Polizisten gedenken ihres getöteten Kollegen in Mannheim

Nach Angriff in Mannheim Sollen Straftäter nach Afghanistan abgeschoben werden?

Stand: 04.06.2024 13:36 Uhr

Nach dem tödlichen Messerangriff in Mannheim fordern Politiker mehrerer Parteien, Straftäter auch nach Afghanistan abzuschieben. Die Grünen geben zu bedenken: Unter den Taliban würden die Täter wohl eher belohnt statt bestraft.

Nach der tödlichen Messerattacke von Mannheim mehren sich Forderungen nach strikteren Abschiebungen ausländischer Straftäter. Mehrere unionsregierte Bundesländer unterstützten den Vorschlag des Hamburger Innensenators Andy Grote (SPD), schwerkriminelle Ausländer künftig auch nach Afghanistan und Syrien abzuschieben. Auch FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte der Bild-Zeitung: "Personen, die hier islamistisch auffällig werden, sollten auch in Länder abgeschoben werden, in denen das bisher nicht möglich war, wie beispielsweise Afghanistan."

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) forderte beim Redaktionsnetzwerk Deutschland, "die Voraussetzungen für Rückführungsmöglichkeiten von Straftätern und Gefährdern nach Syrien und Afghanistan zu schaffen - natürlich unter verfassungsgemäßer Abwägung der Grund- und Menschenrechte und bei differenzierter Betrachtung der Einzelfälle". Der Bund verweise regelmäßig auf fehlende diplomatische Kontakte - das sei nicht akzeptabel.

Innenministerium prüft Möglichkeiten

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärte, sie wolle "möglichst schnell" Klarheit darüber, ob schwere Straftäter nach Afghanistan abgeschoben werden können. Sie lasse das "seit mehreren Monaten intensiv prüfen", sagte Faeser in Berlin. Dies sei aber "nicht banal" in der Umsetzung und müsse auch gerichtsfest sein. Sie wolle, "dass Personen, die eine potenzielle Gefahr für die Sicherheit Deutschlands sind, schnell abgeschoben werden müssen", sagte Faeser. Hierbei würden die Sicherheitsinteressen Deutschlands "eindeutig" das Bleibeinteresse von Betroffenen überwiegen.

Die Ausgangslage im Herkunftsland müsse immer das Auswärtige Amt beurteilen. Hier müsse "noch viel sorgfältiger" darauf geschaut werden, "was geht und was nicht". Im Innenministerium wird zudem darauf verwiesen, dass bereits ein umfassendes Gesetzespaket für schnellere und häufigere Abschiebungen in Kraft sei. Damit werde die Abschiebung von Straftätern und Gefährdern erheblich erleichtert - vor allem aus dem islamistischen Spektrum.

Kritik von Union

Die Spitze der Unionsfraktion lobte die Vorstöße aus SPD und FDP für striktere Abschiebungen ausländischer Straftäter. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Abgeordneten, Thorsten Frei (CDU), und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt warfen der Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP aber zugleich bei getrennten Veranstaltungen in Berlin Untätigkeit in dieser Frage vor.

Dobrindt sagte, der Täter von Mannheim müsse seine Strafe in Deutschland verbüßen. Frei sagte zu den Forderungen aus der SPD: "Aus meiner Sicht ist das alles wenig glaubhaft und zeigt einfach, dass es jedenfalls erhebliche Teile in dieser Bundesregierung gibt, die ganz offensichtlich gar keine Lösung des Themas wollen." Dass die Bundespolizei die dafür zuständigen Länder derzeit nicht bei Abschiebungen nach Afghanistan unterstützen dürfe, geht allerdings laut Innenministerium auf einen Beschluss unter dem damaligen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) im August 2021 nach dem Sturz der afghanischen Regierung durch die Taliban zurück.

Straffreiheit in Afghanistan?

Kritik an den Plänen kommen von der Grünen-Politikerin Lamya Kaddor. Sie hält Abschiebungen von Straftätern nach Afghanistan nicht für sinnvoll. Denn dort hätte ein in Deutschland verurteilter Täter unter den radikalislamischen Taliban womöglich "gar keine Strafe mehr zu befürchten", sagte die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion im ARD-Morgenmagazin. "Wahrscheinlich wird er dort noch eher belohnt."

Kaddor verwies zudem darauf, dass Abschiebungen nach Afghanistan wegen der Lage in dem Land derzeit rechtsstaatlich nicht möglich seien. "Wollen wir wirklich diplomatische Beziehungen mit dem Taliban-Regime in Afghanistan aufbauen und denen Geld geben, dass sie Menschen nach Afghanistan zurücknehmen?", fragte sie. "Ich würde eher sagen: Menschen, die hier verurteilt wurden, die hier Straftaten verübt haben, schwere Gewaltstraftaten, sollten auch hier ihre Strafe bekommen."

Afghane tötet Polizist

Ein 25-jähriger Afghane hatte am Freitag bei einer islamkritischen Kundgebung auf dem Mannheimer Marktplatz ein Messer gezogen und sechs Männer verletzt, darunter ein Polizist. Der 29 Jahre alte Beamte erlag später seinen Verletzungen. Bundesjustizminister Marco Buschmann schrieb am Montagabend auf der Plattform X, mittlerweile lägen "klare Hinweise für ein islamistisches Motiv" vor.

Kurz zuvor hatte die Bundesanwaltschaft verkündet, sie gehe von einer religiösen Motivation des Täters aus, und die Ermittlungen an sich gezogen. Man gehe davon aus, dass der Mann islamkritischen Menschen ihr Recht auf freie Meinungsäußerung absprechen wollte, sagte eine Sprecherin.

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