Obay Alhameadi
mittendrin

Sozialarbeit im Jugendtreff Rap als Therapie

Stand: 31.01.2024 14:41 Uhr

Das "Basement26" in Frankfurt am Main ist für viele Jugendliche ein wichtiger Anlaufpunkt. Ein Weg für die Sozialarbeiter, mit ihnen in Kontakt zu treten, ist Rap. Über die Musik verarbeiten sie schwere Erlebnisse.

"Schön, dass du da bist", sagt Sozialarbeiter Erin Sullivan breit grinsend, bevor er den 19-jährigen Obay Alhameadi herzlich umarmt. "Wie geht es dir?", fragt er. Sofort entsteht eine freundschaftliche Atmosphäre und Obay beginnt zu erzählen. Eine sinnbildliche Szene - denn so sieht es heute öfter aus, wenn Erin Sullivan einen der 15 Jungs begrüßt, die an diesem Tag hergekommen sind.

"Für manche ist das hier wie ein zweites zu Hause," freut sich der 37-Jährige, der das "Basement26" in Frankfurt am Main leitet. Einige der Jugendlichen - die Jungs sind hier unter sich - chillen am liebsten auf der Couch und zocken "Fifa". Andere spielen Basketball. Der Jüngste an diesem Nachmittag ist der 12-jährige Martin (Name von d. Redaktion geändert), der aus der Inobhutnahme in der Nähe kommt. Er ist ohne seine Eltern in Frankfurt, will nur drei Monate bleiben.

"Das ist hier ein Andockpunkt", sagt Erin Sullivan über den Kinder- und Jugendtreff der gemeinnützigen Bethanien Diakonissen-Stiftung, der im Kellergeschoss eines Altenpflegeheims liegt. "Man trifft Freunde, kann zum Beispiel boxen oder musizieren." Darauf könnten sich die Kinder und Jugendlichen, davon viele mit Migrationshintergrund, fokussieren anstatt "irgendwo draußen Quatsch zu treiben", so Sullivan.

Rap-Musik als Schlüssel

Die Musik spielt dabei eine ganz besondere Rolle. "Jeder Zweite hier hört privat Rap", weiß der Chef des "Basement26". Rap-Musik verkörpere etwas "von der Straße" und sei die Möglichkeit, etwas zu erzählen, das man selbst erlebt habe, erklärt Sullivan. Er hat selbst als Jugendlicher begonnen zu rappen, hatte aber keinen Ort, um seine Musik aufzunehmen.

Genau den hat er jetzt geschaffen: Eine alte Abstellkammer hat der Jugendtreff-Leiter in ein kleines Tonstudio verwandelt. Gerade einmal zwei Leute passen hier rein - er selbst, der die Musik abmischt, und ein Hobby-Rapper. Bezahlen müssen die Jugendlichen dafür nicht.

Eric Sullivan

Eric Sullivan leitet das "Basement26".

Obay Alhameadi steht hier so oft wie möglich vor dem Mikrofon, hat schon ein gutes Dutzend Rap-Songs aufgenommen. Sein Vorbild: Eminem.

Am Anfang habe er jedes Mal ganz schwitzige Hände und sei sehr aufgeregt, erzählt der 19-jährige Syrer grinsend. Ihm ist anzumerken, wie sehr er sich darauf freut, heute einen weiteren Song zu produzieren. Den Beat dafür habe ein Freund gemacht, den Text hat er auf dem Handy.

"Ich rappe über meine Geschichte", sagt Alhameadi. Vor acht Jahren ist er mit seiner Familie aus Syrien geflüchtet. "Ich habe den Tod vor meinen Augen gesehen," sagt er und wird ernst.

Jugendliche verarbeiten schwere Erlebnisse über ihre Musik

Auf seiner Flucht habe er in mehreren Ländern insgesamt sieben Mal im Gefängnis gesessen, sei geschlagen und von seinen Eltern getrennt worden. "Ich war illegal, also ein illegaler Mensch", beschreibt Alhameadi den Grund für seine Inhaftierungen.

"Als ich nach Deutschland kam, hatte ich auch viele Schwierigkeiten. Aber das waren alles einfachere Schwierigkeiten als in Syrien," so der 19-Jährige. Vor kurzem hat er sein Fachabitur in Frankfurt gemacht. Bald will er ein Freiwilliges Soziales Jahr beginnen. "Deswegen bleibe ich immer dankbar."

Obay Alhameadi nickt zum Beat rhythmisch mit dem Kopf, bewegt seine Hände zu seinem Rap-Text, den er teils spontan im Freestyle ergänzt. Auf Englisch beschreibt er die Probleme in seiner Jugend - und auch, wie ein guter Freund vor seinen Augen erschossen wurde.

Rap als Anknüpfungspunkt für Gespräche

Sozialarbeiter Erin Sullivan ist selbst Halb-Amerikaner, versteht die englischen Texte daher gut, die er über Kopfhörer zur Musik mischt. "Das ist schon krass teilweise, gerade wenn man die Leute wirklich kennt. Das nimmt einen schon mit," gesteht er. "Wenn ich Dinge raushöre, spreche ich das schon an," berichtet er über diese moderne Form der Sozialarbeit, die jungen Menschen wie Obay Alhameadi hilft, schwere Erlebnisse zu verarbeiten.

Die Musik ist im "Basement26" ein echter Türöffner für Gespräche, die sonst vielleicht nicht zustande kommen würden. Nicht immer gebe es einen intensiven Austausch über tiefgreifende Probleme, erklärt der Leiter des Kinder- und Jugendtreffs. Er wolle die Jungs auch nicht ständig nerven, sondern ihnen stattdessen einen Ausgleich geben.

Wenn sie sich von ihrer Realität ablenken lassen wollten, "dann können sie das bei uns machen", so Sullivan. Mit dem Tonstudio könne man die Leute einfach von der Straße wegholen, sodass sie "nicht auf Parkbänken rumchillen". Denn viele würden sich langweilen, draußen herumsitzen und dann zu Alkohol oder auch zu Drogen greifen.

Jugendliche sind dankbar

Die Musik "lenkt den Fokus weg und sorgt dafür, dass sie nicht immer wieder ins gleiche Raster fallen. Damit geben wir ihnen die Möglichkeit, ihr Leben anders bestreiten zu können", erklärt der Sozialarbeiter.

"Es bedeutet mir alles", bestätigt Obay Alhameadi und schaut Erin Sullivan dabei dankbar an. "Das hilft dir, Sachen zu verarbeiten." Für ihn sei das wie Therapie, betont der 19-jährige Syrer. "Ich weiß nicht, wo ich jetzt wäre ohne die Studio-Parts mit Erin."

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