U-Bahn an der Station Landungsbrücken in Hamburg - im Hintergrund die Elbphilharmonie
Mittendrin

U-Bahn-Reiniger in Hamburg Die Helden der Nacht

Stand: 25.05.2024 15:43 Uhr

Wenn der Tag sich dem Ende neigt, fahren die Hamburger U-Bahnen in ihre Depots. Dort warten die Putzteams und reinigen im Akkord. Bis heute ist das reine Handarbeit.

Gyulhan Marinov hat einen Besen in der Hand und fegt in Windeseile durch das Abteil. Auf dem Boden liegt Linsensalat, der aus einem Plastikbecher quillt, daneben Papier und Zigarettenstummel. Für einen Wagen hat Marinov nur wenige Minuten Zeit. Denn das Team aus 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern muss jede Nacht alle 800 U-Bahn-Waggons in Hamburg durchkämmen.

Besonders dreckig ist es an Wochenenden. Dann sind mehr Menschen unterwegs und auch viele Besoffene. "Manchmal finden wir auch Kotze", erzählt Marinov. "Oder noch schlimmer: Kacke". Auch das muss er dann aufwischen. "Das ist eben unser Job. Die U-Bahn muss morgen wieder sauber sein."

Auch Kondome, Tampons und Hundehaare findet Marinov regelmäßig. Und Portemonnaies, Uhren oder Handys, die dann ins Fundbüro gebracht werden. "Einmal haben wir sogar einen Kinderwagen gefunden", erinnert sich Marinov und lacht.

"Das ist eine Kraftarbeit"

Aber es wird nicht nur gekehrt. Jede Nacht wird zudem der Boden in den Waggons mit einem Reinigungsmittel eingesprüht und dann gemoppt. Dazu kommt eine gründlichere Reinigung alle 21 Tage. Dann werden die Fenster geputzt und Griffe gewischt. Zweimal im Jahr findet dann noch die sogenannte Grundreinigung statt. Dabei wird jede Ecke der U-Bahn Waggons poliert und sogar der Fußboden neu beschichtet.

Nicht jeder kann diesen Job machen, da ist sich Mehmet Yetis sicher. Der Polier ist der dienstälteste Mitarbeiter der U-Bahn Reinigung. Vor 37 Jahren begann er hier und arbeitet seither jede Nacht. Mittlerweile organisiert er den Dienstplan mit und führt auch Bewerbungsgespräche.

"Viele unterschätzen, wie hart der Arbeitsalltag ist. Die denken: Ach, das ist eine leichte Sache mit dem Moppen. Aber das ist eine Kraftarbeit, da muss man körperlich fit sein", erzählt Yetis. "Da tauchen viele schon nach ein paar Tagen nicht mehr auf."

Bezahlt nach Tariflohn - mit Nachtzulage

Yetis sucht deshalb besonders nach Kandidaten, die ein geregeltes Leben führen. "Eine Familienverantwortung muss da sein. Der muss sagen: Ich habe Kinder, ich habe eine Familie, ich muss diesen Job gut machen, damit ich bleiben kann." Mit elf Jahren kam Yetis mit seiner Familie aus der Türkei. Mit Anfang 20 begann er bei der U-Bahn-Reinigung.

Heute schaut er mit Stolz zurück: "Natürlich wäre ich noch stolzer, wenn ich damals in der Schule besser aufgepasst hätte und einen besseren Job gelernt hätte. Aber ich habe eine tolle Familie, tolle Kinder, die haben es besser gemacht und sind kein Müllmann geworden wie ich", sagt Yetis und lächelt. In acht Jahren will er in den Ruhestand gehen und den Lebensabend in einem Dorf in der Türkei verbringen.

Bezahlt werden die Reinigungskräfte nach Tariflohn. Das sind 14,20 Euro pro Stunde. Dazu kommen 25 Prozent Nachtzulage, die nicht versteuert werden muss. Macht pro Stunde also 17,75 Euro.

Peter Svetits ist Bereichsleiter bei der Reinigungsfirma TEREG, die für die Hamburger Hochbahn die Nachtreinigung stemmt. "Die Nachtzulage ist der größte Anreizpunkt für viele, in der Nacht zu arbeiten", sagt er. Daher sei es wichtig, dass diese Zulage weiter bestehe.

Keine Putzroboter

Menschen aus neun Nationen arbeiten hier in der Nacht. "Der größte Teil ist aus Rumänien, Bulgarien und der Türkei", so Svetits.

Die Reinigung erfolgt bis heute per Hand. Von Putzrobotern oder moderner Reinigungstechnik kann Peter Svetits nur träumen. "Ich wüsste gar nicht, was die menschliche Hand, das menschliche Auge so ersetzt, wie es derzeit benutzt wird", sagt er.

Akkugeräte hätten oft nur eine Laufzeit von drei Stunden - müssten aber acht Stunden durchhalten. Außerdem müsse die Technik leicht sein, da sie von Zug zu Zug getragen wird. So etwas gehe nur mit Besen und Wischmopp. Und Mehmet Yetis legt sogar noch nach: "Ich bin mir sicher, dass die nächsten hundert Jahre noch per Hand gereinigt wird."

U-Bahnwaschanlage im Betriebshof Farmsen der Hamburg Hochbahn

In Hamburg-Farmsen kommen die U-Bahnen in die Waschanlage.

Grunderneuerte Waschanlage für die Außenreinigung

Bei der Reinigung der Außenflächen der U-Bahnen kommt aber tatsächlich schon eine Maschine zum Einsatz. Denn hier im Hamburger Nordosten steht eine von zwei U-Bahn-Waschanlagen in der Hansestadt. Ali Demir ist der Herr über die Waschstraße. Nur einen Menschen braucht es für die Bedienung. "Erstmal muss ich alle Fenster in der U-Bahn schließen, damit nachher kein Wasser reinkommt", sagt Demir, während er durch den Waggon geht. 

Anschließend fährt er die Bahn in die Anlage. Etwa sieben bis acht Züge schafft er am Tag. Sobald er den Startknopf drückt, beginnt der Waschvorgang. Rote Bürsten schrubben dann 40 Minuten lang die Waggons von allen Seiten - am Ende gibt es sogar noch ein Pflegespray. "Für den Lotusblüteneffekt", erklärt Demir, "damit das Regenwasser besser abperlt."

Seit 1964 gibt es die Waschanlage. Im vergangenen Jahr wurde sie grunderneuert. Nun verbraucht sie weniger Wasser. Ein Zug mit neun Waggons benötigt etwa 3.500 Liter Wasser. Dies ist allerdings kein Trinkwasser, sondern wird aus einem eigenen Brunnen gewonnen und mit gefiltertem Waschwasser versetzt. 

Am Ende verlassen saubere Züge die Anlage in Hamburg-Farmsen. Und Ali Demir sagt lächelnd: "Man kennt ja den Zustand vor der Wäsche und danach sieht man, wie schön sauber der Zug ist. Wenn man diese Fahrzeuge dem Betrieb wieder zur Verfügung stellt und die Fahrgäste ins saubere Fahrzeug einsteigen, das ist doch was Herrliches."

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