Hendrik Wüst (r, CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, nimmt neben Friedrich Merz, CDU Bundesvorsitzender, an einer Pressekonferenz nach der Sitzung des CDU-Bundesvorstands in der Parteizentrale teil.

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Stand: 16.05.2022 15:01 Uhr

Nach der Landtagswahl in NRW arbeiten die Parteien die Ergebnisse auf. Wahlgewinner Wüst (CDU) bekräftigte seinen Anspruch auf eine Regierungsbildung. Die SPD hofft aber weiterhin auf eine Ampelkoalition - trotz historischer Wahlklatsche.

Die CDU und Ministerpräsident Hendrik Wüst sind die klaren Gewinner der gestrigen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Entsprechend selbstbewusst gaben sich Wüst und CDU-Chef Friedrich Merz heute in Berlin. "Das Wählervotum ist eindeutig. Wir haben das Vertrauen der Menschen, auch in Zukunft eine Regierung zu bilden und anzuführen", sagte Wüst vor den Beratungen der CDU-Spitzengremien.

Wüst will Regierung "auf Augenhöhe"

Wüst kündigte die Bildung einer neuen Regierung "auf Augenhöhe" an. Zentrale Frage sei die Versöhnung von Ökonomie und Ökologie. Die "Augenhöhe" hatte gestern die Grünen - die ebenfalls massiv Stimmen gewinnen konnten - gefordert. Wüst aber wollte sich noch nicht festlegen, mit wem er künftig regieren möchte. Er werde "auf alle demokratischen Parteien, die im Landtag vertreten sind", zugehen. Erste Gespräche würden "in den kommenden Tagen" geführt. 

Die CDU hatte laut vorläufigem Ergebnis die Wahl mit 35,7 Prozent der Stimmen gewonnen. Die SPD stürzte auf ein Rekordtief von 26,7 Prozent ab. Die Grünen wiederum verbuchten ein Rekordhoch von 18,2 Prozent. Die FDP sackte auf 5,9 Prozent ab, die AfD verlor ebenfalls und kam auf 5,4 Prozent.

Für CDU-Chef Friedrich Merz ist seine Partei nach dem Wahlerfolg nun wieder die "Nummer 1 in Deutschland". Zugleich äußerte sich Merz besorgt über die deutlich gesunkene Wahlbeteiligung in NRW. Dies müsse allen demokratischen Parteien zu denken geben. Auch die CDU habe in NRW 180.000 Wählerinnen und Wähler an das Nichtwähler-Lager verloren und damit das eigentlich mögliche Potenzial der Partei nicht ausgeschöpft.

Kutschaty: Große Koalition nicht auf dem "Wunschzettel"

Die historisch niedrige Wahlbeteiligung macht auch der SPD zu schaffen. Im Vergleich zur vorherigen Landtagswahl 2017 fiel sie um 9,6 Prozentpunkte auf 55,5 Prozent. SPD-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty sagte, die mangelnde Beteiligung sei "erschreckend". Offenbar habe der Rückgang seiner Partei besonders stark geschadet. "Das müssen wir uns jetzt nochmal genau angucken".

Den Vortritt für Koalitionsgespräche sieht Kutschaty klar bei der CDU. "Das Erstvorschlagsrecht liegt beim Wahlgewinner". Gleichwohl stehe die SPD für Gespräche über eine Ampel bereit. Alle demokratischen Parteien in NRW würden miteinander reden, sagte Kutschaty auf die Frage nach der theoretischen Möglichkeit einer großen Koalition zwischen CDU und SPD. Diese stehe für ihn aber nicht auf Platz eins seines "Wunschzettels".

SPD-Chef Lars Klingbeil sieht trotz der Wahlniederlage aber keinen Grund den bundespolitischen Kurs der Sozialdemokraten zu korrigieren. Stattdessen müsse die SPD ihre Politik künftig besser kommunizieren. Die Ampel-Koalition habe viele gute Maßnahmen auf den Weg gebracht. Nun gehe es darum, "dass wir das, was wir Gutes tun, auch stärker kommunizieren. Das ist für mich die Lehre."

Klingbeil betonte, das die gesamte SPD - inklusive der Bundespartei und des Bundeskanzlers - dieses Wahlergebnis zu verantworten habe. "Wir kämpfen zusammen, wir gewinnen zusammen, aber - so wie gestern - fahren wir dann auch zusammen Ergebnisse ein, die wir nicht gut finden."

