dieser Zeit ermordeten die beiden Männer neun Gewerbetreibende türkischer oder griechischer Herkunft und eine deutsche Polizistin, zudem verübten sie zwei Bombenanschläge in Köln mit Dutzenden Verletzten. Zwar gibt es keinen Beweis, dass Zschäpe an einem der Tatorte war. Die Anklage hatte ihr allerdings eine maßgebliche Rolle bei der Tarnung des Trios zugeschrieben und argumentiert, Zschäpe habe "alles gewusst, alles mitgetragen und auf ihre eigene Art mitgesteuert und mit bewirkt". Dieser Argumentation folgte das Gericht nun mit seinem Urteil.

Zschäpes zwei Verteidiger-Teams hatten den Freispruch ihrer Mandantin von allen Morden und Anschlägen gefordert: Die 43-Jährige sei keine Mittäterin, keine Mörderin und keine Attentäterin. Zschäpe selbst hatte schriftlich erklärt, sie habe von den Morden und Anschlägen ihrer Freunde immer erst im Nachhinein erfahren.

Weitere Aufarbeitungen gefordert

Die Reaktionen auf das Urteil fallen geteilt aus: Zu Erleichterung mischen sich Kritik an den Behörden und Rufe nach weiterer Aufklärung. "Wenn das Gericht ehrlich ist, wird es auch noch sagen, dass Lücken geblieben sind. Solange diese Lücken bleiben, können meine Familie und ich nicht abschließen", sagte Gamze Kubasik, die Tochter des in Dortmund ermordeten Mehmet Kubasik. Nebenklage-Anwalt Mehmet Daimagüler sagte zum türkischen Staatssender TRT: "Die Staatsanwaltschaft will die Akte schließen. Sie sagen, es reicht. Aber das werden wir bestimmt nicht zulassen."

Gamze Kubasik

"Wir können nicht abschließen", sagte Gamze Kubasik nach Urteilsverkündung.

Etwa 200 Demonstranten verlangten vor dem Gerichtsgebäude eine weitere Aufklärung der Terrorserie. Die Helferkreise des NSU müssten weiter juristisch verfolgt werden. Auch die Rolle des Verfassungsschutzes müsse aufgeklärt werden, hieß es bei einer Kundgebung. Nötig sei zudem "eine Auseinandersetzung mit Rassismus in unserer Mitte, in unserem Alltag, auch in unseren Institutionen", sagte eine Sprecherin der Kampagne "Kein Schlussstrich".

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