Die Grünen haben die Qual der Wahl

Klar ist, die ganz großen Wahlgewinner sind die Grünen. An ihnen wird in den kommenden Tagen und Wochen wohl kein Weg vorbeiführen: Wer in Nordrhein-Westfalen regieren will, wird mit der Grünen-Landeschefin Mona Neubaur verhandeln müssen. Im Vergleich zur Landtagswahl 2017 konnte die Partei ihr Wahlergebnis fast verdreifachten.

"Wir sind so stark, dass eine Regierungsbildung um uns herum, beziehungsweise ohne die Grünen nicht möglich sein wird", sagte Neubaur in Berlin. Die Partei stehe für Gespräche mit der CDU, "aber auch mit den anderen demokratischen Parteien, SPD und FDP bereit." Es gebe keine Automatismen für eine bestimmte Koalition, und es werde auch nichts ausgeschlossen. Am Abend werde der Landesvorstand über die nächsten Schritte beraten.

Auch die Grünen-Fraktionschefin im Bundestag, Katharina Dröge, ließ noch keine Vorliebe für eine bestimmte Koalition erkennen. "Am Ende kommt es wirklich darauf an, was man in Verhandlungen rausholt". Entscheidend seien Themen wie Klimaschutz und Verkehrswende.

An die Adresse des CDU-Ministerpräsidenten sagte Dröge: "Hendrik Wüst muss sich auf jeden Fall verabschieden von einer Politik, die auf das Ausbremsen der Energiewende setzt." Dröge sagte zu den Spekulationen über die künftige Koalition in Düsseldorf: "Wir regieren ja auf Landesebene in sehr unterschiedlichen Konstellationen. Und am Ende kommt es wirklich darauf an, was man in Verhandlungen rausholt."

FDP: "Ein ausgesprochen bitterer Abend"

Die großen Verlierer der Wahl sind die bisher mitregierenden Liberalen. FDP-Spitzenkandidat Joachim Stamp sprach von einem "ausgesprochen bitteren Abend" und sagte voraus: "Wir werden jetzt in Nordrhein-Westfalen eine schwarz-grüne Koalition bekommen. Es ist klar erkennbar, dass die CDU bereit sein wird, auch für die Wahl des Ministerpräsidenten viele Inhalte zu opfern." Es gebe einen "klaren Regierungsauftrag für CDU und Grüne".

FDP-Chef Lindner sieht für die Verluste auch auch bundespolitische Gründe. Zu dem "dramatischen Einbruch" bei den über 60-jährigen Wählern habe die große Unzufriedenheit mit der Energiepreispauschale beigetragen, sagte Lindner in Berlin.

Lindner betonte, die Ampel-Koalition sei nie der "politische Wunschtraum" der FDP gewesen. "Wir regieren in der Ampel aus staatspolitischer Verantwortung, weil CDU und CSU nach der Bundestagswahl nicht willens und in der Lage waren, eine Regierung zu bilden." Zudem herrsche jetzt Krieg in Europa und die Wirtschaft befinde sich in einer riskanten Lage. Die FDP müsse zwar ihre Probleme aufarbeiten. Im Zentrum stehe aber das Regierungshandeln.

AfD: "Haben Federn gelassen"

Am rechten Rand musste die AfD erneut Verluste hinnehmen, sie schaffte es mit 5,4 Prozent aber noch knapp in den Landtag. AfD-Spitzenkandidat Markus Wagner sieht auch die niedrige Wahlbeteiligung als Grund für das schlechte Abschneiden. "Natürlich hätten wir uns ein besseres Ergebnis gewünscht", sagte Wagner in Berlin. "Wir haben in Saldo nicht viele Stimmen an die anderen Parteien verloren, aber die niedrige Wahlbeteiligung hat uns natürlich auch geschadet." Man habe "Federn gelassen". Er sei aber froh darüber, den Landtag wieder erreicht zu haben.

Der AfD-Fraktionsvorsitzende Tino Chrupalla lobte die "Geschlossenheit der Partei". Diese habe sich im Wahlkampf ausgezeichnet "und hat gezeigt, dass wir wieder in den Landtag einziehen konnten". Gleichwohl sei die Partei mit dem Ergebnis "alles andere als zufrieden". Vor allem, weil die AfD viele Wähler der Landtagswahl von 2017 wieder an die Nichtwähler verloren habe. Es sei nun an der Partei, die Gründe aufzuarbeiten.

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